Unfall mit Hamilton: Formel-1-Pilot Nico Rosberg: Kompromisslos zum Titel
Vor kurzem noch galt Nico Rosberg als zu weich für den WM-Titel. In Spa beweist der Mercedes-Pilot beim Zusammenprall mit Hamilton, dass er auch anders kann.
Es ist noch nicht allzu lange her, da galt Nico Rosberg als zu weich für den WM-Titel. Man hat ihn einen „braven Soldaten“ genannt, der im Zweifel Platz mache, der nicht das Zeug zum Weltmeister habe. Spätestens seit der Kollision mit seinem Teamkollegen Lewis Hamilton in Belgien weiß nun jeder in der Formel 1: Nico Rosberg kann auch hart sein, wenn es darauf ankommt. Und er ist eben nicht der brave Junge, der immer nachgibt.
Eigentlich müsste sich Rosberg auch mit Blick auf das WM-Klassement sagen: alles richtig gemacht. 29 Punkte Vorsprung hat er jetzt nach seinem zweiten Platz auf Hamilton, der diesmal nach seinem Reifenplatzer gar keine Punkte holte. Doch glücklich wirkte der Deutsche nicht unbedingt. Eher schon geknickt, weil sich die Mercedes-Teamführung in der Beurteilung des Zwischenfalls mit Lewis Hamilton in der zweiten Runde so eindeutig hinter seinen Teamkollegen stellte.
Zumindest außerhalb seines Teams erhielt Rosberg bei der Frage nach dem Schuldigen für die Kollision Rückendeckung. Der frühere Formel-1-Pilot Gerhard Berger konnte die Aufregung bei Mercedes und seinen österreichischen Landsleuten Niki Lauda und Toto Wolff nicht verstehen. Berger fand, dass die sich mit ihrer öffentlichen, heftigen Kritik an Rosberg gleich nach Rennende viel zu weit aus dem Fenster gelehnt hätten. Auch der frühere Teamchef von Michael Schumacher, Eddie Jordan, wurde deutlich: „Anstatt auf Nico herumzuhacken, sollte die Mercedes-Führung sich lieber selbst in den Hintern treten. Die sind doch selbst schuld, dass es so weit gekommen ist.“ Hamilton habe beim Rennen in Ungarn die Teamanweisung, Rosberg passieren zu lassen, mehrfach missachtet. „Wenn er dann dafür aber sogar von einem der Bosse sogar noch ganz offen Rückendeckung bekommt, dann ist es doch logisch, dass die Fahrer in der Folge absolut machen, was sie wollen.“
Lauda war es damals, der gesagt hatte, Hamilton habe sich völlig richtig verhalten. Der Aufsichtsratschef hatte stattdessen die Anordnung des Teams für falsch erklärt. Dass der Österreicher eher mit dem Engländer sympathisiert, dessen Verpflichtung bei Mercedes im Herbst 2013 er sich auf seine Fahnen schreibt, ist offensichtlich. Nicht nur, weil er Hamilton regelmäßig in seinem Privatflieger mitnimmt und beide gemeinsam essen gehen. Auch diesmal machte Lauda sofort Rosberg für den Unfall verantwortlich: „Das war ganz allein Nicos Fehler.“ Er könne das als früherer Rennfahrer beurteilen.
Andere frühere Piloten waren da durchaus anderer Meinung. Nicht nur der Deutsche Christian Danner vertrat die Auffassung: „Das war ein Rennunfall, 50:50.“ Auch Alexander Wurz merkte an, „dass Lewis die Kollision auch hätte verhindern können, wenn er einfach ein bisschen mehr Platz gelassen hätte“. Und während sich Presse und Fans aus Großbritannien auf Rosberg einschossen, stellten sich auch britische Ex-Piloten nicht vollständig hinter Hamilton. „Nico war so viel schneller, da ist es legitim, dass er einen Angriff versucht“, erklärte David Coulthard. Johnny Herbert sekundierte: „Dass dann so ein Angriff auch einmal schiefgehen kann, das ist relativ normal. Das ist dann eine Frage von Zentimetern.“ Und der Schweizer Marc Surer gab zu bedenken: „Der Fahrer sieht aus seiner Position im Cockpit die Enden seines Frontflügels nicht genau.“
Dass Rosberg diesmal nicht zurückzog, sondern seine Linie hielt, findet auch bei vielen seiner Fahrerkollegen durchaus Verständnis. „Immer nachgeben, das geht auch nicht“, meinte etwa Force-India-Pilot Nico Hülkenberg. In Bahrain, aber auch zuletzt in Ungarn, war Rosberg mehrfach in die Wiese ausgewichen, als sich Hamilton gegen seine Attacken mit äußerster Härte wehrte. „Wenn Nico da nicht immer zurückgezogen hätte, hätte es da schon jedes Mal gekracht“, meinte Danner. „Aber schließlich fahren die beiden um den Titel, da muss er schon auch einmal gegenhalten dürfen. Das ist schließlich Rennsport und kein Murmelspiel.“
Bei Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte man im Laufe des Sonntagabends immerhin das Gefühl, dass er seine ersten Worte ein wenig bedauerte und nach näherer Betrachtung und Gesprächen ein bisschen Verständnis für Rosberg aufbrachte. Er kündigte nun bis zum nächsten Grand Prix in Monza in zwei Wochen neutral „Konsequenzen“ an: „Die vereinbarten Regeln wurden gebrochen. Wenn wir das jetzt nicht managen, kann es böse enden.“
Ob es ihm noch gelingt, die Spaltung des gesamten Teams in zwei sich bekämpfende Fraktionen zu verhindern, ist die Frage. Denn gerade Laudas eindeutige Positionierung hinter Hamilton bleibt natürlich auch Rosbergs Mannschaft, seinen Ingenieuren und Mechanikern, nicht verborgen und dürfte dort nicht auf sehr viel Gegenliebe stoßen.
Auch angesichts der Tatsache, dass Daniel Ricciardo im Red Bull nach seinem dritten Saisonsieg auf 69 WM-Punkte an Rosberg und 40 an Hamilton herangekommen ist, muss man bei den Silbernen versuchen, die Situation irgendwie im Griff zu behalten. Wolff schloss nicht aus, dass es vielleicht in Zukunft doch eine Stallorder geben werde. Die müsste man dann logischerweise eigentlich zu Gunsten des Besserplatzierten ausgeben – also zugunsten von Rosberg.