GP auf der arabischen Halbinsel: Formel 1 als Propagandainstrument der Machthaber von Bahrain?
Die Rennserie hat sich mit der brisanten Lage in Bahrain arrangiert, weil man sie nicht mehr damit behelligt.
Die unzähligen Polizeiautos auf dem Weg aus der Hauptstadt Manama an die Rennstrecke sind noch da, die schwerbewaffneten Sicherheitskräfte auch. Aber für die Formel 1 ist das beim Grand Prix in Bahrain (heute 17 Uhr/RTL und Sky) im dritten Jahr des Rennens unter „besonderen Umständen“ anscheinend schon so normal, dass es kaum noch einen wirklich interessiert. In den letzten beiden Jahren war das Aufbegehren der Bevölkerung gegen das Königshaus stets das große Thema. 2014 gibt man sich lieber der Illusion hin, die Probleme seien gelöst und die Sicherheitsmaßnahmen nur zur Vorsicht da. Und nicht dazu, den Tross auf dem Weg zur Strecke von Unruhen und Demonstrationen fernzuhalten.
Auf Seiten der Veranstalter und der verantwortlichen Politiker setzt man inzwischen ganz auf die Methode Abschottung und Beschönigung. Man konzentriert sich auf positive Themen wie das zehnjährige Grand-Prix-Jubiläum und das erste Nachtrennen der Geschichte hier, auf viel Show und Unterhaltung – und es funktioniert. Die alljährliche Erklärung von Amnesty International zu den immer noch nicht besseren Menschenrechtszuständen findet im Fahrerlager kaum noch Aufmerksamkeit. Dass sich der Formel-1-Zirkus von der hiesigen Regierung als Propaganda-Instrument verwenden lässt, haben auch die wenigen kritischen Berichterstatter nicht verhindern können.
Doch wer die üblichen Wege verlässt, der kann die Proteste in Bahrain sehen – und zwar grundsätzlich 365 Tage im Jahr. Und derjenige sieht auch, dass das nach außen verkaufte Bild von Ruhe und Frieden im Land ein Trugbild ist. Am Freitagnachmittag hatte die Al-Wefaq-Vereinigung als Vertreter der schiitischen Mehrheit in Bahrain zu einem Protestmarsch gegen das sunnitische Königshaus aufgerufen. Dabei gehe es darum, „friedlich die Präsenz der ausländischen Medien zu nutzen, um der Welt die Forderungen der Opposition mitzuteilen“, hieß es im Vorfeld. So intensiv wie in den vergangenen Jahren versuchte man allerdings nicht mehr, die Formel-1-Medien auf allen möglichen Kanälen zu erreichen. Aber immerhin versammelten sich dann schon mehrere Tausend Demonstranten – Schiiten und Sunniten gemeinsam – vier Kilometer außerhalb der Hauptstadt Manama, um generell mehr Freiheit und die Einhaltung der Menschenrechte zu verlangen.
Den direkten Bezug zur Formel 1 suchte dagegen die aus sehr vielen kleinen Oppositionsgruppen bestehende „Vereinigung des 14. Februar“. Für sie gilt weiterhin das Motto „Verhindert den blutbefleckten Grand Prix“. Das Rennen ist in weiten Teilen der Bevölkerung als Prestigeobjekt des Königshauses verschrien. Bei entsprechenden kleineren Kundgebungen brannten in der Nacht von Freitag auf Samstag in den Vorstädten und Dörfern außerhalb Manamas auch wieder einige Reifenbarrikaden.
Im Formel-1-Fahrerlager hat das so gut wie niemand mitbekommen. Dabei stecken hinter der vermeintlichen Ruhe bei näherer Betrachtung nicht so schöne und nicht so bekannte Dinge. Wie ein seit Sommer 2013 bestehendes allgemeines Demonstrationsverbot im Zentrum der Hauptstadt Manama und umfangreiche Verhaftungs- und Verurteilungswellen über Jahre hinweg. Auch in den lokalen Zeitungen, in denen während der letzten Rennwochenenden zumindest immer noch anklagende Artikel über die „verantwortungslosen, das Fest störenden“ Oppositionellen zu finden waren, kommt dergleichen nicht mehr vor. Hier herrscht inzwischen das Gebot des Totschweigens. Es finden sich nur noch positive Schlagzeilen über den angeblich so großen positiven Einfluss des Sports auf dem Weg zum Frieden. In der Formel 1 glaubt man offenbar inzwischen auch daran.