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Feyenoord-Fans sollen mit Drohungen zur Rücktrittsankündigung von Generaldirektor Mark Koevermans beigetragen haben.
© imago images/Matthias Koch

„So kann es nicht weitergehen“: Feyenoord Rotterdam in Aufruhr

Unions Europapokalgegner hat mit massiven internen Problemen zu kämpfen. Feyenoords-Generaldirektor Mark Koevermans wird nach Drohungen der Fans zurücktreten.

Auf den ersten Blick läuft es gerade prächtig für Feyenoord Rotterdam. Am Wochenende hat die Mannschaft von Trainer Arne Slot das Rotterdamer Lokalderby bei Sparta durch ein Tor in der Nachspielzeit mit 1:0 für sich entschieden. Der Rückstand auf Ajax Amsterdam, den Spitzenreiter der Ehrendivision, beträgt nur noch vier Punkte – bei einem Spiel weniger.

Und in der europäischen Conference League sind die Rotterdamer in ihrer Gruppe sogar selbst Tabellenführer. Unter günstigen Umständen können sie sich schon an diesem Donnerstag, mit einem Sieg gegen den 1. FC Union im Olympiastadion, vorzeitig für die K.-o.-Runde qualifizieren.

Bei genauerem Hinsehen aber stellt sich Feyenoords Situation als gar nicht so komfortabel dar. Das liegt weniger an den 17 Millionen Euro Verlust, die der Klub vor kurzem für die Coronasaison 2020/21 vermeldet hat.

Es liegt vor allem an Generaldirektor Mark Koevermans, 53, der vorige Woche seinen Rücktritt zum 1. Dezember erklärt hat. Und noch viel mehr an den Gründen für diesen Schritt: Koevermans fühlt sich bedroht – von den eigenen Fans.

„Wir verstehen das“, erklärte Feyenoords Vorsitzender Toon van Bodegom in einer Pressekonferenz wenige Stunden nach dem angekündigten Rücktritt Koevermans’. „Das ist ein trauriger Tag für Feyenoord. Es ist nicht gut für die Reputation des Klubs, nicht gut für die Mitarbeiter. So kann es nicht weitergehen.“

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Der gebürtige Rotterdamer Koevermans, früherer Tennisprofi, hat insgesamt zwölf Jahre in verschiedenen Funktionen für den Klub gearbeitet, die letzten beiden als CEO. Für Feyenoord tätig zu sein sei für ihn ein Kindheitstraum gewesen, teilte er mit. Daher tue es weh, „diese Entscheidung treffen zu müssen“.

Aber Koevermans, so erklärte es sein Klub, habe das Gefühl gehabt, „dass er nicht länger funktionieren und Entscheidungen treffen kann, ohne sich zu fragen, ob es Auswirkungen auf seine und die Sicherheit seiner Familie haben wird“.

Fans werfen Scheiben bei Generaldirektor Koevermans ein

Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war wohl ein Vorfall Ende September. Mitten in der Nacht, als er und seine Familie schlafend im Bett lagen, wurden bei Koevermans’ Wohnung die Scheiben der Haustür eingeschmissen. An der Hauswand fand sich zudem das Kürzel einer ebenso bekannten wie berüchtigten Fangruppierung von Feyenoord.

Im niederländischen Fußball geht es generell etwas rauer zu als in Deutschland. Aber selbst nach diesen Maßstäben sind die Fans von Feyenoord noch einmal ein spezieller Fall. Der ganz harte Kern ist oft nur schwer erträglich. „Nirgends scheint das Problem so hartnäckig zu sein wie rund um De Kuip“, hat die in Rotterdam beheimatete Zeitung „Algemeen Dagblad“ geschrieben. Der regionale Sender Rijnmond hat allein für das vergangene halbe Jahr zehn Vorfälle aufgelistet.

Dazu zählten antisemitische Schmierereien und Morddrohungen gegen Nationalspieler Steven Berghuis, der im Sommer von Feyenoord zum Erzfeind Ajax gewechselt ist, Attacken auf eine LGBT+- Vertretung in der Stadt, ein Fanmarsch zu den Privatadressen des Vereinsjustiziars, eines Architekten, der das neue Stadion plant, und auch von Koevermans sowie der Angriff auf eine Delegation des 1. FC Union vor dem Europapokal-Hinspiel vor zwei Wochen in Rotterdam.

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„Unglaublich, dass man als Gast nicht mal mehr durch diese Stadt laufen kann“, sagte Koevermans nach diesem Vorfall. „Ich schäme mich als Mensch, Rotterdamer und als Feyenoorder.“ Trotzdem dürfe man sich von solchen Attacken nicht einschüchtern lassen. Wenige Tage später erklärte er seinen Rücktritt.

Aber es war wohl nicht der Angriff auf die Delegation um Unions Präsident Dirk Zingler, die für Koevermans’ Schritt ausschlaggebend war. Es war vor allem die Wut einiger Fans über den geplanten Bau eines neuen Stadions.

Am Ufer der Maas soll in den nächsten Jahren die Feyenoord-City entstehen, ein gewaltiges Städtebauprojekt inklusive einer 440 Millionen Euro teuren Arena für 63.000 Zuschauer. Der harte Kern der Anhänger lehnt dieses Projekt entschieden ab und will lieber in De Kuip, der traditionellen Heimat des Klubs, bleiben.

Das ist eines der Probleme, die nun Koevermans’ Nachfolger lösen muss. Aber bei weitem nicht das einzige. Die Berichte über die Attacke auf sein Wohnhaus haben schon dazu geführt, dass ein potenzieller Investor die aussichtsreichen Gespräche über eine Zusammenarbeit mit Feyenoord beendet hat. Und auch um das Klima im Klub kann es nicht zum Besten stehen. Nachdem Koevermans seinen Rücktritts angekündigt hatte, ist Feyenoords Vorsitzender van Bodegom gefragt worden, ob es noch mehr Mitarbeiter gebe, die bedroht worden seien. „Dazu sage ich nichts“, antwortete er.

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