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Patrioten in Rot. Beim Asien-Cup zeigte China anders als zuletzt eine gute Leistung und gewann alle Vorrundenspiele. Das Aus kam erst gegen den späteren Turniersieger Australien.
© imago/Imaginechina

China hat den Fußball entdeckt: Fernziel Weltmeister

Der chinesische Präsident Xi Jinping erklärt Fußball zum neuen Staatssport. Die ambitionierten Ziele: China will sich für eine WM qualifizieren, eine WM ausrichten - und natürlich eine WM gewinnen.

Als Xi Jinping vor mehr als einem Jahr erstmals eine Neujahrsansprache in seinem Büro hielt, blickten viele chinesische Sportfans etwas genauer auf das Fernsehbild. In der Bücherwand hinter dem chinesischen Staatspräsidenten waren sechs private Fotos bewusst in Szene gesetzt, darunter auch eines aus dem Croke-Park-Stadion in Dublin, auf dem Xi Jinping mit sichtbarer Freude gegen einen Fußball tritt. Das Bild soll offensichtlich seinen Ruf als Fußballfan unterstreichen. Bekannt ist längst, dass er 2011 gegenüber südkoreanischen Diplomaten gesagt hat, er hege für sein Land drei Wünsche: „Dass sich China für die WM qualifiziert, dass China eine WM ausrichtet und dass China eine WM gewinnt.“ Zumindest zwei dieser Wünsche könnten recht bald in Erfüllung gehen.

China ist in dieser Woche der Ausrichtung einer Fußball-Weltmeisterschaft wieder ein Stück näher gekommen. Am Dienstag hat die Wanda-Gruppe, ein chinesischer Immobilien- und Kinokonzern, für 1,05 Milliarden Euro die Mehrheit am Schweizer Sportrechtehändler Infront übernommen. Die Firma, für die auch Günter Netzer arbeitet, ist eng mit dem Fußball-Weltverband (Fifa) verbunden. Sie handelt unter anderem mit den WM-Fernsehrechten und wird geleitet von Philippe Blatter, dem Neffen des alten und vermutlich auch neuen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter. Wie die Online-Ausgabe des „Wall Street Journal“ berichtet, ist die Wanda-Gruppe von der chinesischen Regierung beauftragt worden, „die Führung bei den Vorbereitungen für eine WM-Bewerbung zu übernehmen“. Im Staatskapitalismus chinesischer Prägung ist der Einfluss der kommunistischen Partei auf private Firmen mitunter sehr hoch.

Das dürfte auch ein Grund dafür sein, warum der Milliardär Wang Jianlin die Fußballaktivitäten seiner Wanda- Gruppe zuletzt stark ausgeweitet hat. 40 Millionen Euro lässt er sich die Ausbildung chinesischer Fußballtalente in Spanien kosten, für 45 Millionen Euro hat er 20 Prozent am Champions-League-Finalisten Atletico Madrid übernommen. Doch das alles ergibt noch keinen Zuschlag für eine Fußball-Weltmeisterschaft, die China aufgrund der WM 2022 in Katar ohnehin erst 2030 ausrichten könnte. „Ob das reichen wird, um die WM nach China zu bringen?“, sagt auch Xavier Robert von der Kapitalanlagengesellschaft Bridgepoint, die ihre Infront-Anteile an die Wanda-Gruppe verkauft hat. „Wenn man das heutige Niveau des Fußballs in China nimmt, wahrscheinlich nicht.“ Doch auch daran arbeiten die Chinesen.

Im November gab die Regierung bekannt, dass Fußball Pflichtfach im nationalen Lehrplan wird

Zurzeit läuft im Reich der Mitte eine ehrgeizige staatliche Fußballoffensive, die viel mit Xi Jinpings Leidenschaft für den Sport zu tun haben dürfe. Im November gab die Regierung bekannt, dass Fußball Pflichtfach im nationalen Lehrplan wird. Bis 2017 sollen rund 20 000 Schulen neue Fußballplätze und Trainingsmöglichkeiten erhalten, um rund 100 000 neue Spieler herauszubringen. Außerdem soll Fußball ein Teil der nationalen Universitätsaufnahmeprüfung werden. Das ist eine wichtige Maßnahme, um die bildungsorientierten chinesischen Eltern dazu zu bewegen, ihr Kind Fußball spielen zu lassen. Sport als Mittel zum sozialen Aufstieg hat in China gegenüber den Chancen in der Wirtschaft erheblich an Attraktivität eingebüßt.

Die Verantwortlichen im chinesischen Sport haben offenbar verstanden, dass es im Gegensatz zu den olympischen Einzelsportarten im Fußball nicht genügt, wenige Talente durch ein Sportsystem zu schleusen, das sich nur auf Eliten konzentriert. „Es liegen Welten zwischen den Fußballspielern aus dem chinesischen Nationalteam und den Spielern aus der zweiten Reihe“, bemängelt der Fußball-Nachwuchstrainer Tom Byer, der in Peking eine Fußballschule leitet. Kurioserweise fehlt es im Land der 1,3 Milliarden Menschen an einer großen Zahl von Spielern. Die fehlende Konkurrenz hat sich bis vor kurzem vor allem im Nationalteam widergespiegelt, das nur für Hohn und Spott taugte. Nach dem 1:5 gegen eine thailändische Juniorenauswahl im Sommer 2013 wollte der Pekinger Profiklub Beijing Guoan seine Nationalspieler sogar zu „patriotischer Erziehung“ verdonnern. Doch das ist inzwischen wohl nicht mehr nötig.

Beim Asien-Cup 2015 überraschte das chinesische Team in der Vorrunde mit drei Siegen in drei Spielen, ehe es gegen den späteren Asienmeister und Gastgeber Australien im Viertelfinale mit 0:2 ohne Chancen war. Das Turnier gab aber den Fans im Reich der Mitte Hoffnung, im Fußball auf dem richtigen Weg zu sein. Den Staatschef dürfte es ebenfalls gefreut haben. In seiner Bücherwand fehlte bei der Neujahrsansprache in diesem Jahr das Dubliner Fußballfoto, stattdessen stand dort das Bild seines Besuchs bei einem Freundschaftsspiel zwischen der U 13 des VfL Wolfsburg und einer chinesischen Provinzauswahl. Wenig später verpflichteten die Wolfsburger Profis den unbekannten Chinesen Zhang Xizhe – und sind damit auch ein Teil der großen chinesischen Fußballoffensive geworden.

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