Lustreisen und Alkoholexzesse beim DFB: Feiern bis der Anwalt kommt
Der DFB hat mit Lustreisen und privaten Partys offenbar seinen gemeinnützigen Status gefährdet. Er hat die Statuten geändert, doch das Problem bleibt.
Es ist eine seltsame Begrifflichkeit, die alles und nichts bedeuten kann: Lustreise. Was soll das schon sein? Ausschweifende auswärtige Partys mit Alkoholexzessen und Prostituierten? Oder vielleicht auch schon ein gemütliches Beisammensein in einem netten Restaurant? Eine größere Allgemeinheit hat von sogenannten Lustreisen gehört, als bekannt wurde, wie verdiente Mitarbeiter von Versicherungen sich auf Unternehmenskosten vergnügten – mit Hostessen und allem drum und dran. Das war ein Skandal seinerzeit, überraschte aber nicht so viele Menschen, weil die Branche ohnehin nicht den besten Ruf genießt.
Dass aber jetzt auch der größte Einzelsportverband der Welt so manche „Lustreise“ unternommen haben soll, das ist eine andere Kategorie. Denn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist kein privatwirtschaftliches Unternehmen, sondern gemeinnützig und somit steuerbegünstigt. Damit das nicht falsch verstanden wird: In diesem Fall geht es nicht um Prostituiertenpartys, jedenfalls soweit das bislang bekannt ist. Recherchen des „Spiegel“ legen aber nahe, dass der Verband jahrelang eben genau jene Gemeinnützigkeit mit anderen Gelagen aufs Spiel gesetzt hat. Mit privaten Partys, Präsidiumssitzungen auf entfernten Kontinenten und anderen Prassereien.
Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf ein streng vertrauliches Dokument von Ulrich Bergmoser. Auf 34 Seiten soll der frühere DFB-Finanzdirektor und Compliance-Beauftragte im Januar 2018 die Exzesse aufgelistet und die daraus entstandenen Risiken benannt haben. Beispiele? Während der WM 2014 soll der DFB für eine vor Ort abgehaltene Präsidiumssitzung ganze 370.848 Euro ausgegeben haben. Der Verband hat die Summe inzwischen in einer auf der eigenen Internetseite veröffentlichten Stellungnahme selbst korrigiert – auf 287.304,35 Euro. „Unter Einbeziehung aller darin enthaltenen Kosten, Hotelbuchungen, Flüge und der besonderen Konstellation WM-Finale.“ Versteht sich.
Champagner und Wodka
Bei der EM 2008 sollen für eine Reise mit etwa 140 Teilnehmern 440 000 Euro draufgegangen sein. Acht Jahre später lud der Verband offenbar auch Funktionäre der Regional- und Landesverbände zum Turnier nach Frankreich ein. Kosten pro Person: zwischen 2700 und 8500 Euro. Der DFB begründet die Reisen damit, dass der inhaltliche Austausch mit Vertretern anderer internationaler Fußballverbände und das soziale und gesellschaftspolitische Engagement zu den „satzungsgemäßen Aufgaben“ gehöre.
Aber sind derartig große Posten und Partys wirklich verhältnismäßig – und vor allem legitim?
Das bezweifelt wohl nicht nur Ulrich Bergmoser. Schon Jahre vor seinem Bericht soll nach „Spiegel“-Informationen ein Steuerberater des DFB auf die Problematik hingewiesen haben. Doch der Verband feierte anscheinend einfach weiter. So soll eine kleine Gruppe um den damaligen Sportdirektor Hansi Flick und Joti Chatzialexiou, der mittlerweile als Sportlicher Leiter der deutschen Nationalmannschaften arbeitet, 2016 unter anderem für Champagner und Wodka in einem Münchner Nobelrestaurant eine Rechnung von mehr als 1000 Euro eingereicht haben. Und eine größere Gruppe mit Funktionären, Schiedsrichtern und Trainern hat im Rahmen eines Jugend- und Sichtungsturniers 2017 für mehr als 4500 Euro gezecht, für 639 Altbier und andere Getränke wie Kräuterschnaps.
20.000 Euro zum 90. Geburtstag
Der DFB hat dies bestätigt, betonte aber, dass dies nicht gegen die „seinerzeitigen Richtlinien“ verstoßen habe. Tatsächlich gelten seit Anfang 2018 andere Verhaltensrichtlinien, wie der DFB mitteilte. „So sind aktuell nur noch Kosten für nicht alkoholische Getränke sowie Bier und Wein erstattungsfähig.“ Und bei der WM in Russland sei das Präsidium nur vier Tage vor Ort gewesen, um ein eng getaktetes Programm mit Sitzungen, Besuchen bei Kooperationspartnern und einen Empfang an der Deutschen Botschaft zu absolvieren.
Ulrich Bergmoser störte sich allerdings nicht nur an den Reisen, sondern auch daran, dass der Verband Privatfeiern zumindest mitsponsore. 20.000 Euro zum 90. Geburtstag von Ehrenpräsident Egidius Braun; 13.000 Euro zum 70. Geburtstag von Hermann Korfmacher, dem Präsidenten des Westdeutschen Fußballverbands; 5000 Euro zum 60. Geburtstag von Präsidiumsmitglied Peter Frymuth. Wirtschaftsprüfer hätten dem Verband daraufhin geraten, künftig kein Geld mehr für Privatfeiern auszugeben, weil dies wegen „Mittelfehlverwendung“ die Gemeinnützigkeit kosten könne.
Ob dies immer noch so ist, muss noch geklärt werden. Der Mahner hat den DFB nach nur gut einem Jahr im Amt jedenfalls wieder verlassen. Auf eigenen Wunsch, wie es damals offiziell hieß. Inoffiziell ist zu hören, dass Ulrich Bergmoser auf taube Ohren bei den Vereinsoberen gestoßen sein soll. „Seine Erfahrungen aus der Wirtschaft, seine Expertise und sein Blick von außen haben uns dabei geholfen, unser Haus in kurzer Zeit zukunftsfähig aufstellen zu können“, verlautete der DFB in Pressemitteilungs-Deutsch.
Aber vielleicht hat sich ja doch unter Reinhard Grindel etwas verändert. Tatsächlich stammen die meisten der genannten Vorfälle aus der Zeit, bevor er zum Präsidenten aufgestiegen ist. Zwischen 2013 und 2016 arbeitete Grindel beim DFB als: Schatzmeister.
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