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Steuermann Erik Heil, 24 (hinten), und Vorschoter Thomas Plößel, 25, segeln seit 2001 zusammen.
© imago

Im Wasser vor Rio de Janeiro: „Fäkalien, Holztüren, tote Kühe“

Erik Heil und Thomas Plößel waren gerade in Brasilien, um sich auf die Olympischen Spiele 2016 vorzubereiten. Im Interview mit dem Tagesspiegel kritisieren sie gesundheitsgefährdende Zustände in Rios Olympia-Segelrevier.

Herr Heil, Herr Plößel, Sie sind im vergangenen Monat in Brasilien gewesen und haben sich auf die Olympischen Spiele 2016 vorbereitet. Ist es normal, zwei Jahre vor den Spielen schon das Revier zu testen?
Plößel: Bei Revieren wie Weymouth, wo Jahre vorher schon Weltcups waren, da braucht man das vielleicht nicht. Da reicht es, das Jahr davor schwerpunktmäßig dort zu segeln. Doch in Rio waren wir davor noch nicht. Rio ist wirklich sehr komplex durch die Strömung und den Wind, der über die Berge Dreher verursacht.

Wie ist denn Ihr Eindruck vom Segelrevier vor Rio?

Plößel: Es war wirklich gut, wir waren in den fast drei Wochen jeden Tag auf dem Wasser. Wir haben dort auch eine Trainingsregatta gesegelt mit den besten zehn Teams der Welt, darunter Österreich, Polen und Großbritannien. Die Windbedingungen waren top, wir hatten immer Wind in verschiedensten Stärken. Es ist eigentlich wirklich ein Traum-Segelrevier – wenn das Wasser nicht so dreckig wäre.

Die Wasserqualität ist schlecht?

Plößel: Es ist einfach dreckig. Nicht nur wegen des ganzen Mülls, der Plastiktüten und so weiter, sondern auch deshalb, weil die Stadt ihre Fäkalien direkt ins Wasser leitet. Es ist einfach komplett braun.

Das klingt bedenklich.

Plößel: Ja klar, auf jeden Fall. Wir haben schon zugesehen, dass wir nicht nass werden.

Hatten Sie Angst um Ihre Gesundheit?

Heil: Ich glaube, wir hatten wirklich Glück, dass wir nicht krank geworden sind. Das sind auch zwei verschiedene Belastungen, die dort vom Wasser auf uns zukommen. Einmal die Coli-Bakterien und dann noch der Müll, der einfach in der ganzen Bucht verteilt schwimmt. Man hat wirklich die lustigsten Dinge schwimmen gesehen: eine ganze Holztür, Schuhe, der brasilianische Trainer hat von einer ganzen toten Kuh erzählt, die dort rumschwamm. Vor allem nach regnerischen Tagen. Und das ist eigentlich die viel größere Herausforderung und das größere Problem als das mit den Bakterien: unter diesen Umständen ein wirklich faires Rennen durchzuführen. Da schwimmen so viel Plastiktüten rum, das du im Minutentakt welche am Schwert hast. Was natürlich extrem bremst.

Man kann dort Ihrer Meinung nach nicht verantworten, dass dort olympische Segelrennen ausgetragen werden?

Plößel: Nein , das kann man wirklich nicht verantworten. Jedenfalls nicht so, wie es zurzeit ist. Es ist wirklich unvorstellbar, was dort rumschwimmt. Und in welcher Menge. Es gab Bereiche, wo man mit dem Boot gar nicht mehr durchfahren konnte vor lauter Müll, weil dort so dicht gepackt harte Sachen rumschwammen.

Glauben Sie, dass angesichts dieser Umstände der Heimvorteil in diesem Segelrevier bei Olympia besonders stark ausfallen wird?

Plößel: Ja, dort schon. Es ist ohnehin schon ein ziemlich trickreiches Revier. Durch die Berge und die extreme Strömung. Es gibt viele Einbuchtungen in der Bucht und auch Steine, die dort überall liegen. Die bessere Seite mit mehr Wind und besserer Strömung herauszufinden, ist dadurch sehr schwer. Man muss schon wirklich ein gutes Auge haben, um zu wissen, wo man hinfährt. Du siehst die Stromkante und musst entscheiden, ob er dahinter auch wirklich besser für dich fließt. Es ist ein sehr trickreiches Revier. Wir müssen da wirklich noch öfter hin die nächsten Winter oder im August zum Zeitraum der Spiele, haben wir festgestellt. Man hat gemerkt, dass dort wirklich Erfahrung gebraucht wird, vor allem was den Strom angeht. Du musst es wirklich in deiner Intuition abgespeichert haben.

Können Sie schon sagen, ob das Revier Ihnen liegt?

Plößel: Es ist schon ein geiles Revier, das wir gut finden. Es macht schon Spaß, dort zu segeln. Weil es Flachwasser ist, das macht im 49er besonders viel Spaß. Man kann tolle Manöver fahren und bei Wind höchsten Speed erreichen. Es war zum Glück nicht jeden Tag so müllig, halt nur die vielen Plastiktüten. Da gewöhnt man sich irgendwie dran.

Heil: Das ist wohl auch jahreszeitenabhängig, aus welchem Grund auch immer. Was es natürlich nicht grade besser macht.

Wurde denn überhaupt schon etwas gegen die Verschmutzung unternommen?

Heil: In Rio selbst gibt es seit ein paar Jahren offenbar ein Programm zur Säuberung der Bucht, aber da ist noch nichts passiert. Da muss auf jeden Fall noch was geschehen. Ich habe auch gedacht, dass das IOC oder so was dafür zuständig ist.

Haben Sie beim Deutschen Segler-Verband über Ihre Erfahrungen vor Rio berichtet?

Heil: Ja, das war auch der Sinn der Sache. Eigentlich müsste der DSV auch probieren, da sein Wort einzulegen. Das hat er noch nicht gemacht. Ich werde das aber im Auge behalten.

Das Gespräch führte Julian Bergemann.

Julian Bergemann

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