Sexueller Missbrauch: Ex-Turn-Arzt Nassar zu bis zu 175 Jahren Haft verurteilt
Wegen hundertfachen sexuellen Missbrauchs verdiene der US-Turnarzt Nassar nicht, jemals wieder in Freiheit zu kommen, sagt die Richterin. Und sie wählt drastische Worte.
Der ehemalige US-Arzt Larry Nassar ist wegen massenhaften sexuellen Missbrauchs junger Turnerinnen zu 175 Jahren Haft verurteilt worden. Richterin Rosemary Aquilina wählte bei der Verkündung des Strafmaßes in Lansing im US-Bundesstaat Michigan drastische Worte: „Ich würde nicht einmal meine Hunde zu Ihnen schicken“, sagte sie am Mittwoch an den 54-jährigen Nassar gewandt.
„Ich habe gerade Ihr Todesurteil unterzeichnet“, sagte Aquilina zu einem reglos vor ihr stehenden Nassar. „Es ist mir eine Ehre und ein Privileg, Sie zu bestrafen.“
Aquilina sagte, Nassar müsse mindestens 40 Jahre im Gefängnis bleiben. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 40 bis 125 Jahren gefordert. Richterin Aquilina warf Nassar vor, er habe noch immer nicht akzeptiert, was ihm vorgeworfen werde.
In einem anderen Prozess war Nassar wegen des Besitzes von Kinderpornografie bereits zu einer Haftstrafe von 60 Jahren verurteilt worden.
Bis zum Mittwoch waren bei dem Prozess 156 Mädchen und Frauen angehört worden, darunter auch mehrere Olympiasiegerinnen. Sie schilderten teils unter Tränen die kriminellen Machenschaften des Mediziners in allen Einzelheiten. Nassar hatte sich im November 2017 schuldig bekannt.
Mehrere prominente US-Turnerinnen sagten gegen Nassar aus
Nassar sagte vor Gericht, er bitte seine Opfer um Entschuldigung für den Schmerz und das Trauma, das er ihnen angetan habe. „Eure Worte haben mich zutiefst erschüttert“, sagte er in blaue Gefängniskleidung gewandet. „Ich werde diese Worte bis ans Ende meines Lebens in mir tragen.“ Mehrfach drehte sich Nassar zu den Opfern um, wollte sie direkt ansprechen.
„Ihre Taten sind abscheulich. Sie können Ihren Opfern nicht ihre Unschuld zurückgeben“, sagte Richterin Aquilina. „Sie haben es nicht verdient, jemals wieder das Gefängnis zu verlassen.“
Angela Povilaitis von der Generalstaatsanwaltschaft des Staates Michigan rang in ihrer Abschlussstellungnahme mehrfach um Fassung. „Seine Taten erstrecken sich über 25 Jahre“, sagte sie. „Seine Opfer haben diesem Mann mehr als vertraut“, sagte Povilaitis. „In Wirklichkeit war er ein Meister der Manipulation.“
„Es ist eine kranke Perversion, Kinder zu missbrauchen, während ihre Eltern nur wenige Meter entfernt saßen - unwissend“, sagte Povilaitis. „Die Welt dachte, dies sei ein guter Arzt. Einer, der sich um einige unserer prominentesten jungen Heldinnen kümmerte, um junge Olympionikinnen. Er hat sich hinter den olympischen Ringen versteckt.“ Die Staatsanwältin sagte: „Wir haben in den letzten Tagen das Schlimmste und das Beste gesehen, wozu Menschen fähig sind.“
Nassar bereue seine Taten zutiefst, sagte ein Verteidiger
In der siebentägigen Anhörung hatten auch mehrere prominente US-Turnerinnen gegen Nassar ausgesagt, unter ihnen auch die viermalige Rio-Olympiasiegerin Simone Biles. Eindrucksvoll trat vor allem Nassar-Opfer Kyle Stephans auf und nannte den Ex-Mediziner einen „abscheulichen Lügner“. Nassar habe seine sexuellen Neigungen ausgelebt und mit „medizinischen Behandlungen“ gerechtfertigt, die der Entspannung der Becken-Muskulatur dienen sollten.
Kyle Stephens hatte gesagt: „Kleine Mädchen bleiben nicht für immer klein. Sie wachsen zu starken Frauen heran, die zurückkehren, um Deine Welt zu zerstören.“
Die Anwälte Nassars berichteten am Mittwoch, sie hätten gleichentags Todesdrohungen gegen ihre Kinder erhalten. Anwalt Matthew Newburg sagte, er würde Nassar jederzeit wieder verteidigen, sei dies doch das verfassungsmäßig garantierte Recht eines jeden Angeklagten. Nassar bereue seine Taten zutiefst, sagte Newburg. Aber eine Entschuldigung sei nicht genug. Die Gefühle Nassars seien nichts im Vergleich zu dem, was seine Opfer hätten durchmachen müssen.
Am Montag war die Spitze der Geschäftsführung des Turnverbandes US Gymnastics wegen Vorwürfen zurückgetreten, Nassars Machenschaften lange Zeit gedeckt zu haben. (dpa)
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