Homosexualität im Fußball: Es wird Zeit für ein kollektives Coming-Out!
Hunderte Profis setzen ein Zeichen. Philipp Lahm hingegen rät vom Coming-Out ab; dabei könnte gerade er seine Popularität sinnvoll nutzen. Ein Kommentar.
Es ist ein starkes Zeichen. 800 Fußballer*innen sichern homosexuellen Spielern ihre volle Unterstützung zu und bekunden Solidarität. „Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite“, heißt es in einem Appell, den das Fußballmagazin „11 Freunde“ veröffentlicht hat.
Bekannte Fußballgrößen machen mit eindeutigen Botschaften klar: „Ihr könnt auf uns zählen!“ Das ist bemerkenswert, denn schließlich ist Homosexualität gerade im Fußball immer noch stigmatisiert. In Deutschlands Männer-Profiligen hat sich bisher kein einziger aktiver Fußballer geoutet. Das zeigt: Es gibt Handlungsbedarf.
Auch Ex-Nationalspieler Philipp Lahm sieht das offenbar so – zumindest fast: In seinem Buch, aus dem die „Bild“-Zeitung vorab zitiert, schreibt er, dass es Vereine und Städte gebe, wo ein Coming-Out möglich wäre. Er nennt zum Beispiel Berlin und Freiburg. Aber er fügt auch hinzu: „Gegenwärtig scheinen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen.“
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Stattdessen empfiehlt er homosexuellen Spielern, sich vor ihrem Coming-Out mit engen Vertrauten auszutauschen; rät jedoch davon ab, sich über das Thema mit Mitspielern zu unterhalten. Zu groß sei die fehlende Akzeptanz beim Fußball und im Umfeld.
Mit seiner Warnung hat Lahm sicher nicht Unrecht. Nicht ohne Grund outete Thomas Hitzlsperger sich erst nach seiner Karriere als Profifußballer. Und nicht ohne Grund trauen sich queere Personen im Sport immer noch nicht, offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität umzugehen. Gerade im Fußball spielen traditionelle Vorstellungen von „Männlichkeit“ eine große Rolle.
Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn Lahm niemandem empfiehlt, sich in einem Klub zu outen, in dem er nicht auf die Unterstützung des Vereins oder der Mitspieler zählen kann. Allerdings ist das auch nichts Neues. Diskriminierung und Homofeindlichkeit im Fußball sind mittlerweile bekannt. Stark wäre es gewesen, einen Schritt weiterzugehen und die eigene Popularität sinnvoll zu nutzen. Die ist als ehemaliger Kapitän der Nationalmannschaft und des FC Bayern München nämlich ziemlich groß.
800 andere Fußballer*innen nutzen ihre Bekanntheit
Lahm hätte zum Beispiel strukturelle Ursachen wie die mangelnde Unterstützung des DFB thematisieren können. Er hätte ebenso homosexuellen Mitspielern seine Solidarität zusichern können; signalisieren können, dass er an ihrer Seite steht.
Das haben 800 andere Fußballer*innen jetzt nämlich getan: Sie haben ihre Bekanntheit genutzt und öffentlich Unterstützung versichert. In der aktuellen Ausgabe der „11 Freunde“ betonen Profis wie Max Kruse (1.FC Union), Niklas Stark (Hertha BSC) und Almuth Schult (VfL Wolfsburg), dass niemand zu seinem Coming-Out gedrängt werden solle, und schreiben dazu: „Das ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Aber wir wollen, dass sich jeder, der sich dafür entscheidet, unserer vollen Unterstützung und Solidarität sicher sein kann.“
Anstatt darauf zu warten, dass queere Personen öffentlich über ihre Homosexualität sprechen, erklären diese 800 Profis, dass sie bei ihrem Coming-Out nichts zu befürchten haben und dass sie sich auf Rückhalt verlassen können. Dafür stehen 800 Profis mit ihren Namen und Gesichtern. Und mittlerweile auch zahlreiche Twitter-User*innen, die unter dem Hashtag #ihrkönntaufunszählen Solidarität bekunden.
Und vielleicht gelingt es irgendwann auch den Fußballern, was gerade Schauspieler*innen im Act Out Manifest der Süddeutschen Zeitung geschafft haben: Dass sich viele Profis gemeinsam outen – als Signal, dass Vielfalt auch im Fußball tatsächlich möglich ist.