Uli Hoeneß und der FC Bayern München: Es wird kälter an der Säbener Straße
Beim FC Bayern München weht ein neuer Wind, seit Uli Hoeneß nicht mehr Regie führen darf. Nicht alle finden das gut.
In den ersten Monaten ließ er sich höchstens einmal am Fenster seines Büros blicken. Uli Hoeneß, der viele Jahre das Gesicht des FC Bayern München, ja, eigentlich das Gesicht der Bundesliga gewesen war, scheute zunächst die Öffentlichkeit. Mittlerweile spaziert er wieder wie früher über das Vereinsgelände, selbst während öffentlicher Trainingsstunden, die regelmäßig von ein paar hundert Fans besucht werden. Er bleibt dann bereitwillig stehen, beantwortet die eine oder andere Frage und lässt sich fotografieren. Uli Hoeneß ist auf dem Weg zurück in die Normalität.
Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte frühere Präsident des Rekordmeisters verbüßt seit Anfang des Jahres seine Freiheitsstrafe als Freigänger und kümmert sich beim FC Bayern um die Nachwuchsarbeit. „Er hat sich wieder in den Verein eingefunden“, erzählte kürzlich sein Bruder Dieter Hoeneß. Mit den Profis hat der ehemalige Patron offiziell nichts zu tun. Dass er allerdings tatsächlich außen vor bleiben würde, war nur schwer vorstellbar, als der einst allmächtige Hoeneß im Januar seinen neuen Job antrat.
Ein Chauffeur bringt ihn seitdem fünfmal in der Woche morgens vom Freigängerhaus der Justizvollzugsanstalt Rothenfeld am Ammersee nach München und am Nachmittag wieder zurück. Aber spätestens seit dem Transfer von Bastian Schweinsteiger, als der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bestätigte, dass Hoeneß nicht involviert gewesen war, ist klar: Der Verein will sich emanzipieren.
Mit Hoeneß wäre die Personalie Schweinsteiger anders abgelaufen
Es klingt erst einmal positiv, wenn man sich abnabelt. Aber gerade im Fall Schweinsteiger, so fanden viele im Umfeld, war es das nicht. Denn auch jene, die bei Bekanntwerden der Steuerentziehung im April 2013 den sofortigen Rückzug von Hoeneß gefordert hatten, taten nun kund, dass mit Hoeneß die Personalie Schweinsteiger anders abgelaufen wäre. Womöglich am Ende mit dem gleichen Ergebnis, aber mit mehr Wärme und Empathie.
Rummenigge tut sich schwer damit, Gefühle zu zeigen und sie zu formulieren. Bis zur Verurteilung von Hoeneß waren jenseits vom Tagesgeschäft die Rollen im Verein klar verteilt, sicher etwas zu Ungunsten des aktuellen Chefs. Hoeneß fühlte sich fürs Seelenheil zuständig, ging kritisch, aber herzlich mit den Spielern um und war erster Ansprechpartner. Dass Franck Ribéry 2010 nicht zu Real Madrid gewechselt war, sondern seine besten Jahre in München verlebte, hatte vor allem mit Hoeneß zu tun. Rummenigge hatte sich hingegen früh den wenig charmanten Spitznamen „Killer-Kalle“ im Umfeld erworben, weil er eher distanziert und kühl agiert. Manchmal auch impulsiv, wie im Fall des Teamarztes Müller-Wohlfahrt. Der hatte Anfang Mai gekündigt, nachdem ihm der Vereinsboss nach der Niederlage in der Champions League beim FC Barcelona in der Kabine indirekt die Schuld dafür gegeben hatte. In der Sommerpause musste dann auch noch der langjährige Physiotherapeut Fredi Binder gehen.
Nicht nur deshalb wünschen sich einige Hoeneß zurück. Der aktuelle Vorstandschef gilt nicht als starke Persönlichkeit, vielleicht, weil er Trainer Pep Guardiola viele Freiheiten einräumt. Außenstehende sehen die Tradition beim FC Bayern, das „Mia san mia“ in Gefahr. Der Berater von Mario Götze, Volker Struth, hatte bemängelt, dass dem Klub derzeit ein Mann wie Uli Hoeneß fehle. „Der hat sich immer vor seine Spieler gestellt.“ Und vor jedes Mitglied der großen Bayern-Familie.
Hoeneß mag die Entwicklung nicht gefallen, aber dagegen tun kann er nicht viel. Schließlich wird er frühestens im März kommenden Jahres aus der Haft entlassen.