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Vor dem Elfmeterschießen waren noch alle angespannt. Wenig später war die Freude groß.
© dpa

Deutschland - Italien: Es war kein schönes Spiel - egal!

Das 7:6 gegen wird Folgen haben, bei den deutschen Spielern und ihren Gegnern. Ein Niederringen Italiens hat auf dem Weg zum Titel noch gefehlt. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Michael Rosentritt

Was soll denn jetzt bei dieser EM noch kommen? Frankreich, oder vielleicht Island. Und dann etwa Wales in Paris?

Dieses große Drama von Bordeaux ist titelreif. 0:0 nach 45 Minuten, 1:1 nach 90 Minuten und auch nach 120 Minuten. Dann 18 Elfmeter, neun für jede Mannschaft, neun! Und Deutschland gewinnt trotzdem. Das wird sich ins deutsche Gedächtnis eingraben, wie es Manuel Neuer hinterher sagte.

Müller und Özil und Schweinsteiger verschießen! Große Güte, aber es gibt ja diesen Neuer im Tor, den Helden, deutscher Siegfried der Neuzeit. Groß, blond, fast unbezwingbar. Dreimal Welttorhüter bis jetzt, das vierte Mal ist ihm jetzt schon sicher.

Solche Spiele braucht ein Land, braucht auch Frankreich für sein Turnier, braucht jetzt auch Europa. Vielleicht nicht mit einem deutschen Erfolg, auch wenn es am Ende irgendwie eben doch verdient war.

Es war kein schönes Fußballspiel, aber es war fesselnd. Und taktisch gesehen sogar fürs Weitersagen. Und sind wir doch mal ehrlich: Zu einem deutschen Titelgewinn gehört irgendwie auch ein knackiges Elfmeterschießen, wie die Geschichte sagt.

Damit ist eine andere Geschichte endlich auch zu Grabe getragen worden, nämlich die, die davon erzählt, dass Deutschland bei einem Turnier Italien nicht bezwingen kann. Acht Duelle gab es bis Bordeaux, nie gewonnen. Vor allem die großen Niederlagen schmerzten, jenes 3:4 nach Verlängerung im WM-Halbfinale von 1970, das 1:3 im WM-Finale von 1982 sowie das 0:2 nach Verlängerung bei der Heim-WM 2006. Und obendrauf das jüngste 1:2 im EM-Halbfinale 2012 von Warschau. Damit ist jetzt mal Schluss.

Natürlich überstrahlt der glückliche Ausgang im Elfmeterschießen nach drei deutschen Fehlschüssen einige Phasen im Zwei-Stunden-Spiel, die nicht gerade gut waren, geschweige denn berauschend. Aber was heißt das jetzt schon, in Turnierspielen gegen Italien sind die Deutschen eben nicht ganz bei sich. Immer wenn es gegen den Nachbarn geht, bringen sie nicht ganz das auf den Rasen, wozu sie imstande sind. Vielleicht, weil man sich zu sehr nach dem Gegner richtet, Herr Bundestrainer.

Noch vor drei Wochen haben sie fast die identische Mannschaft von Antonio Conte noch mit 4:1 vom Feld gefiedelt, jetzt in Bordeaux war es eher ein zähes Ding. Aber vielleicht ist es genau das, was den Deutschen auf dem Weg zum Titel noch gefehlt hat. Ein Niederringen Italiens! Noch dazu in einem K.-o.-Spiel eines Turniers.

Sicher, der Sieg im Elfmeterschießen von Bordeaux nach intensiven 120 Minuten wird den Spielern von Joachim Löw in den Knochen stecken. Aber, und das ist das Feine daran, er wird eben auch in den Köpfen stecken. Eben Spuren hinterlassen, in Leib und Seele. Das stärkt, das lässt Spieler ausreifen, das lebt fort. Was soll jetzt noch kommen?

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