zum Hauptinhalt
Großer Sprung zur WM. Vor kurzem spielte Durm noch in Liga drei.
© dpa

WM 2014: Erik, wer? – Durms Weg in die Nationalmannschaft

Zu Saisonbeginn stand der Dortmunder Erik Durm noch nicht einmal im Profikader der Borussia, nun hat der 22 Jahre alte und ursprüngliche Angriffsspieler gute Chancen auf den WM-Stammplatz hinten links.

Marcel Schmelzer kommt in der Öffentlichkeit immer ein wenig wortkarg daher. Die Erledigung medialer Pflichten ist nicht unbedingt sein Ding. Dabei ist der Nationalspieler von Borussia Dortmund ein durchaus angenehmer Gesprächspartner – zumindest solange er sich nicht zum großen Ganzen äußern soll.

Das große Ganze ist die Geschichte des Linksverteidigers im deutschen Fußball. Bei diesem Thema wird Schmelzer recht schnell ziemlich einsilbig. Es ist ja auch paradox, dass sich ein deutscher Linksverteidiger immer wieder darüber auslassen muss, warum es eigentlich so wenige gute deutsche Linksverteidiger gibt. Schmelzer führt dafür vor allem genetische Gründe an. Es gebe nun mal generell weniger Linksfüßer, sagt er, „vor allem gibt es wenige Linksfüßer, die keine Tore machen wollen“.

Marcel Schmelzer ist ein Linksfuß, der zumindest nicht vorrangig das Ziel verfolgt, Tore zu machen. Dass er nun nicht mit zur Weltmeisterschaft nach Brasilien fährt, spricht trotzdem nicht gegen seine These. Anstelle von Schmelzer hat der Bundestrainer Erik Durm für den Posten des Linksverteidigers nominiert. Durm ist ein Rechtsfuß, der gerne Tore macht – weil er gelernter Stürmer ist.

Am vergangenen Sonntag hat der Dortmunder im Testspiel gegen Kamerun sein Debüt für die Nationalmannschaft gegeben, heute wird vermutlich sein zweites Länderspiel hinzukommen: in Mainz, wo Durm bis vor zwei Jahren noch für den FSV gespielt hat – in dessen zweiter Mannschaft. „Er hat seine Sache auf jeden Fall gut gemacht“, sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem 2:2 gegen Kamerun. Durm habe seine Aufgaben gut erfüllt und gut mitgespielt. Tags darauf nominierte Löw den 22-Jährigen für seinen endgültigen WM-Kader; Marcel Schmelzer hingegen wurde aus dem Aufgebot gestrichen.

Erik Durm hat einen steilen Aufstieg hinter sich: von der Dritten Liga zur Weltmeisterschaft, von Elversberg und Heidenheim nach Recife und Fortaleza innerhalb von zehn Monaten. Als der Stadionsprecher am Sonntag vor dem Spiel gegen Kamerun seinen Namen vorlas, fiel das Echo des Publikums recht dünn aus. Erik, wer? Der junge Mann ist hierzulande noch weitgehend unbekannt.

Zu Beginn der Saison wurde Durm selbst im Jahrbuch von Borussia Dortmund nicht einmal im Profikader gelistet, er tauchte allein bei der U 23 auf. Dass er es trotzdem in seiner Premierensaison auf 19 Bundesligaspiele gebracht hat, hat er vor allem der Verletzung von Marcel Schmelzer zu verdanken. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp funktionierte den Angreifer zum Außenverteidiger um. „Mir macht die Position in der Defensive mittlerweile sehr viel Spaß“, sagt Durm. „Und die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt auch, dass die Entscheidung nicht ganz falsch gewesen sein kann.“

In der Nationalmannschaft ist Durm jetzt an Marcel Schmelzer vorbeigezogen, im Verein musste er nach dessen Genesung wieder zurück auf die Bank. Dabei sind dem Herausforderer in Schmelzers Abwesenheit einige spektakuläre Spiele gelungen: Beim 3:0 Sieg des BVB in München glänzte er gegen Arjen Robben. Und im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League hatte Durm den 100-Millionen-Euro-Mann Gareth Bale von Real Madrid erstaunlich gut unter Kontrolle. „Er hat einen Top-Job gemacht“, sagt Sami Khedira, „auch international und vor allem gegen Real Madrid.“

Vermutlich haben auch diese Begegnungen Joachim Löw dazu inspiriert, den jungen Mann einmal aus der Nähe zu inspizieren. Durm scheint auf hohem internationalen Niveau bestehen zu können. Bei der WM hat er gute Chancen, nicht nur dabei zu sein, sondern sogar einen Stammplatz zu erobern. Den Fall, dass Philipp Lahm wieder auf die linke Seite zurückkehrt, hat Löw jedenfalls definitiv ausgeschlossen, und auch Jerome Boateng sieht der Bundestrainer eher nicht als Linksverteidiger. Bliebe für diese Position neben Durm nur der Schalker Benedikt Höwedes. Dass Erik Durm Rechtsfuß ist, spricht in diesem Fall nicht gegen ihn. Benedikt Höwedes ist es auch.

Zur Startseite