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Endlich wieder locker. Angelique Kerber hat zuletzt in Sydney ihr erstes Turnier seit den US Open 2016 gewonnen.
© Lukas Coch/dpa

Angelique Kerber vor den Australian Open: Entschlossen statt verbissen

Angelique Kerber hat das Tennisjahr 2017 abgehakt und zählt bei den Australian Open in Melbourne nun sogar wieder zu den Mitfavoriten.

Und plötzlich kann sie wieder strahlen. Es ist nicht dieses gequälte Lächeln, das Angelique Kerber in der für sie furchtbaren Saison 2017 immer wieder aufsetzen musste. Es ist ein echtes, fröhliches Lachen – das eines rundum zufriedenen Menschen. Neun Einzelmatches in Folge hat die frühere Nummer eins im Frauentennis zu Beginn des neuen Jahres gewonnen, vier beim Hopman-Cup und nun fünf auf dem Weg zum Turniersieg in Sydney. Es war ihr erster Titel seit dem Triumph bei den US Open 2016, der sie zur Weltranglistenersten machte.

„Ich bin erleichtert, dass das Jahr so angefangen hat. Ich habe mit 2017 abgeschlossen“, sagte sie nach ihrer Ankunft in Melbourne, wo am Montag die Australian Open beginnen. Das Turnier, bei dem Kerbers Stern vor zwei Jahren aufging, als sie ihr erstes Grand-Slam-Endspiel bestritt und das auch gleich gegen Serena Williams gewinnen konnte. 2016 wurde anschließend zu einem einzigen Triumphzug, genauso wie das Folgejahr eine einzige Katastrophe war. Kein Turniersieg, Absturz bis auf Platz 22 der Weltrangliste und am Ende die Trennung von ihrem langjährigen Trainer Torben Beltz. „Ich wusste, ich muss was ändern“, sagt sie. Der Belgier Wim Fissette ist nun für das Training verantwortlich und der Start unter dem früheren Coach von Sabine Lisicki hätte nicht besser sein können. „Ich spiele wieder tolles Tennis und fühle mich großartig“, sagte Kerber bei der Siegerehrung in Sydney und strahlte danach auch gleich in Melbourne auf der Pressekonferenz am Sonntag weiter.

Bei den Australian Open ist sie nun sogar wieder eine der Mitfavoritinnen auf den Titelgewinn. Das Frauenfeld ist wie immer unberechenbar, zumal Serena Williams nach der Geburt ihres Kindes in Melbourne noch nicht wieder dabei sein wird. Die deutsche Frauentennis-Chefin Barbara Rittner hält sogar ein rein deutsches Finale zwischen Kerber und der ebenfalls mit einem Turniersieg in die Saison gestarteten Julia Görges für realistisch. „Von der Auslosung her ist das möglich und ich halte es sportlich für nicht unwahrscheinlich“, sagte sie der „Bild“- Zeitung.

Ihr erstes Spiel bestreitet Kerber am Dienstag gegen Landsfrau gegen Anna-Lena Friedsam

Soweit denkt Angelique Kerber im Moment natürlich nicht. Den Druck wolle sie sich nicht machen, sagt sie. Denn mit Druck kam sie zumindest in der jüngeren Vergangenheit nicht so gut zurecht. Unter den Zweifeln litt dann ihr Spiel, Kerber traute sich auf dem Platz nichts mehr zu und geriet in eine Abwärtsspirale.

In den bisherigen Matches 2018 erinnerte das Spiel der Deutschen, die am Donnerstag 30 Jahre alt wird, an das Tennis, mit dem sie es ganz nach oben geschafft hat. Der Aufschlag ist wieder stabiler geworden, er kommt präziser und auch schon mal härter. Kerber spielt entschlossen und aggressiv, statt verbissen und zögerlich. Körperlich ist sie topfit, gepaart mit dem wieder gewonnenen Selbstvertrauen macht sie das zu einer äußerst unangenehmen Gegnerin.

Trotzdem wollen in Melbourne erst einmal sieben Matches gewonnen werden. Ihren ersten Auftritt hat Kerber am Dienstag gegen Landsfrau Anna-Lena Friedsam. Sollte sie dieses Duell für sich entscheiden, stünde ihr in Runde zwei möglicherweise ein ganz brisantes Aufeinandertreffen mit Donna Vekic bevor. Die Kroatin wird seit neuestem von Torben Beltz betreut. Danach könnte es zu einem Showdown mit Maria Scharapowa kommen, der Weg durch das Turnier ist für Kerber also alles andere denn leicht.

In ihrer besten Zeit war es allerdings ihre große Stärke, solche Dinge auszublenden und sich nur auf sich und ihr nächsten Spiel zu konzentrieren. Keine auf der Frauentour konnte so besessen an sich arbeiten wie sie. Barbara Rittner hat dieser Zeitung einmal gesagt. „Der Fokus liegt bei ihr immer auf dem Tennis.“ Vielleicht galt das nach dem tollen Jahr 2016 nicht mehr uneingeschränkt. Medienanfragen, Sponsorenwünsche und dazu die Rolle der besten Spielerin der Welt – damit muss ein ruhiger und an sich introvertierter Mensch erst einmal klar kommen. Kerber tat sich damit schwer, man konnte es in ihrem Gesicht lesen. Die zur Schau gestellte Lockerheit, sie wirkte bisweilen gekünstelt. Dieser Stress hat sich auf ihr Spiel übertragen und plötzlich lief es in einem Sport, in dem die Psyche eine so große Rolle spielt, nicht mehr von selbst.

All das ist vergessen, zumindest versucht Kerber die negativen Erinnerungen auszublenden. In dieser Hinsicht ist der Saisonstart schon einmal vielversprechend. Was dann noch kommt, ist eine der spannendsten Fragen der Saison 2018. Oder um es mit den Worten Angelique Kerbers auszudrücken: „Ich freue mich auf den Rest des Jahres.“

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