Elektroautos: Elektromobilität in Berlin funktioniert bisher schlecht
Ein E-Auto ist gut und schön, aber in der Stadt? Die Suche nach Ladesäulen ist zum Verzweifeln. Wer auf dem Land wohnt, nutzt die eigene Steckdose
Die Regierung sitzt immer noch auf gut einer Milliarde Euro Förderprämie für Elektroautos. Nur gut 7000 Privatleute haben die pro Kopf zur Verfügung stehenden 4000 Euro bisher abgerufen. Zwar hat die Industrie ein paar Modelle auf den Markt gebracht, doch geht ihnen immer noch viel zu früh der Strom aus. Ladesäulen am Straßenrand veröden und werden immer wieder von Benzin- und Diesel-Autos zugeparkt.
Georg H. zum Beispiel wohnt dort, wo Berlin besonders attraktiv ist. Im vierten Stock eines schönen Altbaus in der Bayernallee in Westend. Der 36-Jährige verdient sehr gut, achtet beim Einkaufen im Bio-Supermarkt auf Nachhaltigkeit und hat einen Vertrag für grünen Strom. Die perfekte Zielgruppe also für ein Auto mit Elektroantrieb. Auch deshalb, weil sein Büro im 26 Kilometer entfernten Adlershof liegt und er sich nicht auf Busse und Bahnen verlassen möchte.
Er habe sich für einen BMW i3 interessiert, sagt der Betriebswirt, doch fahre er noch immer einen benzingetriebenen Vierer-BMW, da die Gegebenheiten vor Ort ausgesprochen unfreundlich für ein Elektroauto seien. „Ich kurve heute schon jeden Abend eine gefühlte Ewigkeit, bis ich einen Parkplatz gefunden habe“, sagt Georg H., „wo soll ich ein Elektroauto denn bitte aufladen?“ Die nächste Ladesäule am Theodor-Heuss-Platz ist eigentlich nur ein paar Minuten Fußweg entfernt. „Doch was nützt mir das?“, fragt Georg. „Wenn ich mein Auto abends dort abstelle, soll ich mir dann um drei Uhr früh den Wecker stellen und es wieder abholen, weil ich den Platz schließlich nach dem Laden wieder freigeben muss?“
Wer in den begehrten Altbau-Wohnlagen einer Großstadt lebt, wird sich selten für die neue Autowelt erwärmen können. Ausgerechnet hier, wo die Menschen mehr verdienen als anderswo und eigentlich das nötige Geld hätten, ist ein E-Auto wenig sinnvoll. Die Parkplatznot erschwert das Aufstellen einer ausreichenden Zahl von Ladestationen am Straßenrand, und die Altbauten verfügen über keine Tiefgaragen.
Hightech-Stromspender sind für Privatmenschen unbezahlbar
Ganz anders sieht es bei all jenen aus, die von teuren Mieten aus der Stadt vertrieben wurden, die eine Garage oder einen Carport haben und daheim nachts laden können, bevor es wieder zur Arbeit in die Metropole geht.
Dennis F. ist gerade mit Frau und Sohn in eine Doppelhaushälfte nach Falkensee gezogen und hat sich den neuen VW e-Golf zugelegt. „Ich fahre täglich elf Kilometer nach Berlin und abends wieder zurück“, sagt der Universitätsangestellte.
Den e-Golf einmal pro Woche aufzuladen, reiche völlig aus. „Nur bei Frost schließe ich das Auto jeden Abend an“, sagt er. Dazu allerdings musste Dennis F. nochmal sein Bankkonto belasten und eine sogenannte Wallbox bestellen. Gut 1000 Euro kostet sie und soll mit stärkerem Strom für schnellere Ladezeiten sorgen, als es die normale Haushaltssteckdose möglich macht. An der müsste so ein 136 PS starker Golf für gut 17 Stunden andocken, um die leere Batterie wiederzubeleben. An der Wallbox dauert das Ganze nur rund fünfeinhalb Stunden.
Unterwegs an einer der neuen, aber seltenen Gleichstromsäulen wäre ein leerer Akku in 45 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt. Doch die Hightech-Stromspender sind für Privatmenschen noch unbezahlbar und stehen meist an Autobahnen.
Zu wenige Ladesäulen sind kein Argument
Funktioniert die schöne neue Autowelt auch am Wochenende? Dennis F. plaudert aus der Praxis. „Letzte Woche war ich am Freitag zu faul, den Golf anzustöpseln, ich hatte ja noch gut 60 Kilometer Reichweite“. Am Sonnabend wollte er dann zum fünf Kilometer entfernten Baumarkt nach Spandau, der für Kunden eine Ladesäule bereithält. Laut App war diese auch frei und funktionsfähig. „Als ich dort ankam, stand ein Ford Kombi ausgerechnet da, wo eigentlich Strom getankt werden kann. Obwohl er laut Typenschild am Heck einen Dieselmotor hat.“
Der Fahrer oder die Fahrerin hatte wohl das Schild „Reserviert für Elektrofahrzeuge“ übersehen. Nach 20 Minuten Warten gab Dennis F. auf und suchte in der App nach einer anderen Säule. Ein Parkhaus mit Ladestation in der Spandauer Altstadt ist wegen Überfüllung zwischenzeitlich geschlossen. Also weiter suchen. Schließlich landet er im Outletcenter in Wustermark an der B 5. Vier Ladesäulen, zwei davon für Tesla-Besitzer reserviert. An einer der Steckdosen einstöpseln und loslegen.
Der Strom ist zwar gratis, dennoch wurde es für Dennis teuer. Er kaufte ein paar „Schnäppchen“ im Outlet. Sein Fazit: „Wer ein bisschen sucht und nicht mit dem letzten Rest an Saft im Akku losfährt, findet eine Stromquelle auch am Rande von Berlin“.
Ausflug mit einem E-Auto will sorgfältig geplant sein
Zu wenige Ladesäulen sind alleine also kein Argument mehr, sich der Elektromobilität im Alltag zu entziehen. Wenn es da nicht die Oma in Bremen oder die Hochzeit des besten Freundes im Spreewald gäbe. Was nutzt in dem Fall der Hinweis, dass der durchschnittliche Deutsche im Schnitt nicht mehr als 50 Kilometer pro Tag unterwegs ist? Der e-Golf hat eine Reichweite von 300 Kilometern nach Prüfstandnorm, in der realen Welt sind es allerdings nur 200 Kilometer.
Die Tour zur Hochzeitsparty im Spreewald will also sorgfältig geplant sein. Wieder ein Blick in die App, zwei Zapfstellen gibt es in Lübbenau: eine am Spreeweltenbad (pauschal fünf Euro pro Ladevorgang) und eine private Säule in der Kittlitzer Dorfstraße. Hier wird nicht kassiert, sondern um eine Spende gebeten, die in einem Briefkasten platziert werden soll. Dennis ließ sein Auto über Nacht zum Laden vor dem Freizeitbad und freute sich, dass ein anderer Partygast mit seinem SUV für den Shuttle zum sieben Kilometer entfernten Hochzeits-Festzelt sorgte.
Kunden warten auf Modelle unter der 30 000-Euro-Grenze
Dennis F. und Georg H. sind sich nie begegnet, ticken aber ähnlich, wollen teilhaben an der Klimarettung. Während der Speckgürtel-Bewohner die Zukunftstechnologie für den täglichen Bedarf rund um sein Haus in Falkensee nutzt, wird der Großstädter vielleicht nie rein elektrisch unterwegs sein. Industrie und Politik haben das Thema „alternative Energien“ wohl einfach falsch angepriesen. Elektromobilität in den Metropolen, wo die Menschen übereinander und nicht nebeneinander leben, funktioniert bisher schlecht.
Draußen vor der Stadt sitzen die Kunden und warten darauf, dass die Firmen endlich mit vernünftigen Modellen unter der 30 000-Euro-Grenze bleiben. Vielleicht wird sich 2019 etwas ändern. Dann soll eine ganze Lawine von neuen E-Autos zu den Händlern rollen, die die Reichweiten-Angst vergessen machen könnten.
Peter Maahn