Formel-E-Rennen in Berlin Tempelhof: Elektro-Power auf dem Flugfeld
Auf dem Flugfeld Tempelhof findet heute der erste ePrix auf deutschem Boden statt. Die alternative Rennserie Formel E gibt ein Gastspiel am Flughafen Tempelhof. Sie macht vieles anders als die große Formel 1 - und bietet doch spannenden Sport.
Die Zeiten ändern sich. Diese Erkenntnis gewinnt derzeit die Formel 1, die Königsklasse im Motorsport. In den letzten Jahren hat sich eine gewisse Müdigkeit beim Publikum der bekanntesten Rennserie der Welt breitgemacht. Nicht nur in Deutschland, das gab es schon mal in den achtziger Jahren. Nein, weltweit. Müßig, an dieser Stelle über die Gründe zu sprechen, die sich zahlreich und diskutabel zeigen. Sportliche Dominanz, abseitige Rennstrecken oder zu große Distanz zu den Fans – was am Ende auch entscheidend sein mag, die Zeichen sind eindeutig: Es ist Zeit für etwas Neues, etwas Unverbrauchtes.
»Wir müssen eine ganz andere Show bieten. Wir müssen uns als eine andere Art des Motorsports präsentieren«, sagt Alejandro Agag, der Initiator der Formel E, und bringt damit auf den Punkt, was die FIA (Fédération Internationale de l ‘ Automobile) mit der neuen Rennserie im Schilde führt. Es soll nicht nur eine Formel 1 auf Ökobasis sein. Der Weltautomobilverband folgt mit der ersten, weltweiten Motorsportklasse für elektrische Automobile nicht nur einem Trend der Automobilindustrie. Dafür unterscheidet sich die Formel E in zu vielen Details von der Formel 1.
Beispiel gefällig? Erstens: Rein in die Stadt. Die Formel E fährt ausschließlich auf Stadtkursen, im Herzen der City. Das ist möglich, weil hier keine Sechszylinder mit ohrenbetäubendem Lärm über den Asphalt donnern. Hier fahren mit feinem Surren pfeilschnelle Elektroflitzer ohne Abgase im Herzen der Millionenmetropolen rund um den Globus. Peking, Miami, Buenos Aires und eben Berlin. Namen, die in der Welt nicht unbedingt stellvertretend für Motorsport stehen. Gerade das macht den Reiz aus.
Chancengleichheit in der Formel E
Zweitens: Chancengleichheit für die Teams. Während in der Formel 1 seit Jahren ein Rennstall eine fast schon langweilige Dominanz ausübt, erst Red Bull und seit zwei Jahren Mercedes, steht in der Formel E der Sieger keinesfalls vor dem Rennwochenende fest. Die Teams starten mit baugleichen Autos, haben alle die gleichen finanziellen Ressourcen zur Verfügung und den gleichen Antrieb. Sieben Rennen gab es bisher und dabei sechs verschiedene Sieger.
Weiteres spannungserhöhendes Element: Die enge Stadtkurse sind eine Herausforderung für alle Fahrer. Das zeigte erst jüngst der ePrix in Monaco. In der zweiten Kurve stapelten sich die Autos, weil Daniel Abt in die Leitplanken geschoben wurde. Für die Fahrer dahinter war es eine große Herausforderung, halbwegs unbeschadet an dem Fahrzeugknäuel vorbeizukommen. Das ist zwar kein Wunschszenario, zeigt aber, wie unberechenbar und damit spannend die Serie ist.
Offenes Fahrerlager der Formel E in Berlin
Drittens: Nähe zu den Fans. Die Formel 1 hat eine unvergleichliche Technik und bildet sicher die Spitze des Machbaren im Motorsport ab. Nur sehen die Zuschauer davon rein gar nichts. Die Geheimniskrämerei der Teams um ihre Entwicklungen ist hausgemacht, nicht erst seit den Diskussionen um den so effektiven Heckdiffusor von Red Bull vor vier Jahren. Die Formel E hingegen ist Motorsport zum Anfassen. Zwar ist auch hier die Boxengasse für das Publikum gesperrt. Aber die Teams und Fahrer gehen im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen raus zum Publikum, zeigen sich und ihre Autos. Zudem sind die Fans durch die Strecken in der Stadt direkt an der Rennpiste und erleben die Action auf dem Asphalt hautnah.
Und viertens schließlich noch der Fan-Boost. Mag sein, dass das Voting der Zuschauer von vielen belächelt wird. Und einige werden solche Elemente auch als unsportlich empfinden. Aber die Zuschauer werden immerhin aktiv einbezogen und können ihre Piloten direkt unterstützen. Und es ist modern, denn die Stimmabgabe erfolgt über Internet oder Smartphone-App. Auch hier ist die neue Rennserie einen Schritt voraus, denn im Gegensatz zur Formal-1-App, die mindestens 30 Euro pro Saison kostet, gibt es die Formel-E-App kostenlos.
Unbekannte Teams, prominente Besitzer
Vier von vielen guten Gründen, warum die Formel E nicht nur eine Existenzberechtigung hat. Ihr könnte vielmehr sogar die Zukunft im Motorsport gehören. Denn einen entscheidenden Vorteil hat sie allemal: die gesellschaftliche Akzeptanz. Formel-E-Chef Alejandro Agag hat mit geschickten Schachzügen der neue Formelserie zu reichlich Publicity verholfen. Da wären zunächst die Formel-E-Teams zu nennen. Venturi, e.dams oder Mahindra – mag sein, dass diese Namen noch unbekannt sind. Hinter den meisten Teams stehen aber große Namen. Beispiel e.dams: Kein Geringerer als der vierfache Formel-1-Weltmeister Alain Prost ist der Besitzer des derzeit in der Teamwertung führenden Rennstalls. Sein Sohn Nicolas Prost sitzt in einem der beiden Cockpits. Oder Virgin: Die schillernde Figur Richard Bransons steht hinter dem Team, das den Namen seiner Fluggesellschaft trägt. Bransons selbst ist als Reservefahrer aufgeführt, wobei er wohl kaum ans Steuer greifen wird. Und schließlich Venturi. Auch dieses Team hat mit Leonardo DiCaprio einen ausgesprochen prominenten Mitbesitzer. Ganz Berlin fragt sich, ob Leo beim ePrix auf dem Tempelhofer Flugfeld dabei sein wird.
Die Liste könnte weitergeführt werden mit Nelson Piquet Jr. bei China Racing, F1-Weltmeister Mario Andretti als Rennstallbesitzer oder Abt Racing auf deutscher Seite. Klangvolle Namen, welche die Akzeptanz der Formel E aufseiten des Motorsports eindrucksvoll belegen. Das gilt auch für Sponsoren. Der offizielle Partner für die Zeitnahme ist der bekannte Uhrenhersteller Tag Heuer aus der Schweiz. Die deutsche DHL ist Logistikpartner und einer der Hauptsponsoren der Rennserie. McLaren Electronic Systems liefert Getriebe, Elektronik und Elektromotoren für die Fahrzeuge. Die einheitlichen Allwetterreifen kommen von Michelin und die Chassis vom traditionsreichen Rennstall Dallara.
Formel E ist synthetisch
Viel F1-Expertise ist bei der Formel E am Start. Durchaus wichtig, denn mit der Formel 1 wird sich die neue Rennserie letzten Endes immer messen lassen müssen. Und da ist es wiederum fast unmöglich mit der traditionsreichen und legendenhaften Formel 1 mithalten zu können. Echte Formel-1-Fans mit Benzin im Blut, und Traditionalisten wird die Formel E wohl am Ende nicht überzeugen können. Dazu ist das Umfeld zu synthetisch Aber einen Versuch frischen Wind in den etwas festgefahrenen Formel-Zirkus reinzubringen, kann dem Motorsport nicht schaden. Und Berlin ohnehin nicht. Die Hauptstadt könnte gar einen neuen Zugang zum Thema Motorsport finden.
"Wir sind stolz, bei der Premiere dieser neuen Rennserie dabei sein zu dürfen", sagte Hans-Jürgen Abt bei der Bekanntgabe der Teilnahme des Audi Sport ABT Formula-E Teams. Die Freude stand dem Rennstall-Chef beim Handschlag mit dem Geschäftsführer des Formel-E-Vermarkters »Formula E Holding«, Alejandro Agag, förmlich ins Gesicht geschrieben. FÜR das Team Abt, dass schon seit vielen Jahren in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft aktiv ist, begann 2014 eine neue Ära. Umso erfreulicher, dass mit Audi auch ein langjähriger und verlässlicher Partner das Engagement der Allgäuer unterstützt. Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich drückt die Daumen und verspricht: »Wir werden Abt mit der Freistellung von Werksfahrern aus unserem Kader bei Bedarf unterstützen.« Gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Premierensaison des einzigen deutschen Teams in der Formel E. Und Abt hat schon viel daraus gemacht. Lucas di Grassi gewann direkt das Auftaktrennen der Formel E in Peking. Nach Berlin fährt der Brasilianer als Führender in der WM-Wertung, nachdem er beim letzten Rennen in Monaco mit einem zweiten Platz seine Führung sogar ausbauen konnte. Auch in der Teamwertung liegt Abt auf Platz zwei (115 Punkte) hinter dem Renault-Team e.dams (160) und mit beachtlichem Abstand vor Virgin (94) auf Platz drei.
Daniel Abt, neben Nick Heidfeld der zweite deutsche Fahrer in der Formel E, stand mit mehreren beeindruckenden Vorstellungen im Qualifying ebenfalls bereits im Rampenlicht. Bei ePrix in Long Beach, Kalifornien, eroberte der Sohn von Hans-Jürgen Abt als erster Deutscher in der Rennserie eine Pole Position. Nur im Rennen blieb ihm das Pech bisher treu. Nach seinem dritten Platz im Auftaktrennen in Peking, den er wegen einer Zeitstrafe wieder verlor, führte der Kemptener beim ePrix in Miami lange, bevor er Energie sparen musste und auf den dritten Rang zurückfiel. Nach seinem üblen Crash in Monaco schaut Daniel jetzt nach vorne. »Ich freue mich auf mein Heimrennen in Berlin«, twitterte er. Im Simulator hat er die Strecke schon geübt. Seine Meinung: »Sehr cool zu fahren. Wird ein spezielles Wochenende.«