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Letzter großer Auftritt. Susann Götz hat schon 235 Länderspiele hinter sich und nach Sotschi soll bald Schluss sein.
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Serie Olympisches Berlin (3): Eishockey auf ganz großer Bühne

Sie vertreten das Berliner Eishockey in Sotschi und haben sich professionell darauf vorbereitet: Die beiden OSC-Spielerinnen Susann Götz und Nina Kamenik.

Susann Götz sitzt in einer der Umkleidecontainerkabinen, gleich neben dem Wellblechpalast im Sportforum Berlin. Das Trikot hat sie abgestreift, unter dem Schulter- und Brustschutz schauen ihre gut durchtrainierten Oberarme hervor. Götz beugt sich nach vom, sagt mit entschlossener Stimme: „Da ist vieles machbar, vieles möglich, wir müssen nur unser bestes Hockey zeigen.“

Es sagt sich so einfach. Wenn die deutschen Eishockeynationalspielerinnen am 9. Februar das Eis in der Shayba-Arena von Sotschi betreten, dann sind sie Außenseiterinnen gegen Gastgeber Russland. 7000 Zuschauer werden Nationalmannschafts-Kapitänin Götz und ihre Mitspielerinnen gegen sich haben, dazu wird das Spiel live im Fernsehen übertragen. Das sind große Hausmarken in einer Sportart, die in Deutschland am Rande der Öffentlichkeit stattfindet. Wenn Verteidigerin Götz und die andere Berlinerin im Team, Stürmerin Nina Kamenik, ihre Punktspiele mit dem OSC in der Bundesliga haben, ist auf den Tribünen viel ungenutzter Platz. Dabei sind Götz und Kamenik Profis. „Unser Job ist Sport“, sagt Götz. Vormittags  Kraftraum, dann Mittagsruhe, dann aufs Eis. So geht das von  Montag bis Freitag. Beide sind von der Bundeswehr genauso freigestellt wie viele andere Olympioniken im deutschen Team.

Ein Kernproblem im deutschen Fraueneishockey ist allerdings, dass nur wenige so sehr Eishockey leben können, wie die Nationalspielerinnen Götz und Kamenik. In ihrem Klub, dem OSC, schon gar nicht. Innerhalb des Teams können viele diesen Umfang wie wir natürlich nicht schaffen“, sagt Götz, „daher kommen die vielleicht auch nicht auf unser Niveau.“

Das Fraueneishockey befindet sich in Deutschland in einer sportlichen Nische, kein Wunder, dass es für die Deutschen bei den Olympischen Spielen nicht um Medaillen gehen kann. Die USA und Kanada werden Gold unter sich ausmachen, in diesen Nationen ist Eishockey Volkssport. Dahinter streiten sich wahrscheinlich Schweden, vielleicht Finnland und die Schweiz, aber sicher Russland um Bronze. Danach kommen dann die Deutschen. „Es hat sich schon viel verändert bei uns, ist professioneller geworden“, sagt Götz. „Die Bundeswehr unterstützt uns, die Mädels fangen an bei den Jungs im Nachwuchs zu spielen, das war früher verpönt.“ Inzwischen ist es Standard: Die Deutschen treten in Sotschi mit zwei Torhüterinnen an, die professionell bei den Männern spielen. Viona Harrer vom Drittligisten Tölzer Löwen und Yvonne Schröder, die mit Tornado Niesky ebenfalls drittklassig spielt. Dazu kommt noch Jennifer Harß, die für Sonthofen in der Bayernliga bei den Männern spielt. Bundestrainer Klaus Kathan spricht sogar von „Weltklassetorhüterinnen“ in seinem Team. Und Susann Götz sagt: „Die Chance sind unsere Torhüterinnen.“

Platz fünf ist das Ziel der deutschen Mannschaft bei den Winterspielen, Susann Götz hat das schon mal geschafft. 2006 in Turin. Dazu müssten die Deutschen mindestens Zweiter in ihrer Gruppe werden, um dann gegen den Dritten oder Vierten aus der anderen Gruppe zu spielen - wahrscheinlich Finnland oder die Schweiz. Die Gruppeneinteilung ist ein wenig abenteuerlich: Die deutsche Gruppe mit Russland, Schweden und Japan ist wohl die leichtere. In der Gruppe B werden die USA und Kanada Erster und Zweiter werden und somit gleich im Halbfinale stehen, in dem sie dann nicht gegeneinander spielen können. Die beiden anderen Teams aus dieser Gruppe bekommen dann die Chance, im Viertelfinale gegen die ersten beiden der Gruppe A zu spielen. Schwer zu verstehen. Götz hatte Zeit, alles zu begreifen und sie sagt: „Unser Ziel ist das Viertelfinale.“

Vorfreude auf den großen Auftritt. Die 28-jährige Nina Kamenik spielte schon 160 mal für Deutschland.
Vorfreude auf den großen Auftritt. Die 28-jährige Nina Kamenik spielte schon 160 mal für Deutschland.
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„Für die beiden Berlinerinnen ist es schon ein „Riesenerfolg, überhaupt dabei zu sein“, wie Nina Kamenik sagt. Für eine dritte Spielerin ist der Traum von Sotschi dagegen ein Traum geblieben. Lisa Schuster wurde nicht für den Sotschi-Kader nominiert. Sie könnte zwar bis Freitag, bis zur Eröffnungsfeier noch nachrücken, aber daran glaubt sie nicht. Über 100 Länderspiele hat sie hinter sich. „Seit 2007 bin ich dabei“, sagt Schuster. „Das ist eine bittere Nummer, das war mein größtes Ziel.“ Sie habe sich sogar von der Uni befreien lassen und die ganze Saison mit den beiden anderen Berlinerinnen trainiert. Sie schaut auf den Linoleumboden der Umkleidecontainerkabine. „Nun sitze ich hier und warte“ - dass sich eine andere Spielerin verletzt, denn nur dann wäre Schuster dabei. „Das wünsche ich keiner, deshalb rechne ich nicht damit“, sagt sie. ,,Am Freitag bin ich eh raus und dann werde ich in den Urlaub fahren.“ (Anmerkung der Redaktion: Lisa Schuster wurde am 5. Februar tatsächlich noch nachnominiert und reist für die verletzte Daria Geißler nach Sotschi).

Ihre beiden Kolleginnen haben dagegen zwei Tage später, am Sonntag beim Spiel gegen Russland, ihre erste Herausforderung vor sich. Susann Götz freut sich darauf. „Russland ist eine absolute Hausmarke“, sagt sie. „Die Russen haben viel Geld investiert, das Team ist seit langem zusammengezogen. Platz drei bei der WM war ein absolutes Statement.“ Aber sie seien immerhin WM-Fünfter und würden sich schon gut verkaufen.

Die Fernsehübertragungen – alle deutschen Spiele laufen auf Sport1 – sehen die Berlinerinnen als große Chance, ihren Sport einer breiteren Öffentlichkeit etwas näher zu bringen. „Wir Frauen spielen ja auch schönes Eishockey. Es ist schnell, taktisch versiert, das sieht alles besser aus als noch vor ein paar Jahren.“ Nina Kamenik findet sogar: „Unser Spiel ist sehr zuschauertauglich, der Puck läuft nicht so schnell wie bei den Männern. Das kann man besser sehen im Fernsehen.“

Die Eishockeynationalmannschaft der Männer und ihre verpasste Olympiateilnahme – ein anderes Thema. Sicher. Nun könnten Susann Götz und Nina Kamenik sagen, das sei gar nicht so schlecht, weil die deutschen

Frauen so mehr im Fokus stehen würden. Machen sie aber nicht. „Dass die Männer nicht dabei sind, ist schlecht für das deutsche Eishockey“, sagt Götz. Schließlich werde Eishockey bei Olympia in Sotschi das größte Ding, bei der Begeisterung und Leidenschaft der Russen für diese Sportart.

Das Eishockey-Frauenturnier wird vielleicht nicht das größte, aber schon ein größeres Ding als bei den vergangenen Spielen. Für Susann Götz ist das olympische Turnier jedenfalls der Höhepunkt der Karriere und für den hat sie ein ganz einfaches Ziel. „Ich möchte nach Sotschi sagen können: Susi du hast alles gezeigt, was du kannst. Und dann zufrieden nach Hause fahren.“ Und die Karriere beenden: Susann Götz wird in diesem Jahr 32 Jahre und nach der Saison ist für sie Schluss mit dem Eishockey.

- Unsere Serie „Olympisches Berlin“ läuft bis zum Start der Olympischen Winterspiele in Sotschi am 7. Februar täglich an dieser Stelle. Alle Teile der Serie unter tagesspiegel.de/olympia.

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