Spekulationen um Thomas Müller: Eine Identifikationsfigur am Scheideweg
Seit seinem zehnten Lebensjahr spielt Thomas Müller beim FC Bayern. Seine Zeit in München könnte sich Spekulationen zufolge aber bald dem Ende zuneigen.
Der FC Bayern ohne Thomas Müller ist unvorstellbar. Eigentlich. Denn nach wiederholten Frusterlebnissen als Bankdrücker wird über die Zukunft des 30-Jährigen spekuliert. Laut „Sport Bild“ erwägt der dienstälteste Münchner Profi, den deutschen Fußball-Meister schon in diesem Winter verlassen. Begründet wird die These mit mangelnder Einsatzzeit unter Trainer Niko Kovac. Dazu soll der Weltmeister von 2014 Wertschätzung vermissen.
Müller schiebt gerade natürlich Frust, wenngleich er öffentlich nicht klagt. Beim 1:2 gegen Hoffenheim musste der Offensivmann zum fünften Mal nacheinander zu Spielbeginn draußenbleiben – das gab's zuletzt vor mehr als einem Jahrzehnt. Zu allem Übel musste Müller noch vernehmen, dass Kovac ihn vor dem Anpfiff völlig unnötig zum Notnagel degradierte. „Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen“, hatte Kovac gesagt. Diesen Satz bekam der Coach nicht mehr eingefangen. „Nothing to say, wie der Engländer sagt“, lautete Müllers kurzer Kommentar am Wochenende.
Für den FC Bayern ist Müller, der seit seinem zehnten Lebensjahr im Club kickt, eine bedeutende Identifikationsfigur. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete ihn wiederholt als „Parade-Bayer“ und erklärte ihn immer wieder als unverkäuflich. „Es gibt Spieler, die haben kein Preis-Ticket. Dazu gehört Thomas. Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir ihn verkaufen würden“, sagte Rummenigge schon. Bis 2021 ist Müller, der zu den Spitzenverdienern zählt, an die Münchner gebunden.
Wiederholt fühlten Spitzenclubs in der Vergangenheit bei Müller vor. Auch für ihn selbst kam ein Wechsel aber bislang nie in Frage. Förderer Louis van Gaal, der einst den legendären „Müller spielt immer“-Satz aussprach, versuchte etwa, ihn 2015 zu Manchester United zu locken. Die Engländer sollen damals angeblich bereit gewesen sein, 100 Millionen Euro zu zahlen.
Grundsätzlich dürfte sich das Kalkül der Bosse nicht geändert haben. Müller ist als Vize-Kapitän wichtig für die Mannschaft und nicht nur wegen seiner Wurzeln auch für den traditionsbewussten Club. Neben dem Niederbayern Christian Früchtl ist der Oberbayer Müller der einzige im Freistaat geborene Profi. Gerade in der Ära nach Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger verkörpert Müller das bayerische Element wie kein Zweiter im Team.
Die Bank ist nichts Neues für Müller
Dazu kommen sportliche Gesichtspunkte. Zwar ist Müller für Kovac aktuell nicht gut genug für einen Stammplatz, doch im kleinen Kader ist der WM-Torschützenkönig von 2010 als vielseitige Alternative gefragt. Müller spielt am liebsten auf Halbpositionen oder hinter der Spitze im Mittelfeld. Er kann aber auch in vorderster Front als Backup für Robert Lewandowski oder auf den Flügeln eingesetzt werden.
Bankzeiten sind für Müller, der nach 100 Länderspielen von Bundestrainer Joachim Löw aus der DFB-Auswahl aussortiert worden war, nichts Neues. Eigentlich erlebte sie unter jedem Trainer der Post-van-Gaal-Ära. Jupp Heynckes, Pep Guardiola und Carlo Ancelotti ließen den mitunter unkonventionellen Fußballer hin und wieder oder gar regelmäßig in wichtigen Spielen draußen.
Am Ende kam Müller aber doch immer auf seine Einsätze. Sonst wäre er nicht mit 106 Königsklassen-Einsätzen (43 Tore) der Münchner Rekordmann in dieser Kategorie. 110 Tore in 325 Bundesliga-Spielen oder 33 Treffer in 60 Pokalspielen sprechen ebenfalls für sich. Es wäre also auch keine Überraschung, wenn sich die aktuell für ihn unbefriedigende Situation im schnelllebigen Fußball-Geschäft rasch wieder ändern würde. (dpa)