1. FC Union nach dem 0:4 gegen Leipzig: Eine Frage der etwas anderen Mentalität
Die Reaktion der Union-Fans nach der klaren Niederlage fiel bemerkenswert aus. Ihre Haltung könnte zum Vorbild für die Profis werden. Ein Kommentar.
Dass der 1. FC Union Berlin ein etwas anderer Klub ist, hören sie im Klub nicht immer ganz so gern. Der Präsident Dirk Zingler sieht sich deshalb hin und wieder zu einer Richtigstellung genötigt. „Wir sollten nicht zwingend versuchen, permanent anders zu sein“, hat Zingler vor knapp zwei Wochen also in einem Interview mit dem rbb gesagt. Unions Fußballer folgten der Anweisung am ersten Bundesliga-Spieltag prompt und verloren so hoch, wie es sich im Duell zwischen Aufsteiger und Champions-League-Teilnehmer in etwa gehört. 0:4 also gegen RB Leipzig.
Interessanter als das standesgemäße Ergebnis war die Aufnahme dessen. Die Fans feierten ihre Lieblinge, als sei die Aufstiegsparty noch in vollem Gange. Es war die wohl schönste 0:4-Niederlage der Bundesliga-Geschichte, ein Erlebnis, völlig losgelöst vom Ergebnis. Ein Erlebnis, wie es nur ein etwas anders gestrickter Klub abhalten kann, den Präsident Zingler nun so andersartig aber gar nicht mehr sehen will. „Ich will hier gar nicht die Atmosphäre zulassen, dass wir mal ein Jahr durch die Erste Liga gehen und Freude daran haben und dann ist es nicht so schlimm, wenn wir absteigen“, hat Zingler gesagt. Just nach dem ersten Spiel hat er sie nun schon erlebt, diese Atmosphäre. Und das war gut so.
Die Anhänger sahen ja, was alle im Stadion feststellten: dass der Leistungsunterschied zwischen Union und Leipzig riesig war. So riesig, dass Fragen aufkommen werden, ob diese Mannschaft bundesligatauglich ist. Denn am Sonntagabend kickte die Heimelf ein bisschen so wie früher vielleicht die echten Schlosserjungs aus Oberschöneweide. Unterlegen in puncto Geschwindigkeit, im Abschluss, im Spiel nach vorn, in der Abwehr, kurz: in allen Belangen, die ausschlaggebend sind, um ein Fußballspiel zu gewinnen. Die Anhänger behielten den Kopf trotzdem oben, die Stimmbänder in Bewegung. Diese Haltung müssen sich auch Unions Spieler wieder (neu) erkämpfen.
Als nicht ganz unwahrscheinlich gilt ja, dass Union in dieser Saison noch weitere Spiele und Niederlagen erleben wird, in denen sich möglicherweise ein Klassenunterschied auftut, in denen die Gegner gedanklich und physisch einen Tick schneller sein werden. Die große Kunst in dieser Saison ist es demnach, Moral und Stimmung hochzuhalten. Auch da noch aufrecht zu gehen, wo andere liegen bleiben. Jene Attitüde zu beweisen, die so sehr zur DNA dieses Klubs gehört wie seine eindrückliche Geschichte.
Dies gilt insbesondere dann, falls sich nach den nächsten Spielen offenbaren sollte, dass zwar viel Quantität, aber zu wenig Qualität im Kader der Köpenicker steckt; wenn der Klassenverbleib zur Mentalitätsfrage wird. Noch ist es längst nicht so weit, war Leipzig eben Leipzig, ein überdurchschnittlicher Bundesligist, Gegner aus anderen Gefilden. Welche Mentalität es braucht, falls Union aber auch gegen andere Konkurrenten ähnliche Defizite offenbaren sollte wie gegen RB, haben die Fans eindrucksvoll vorgemacht. Eben auf die etwas andere Art.