zum Hauptinhalt
Was für ein Finale! Simon Schempp sprintet am Sonntag im Massenstart zum Sieg in Oberhof.
© dpa

Biathlon: Ein Schuss mehr Spannung

Bei den Frauen ist die Spitze im Biathlon breiter als bei den Männern – Schempps Sieg in Oberhof am Sonntag ist eine Ausnahme.

Sein Fernrohr hatte Mark Kirchner längst weggepackt, nun blickte er nur noch gebannt auf die Videoleinwand in der Rennsteig-Arena. Gemeinsam mit den 18 000 Zuschauern wurde der Männer-Bundestrainer am Schlusstag des Oberhofer Weltcups Augenzeuge eines seltenen Ereignisses: Martin Fourcade, der seit fünf Jahren regierende Biathlon-König, war beim Finale des Massenstarts mal nicht allein auf weiter Flur. Am Ende der 15 Kilometer machten gleich zwei aus Kirchners Mannschaft dem Franzosen Beine – und zwar bis zum Schluss. Kurz vor der Ziellinie riss Simon Schempp dann in Siegerpose beide Arme empor, direkt hinter ihm schlitterte Teamkollege Erik Lesser mit letzter Kraft über den Strich. Und Coach Kirchner machte vor Freude einen Luftsprung.

Nach schneller Analyse des Zielfotos stand der deutsche Doppelsieg fest, Lesser hatte den Giganten Fourcade knapp geschlagen. „Endlich hat sich das Krafttraining mal ausgezahlt“, schnaufte der 28-jährige Thüringer.

Für die deutschen Männer war es bislang das Highlight des Winters – denn für DSV-Siege sorgte in dieser Saison zuvor nur eine: Laura Dahlmeier, die beim Massenstart der Frauen hinter Gabriela Koukalova Zweite wurde. Sprint und Verfolgung hatte die Garmischerin zuvor ausgelassen – weil sie mit Blick auf die WM im Februar mit ihren Kräften etwas haushalten wollte. „Die ersten drei Weltcups waren doch sehr anstrengend. Auch weil ich das Gelbe Trikot und entsprechend viele Medienanfragen hatte“, erklärte die 23-Jährige nach ihrer kurzen Stippvisite im Thüringer Wald.

Die Konkurrenz bei den Biathletinnen ist eben groß. Zwar konnte Laura Dahlmeier, im Dezember bei drei Weltcups ganz oben auf dem Podest, an ihre gute Form des letzten Monats anknüpfen. Doch die Duelle mit den erfahreneren Branchengrößen Koukalova, Kaisa Mäkäräinen oder Marie Dorin-Habert fordern ihren Tribut. „Aus der Vergangenheit haben wir gelernt, dass Laura über den Saisonverlauf gesehen einfach ein paar zusätzliche Pausen braucht, um bis zum letzten Weltcuprennen Höchstleistungen bringen zu können“, begründete Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig die beiden Aussetzer seiner Topathletin in Oberhof.

Laura Dahlmeier wurde am Sonntag Zweite im Massenstartrennen

Im Gegensatz zu den Männern, bei denen Fourcade mit einem – trotz des kleinen Rückschlags beim Oberhof-Finale – weiterhin monumentalen Vorsprung drauf und dran ist, zum sechsten Mal in Folge die Gesamtwertung zu gewinnen, ist die weibliche Konkurrenz extrem spannend. Am Thüringer Biathlon-Wochenende baute Fourcade seine Führung vor dem zweitplatzierten Russen Anton Schipulin noch aus, auf nun sagenhafte 231 Punkte. Das Kontrastprogramm dazu bieten die furiosen Frauen: Nach dem Massenstart trennten die Weltcup-Beste Koukalova und die Französin Dorin-Habert auf Rang vier nur 53 Punkte.

Auch im erweiterten Feld der Weltelite herrscht bei den Sportlerinnen mit Ski und Gewehr mehr Vielfalt als bei den männlichen Kollegen: Die Top Ten bei den Männern besetzen fünf Nationen, bei den Frauen sind es sieben. Und der Abwechslungsreichtum hat längst Tradition: Während Fourcade seit 2012 Gesamtsieg an Gesamtsieg reihte, sind bei den Biathletinnen Wechsel an der Spitze seit langem die Regel.

In den vergangenen fünf Wintern triumphierten hintereinander die Deutsche Magdalena Neuner, Tora Berger aus Norwegen, die Finnin Mäkäräinen, Darja Domratschewa aus Weißrussland und die Tschechin Koukalova. Ein Hin und Her, das der Vorjahressiegerin mächtig aufs Gemüt schlug: In den ersten zwei Nächten in Oberhof machte Koukalova vor Nervosität kein Auge zu. Gut möglich, dass ihr das aufreibende Tagesgeschäft bei den Skijägerinnen den Schlaf raubte. Das Problem bekam die stets perfekt geschminkte Biathletin aber in den Griff, nach ihrem Sieg im Massenstart berichtete sie: „Heute Nacht habe ich wie ein Stein geschlafen, zehn Stunden lang.“

Zur Startseite