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Obenauf. Zuletzt tourten die Lions 2017 durch Neuseeland. Foto: Lynne Cameron/Imago
© Lynne Cameron/Imago

British & Irish Lions 2021 auf Südafrika-Tour: Ein Rugby-Mythos kehrt zurück

In Südafrika wird derzeit kein Rugby gespielt – das Land des Weltmeisters freut sich auf ein gleichermaßen besonderes wie seltenes Event im Sommer 2021.

Normalerweise wäre Südafrika im Moment in Feierlaune. Die Rugby-Nationalmannschaft wollte in diesem Monat erstmals nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft im vergangenen Herbst wieder vor den eigenen Fans antreten. Länderspiele gegen Schottland und Georgien standen für Juli im Programm, im August sollte Argentinien nach Johannesburg kommen und später im September waren die mit Spannung erwarteten Heimspiele gegen Australien und Neuseeland angesetzt.

Die traurige Realität sieht nun anders aus: Wegen der Coronavirus-Pandemie, von der Südafrika mit bald 500 000 Infizierten und mehr als 7000 Todesopfern besonders hart betroffen ist, hat auch den Rugby-Sport im Land des Weltmeisters zum Erliegen gebracht. Der letzte große Höhepunkt fand Ende Juni statt, als sich der Tag des ersten WM-Titels für die „Springboks“ zum 25. Mal jährte. Allerdings nicht auf dem Platz, sondern in den Wohnzimmern des Landes.

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„Im Fernsehen kam von morgens bis abends etwas über die WM und das Endspiel. Auch wenn wir es schon so oft gesehen haben“, erzählt Hans Scriba. Die Bilder, wie Südafrikas Präsident Nelson Mandela 1995 im Trikot der Nationalmannschaft die William-Webb-Ellis-Trophäe für den Champion überreicht, haben sich tief ins Gedächtnis der Nation eingebrannt. Auch für den 56-jährigen Scriba sind die Momente des damaligen Finales in Johannesburg gegen Neuseeland unvergesslich.

Wie viele andere in Südafrika träumte er als Kind davon, einmal für die „Springboks“ aufzulaufen. Das blieb ihm zwar verwehrt, dafür streifte er Ende der Neunziger dank seiner familiären Wurzeln für insgesamt vier Länderspiele das deutsche Nationaltrikot über.

Das wohl größte Spiel seiner Karriere aber bestritt er 1997 gegen ein Team, das in der modernen Welt des Sports beinahe anachronistisch wirkt. Die „British & Irish Lions“ setzen sich aus Nationalspielern Englands, Schottlands, Wales und Irlands zusammen, alle vier Jahre reisen sie auf die Südhalbkugel für Testspiele gegen regionale Teams und die großen Nationalmannschaften von Australien, Neuseeland und eben Südafrika. In jedem einzelnen dieser Länder tauchen sie folglich nur alle zwölf Jahre auf. Im Juli und August des kommenden Jahres ist wieder Südafrika an der Reihe.

In der Mannschaft der Lions zu stehen, ist eine besondere Ehre

„Es ist etwas Besonderes, oft kommen so viele Fans aus Europa, dass man denkt, die Gäste hätten ein Heimspiel“, erzählt Scriba. Die sogenannte Lions-Series beflügelt sogar die nationale Konjunktur, denn die oft bis zu 20 000 anreisenden Anhänger sind in Partystimmung. Viele bleiben für drei Wochen oder länger – wenn sie schon einmal mit so viel Gleichgesinnten am anderen Ende der Welt sind.

Scriba weiß, wovon er spricht. Als er 1997 auf der Tour mit den Sharks aus Durban ein Testspiel gegen die Lions mit 12:42 verlor, waren rund 50 000 Menschen Zeuge des Spiels im Kings Park. Bis heute hält Scriba das Trikot seines Gegenspielers Gregor Townsend im charakteristischen Rot der Lions in Ehren. Der schottische Spielmacher ist mittlerweile innovativer Nationaltrainer seines Landes. „Kürzlich war er in Stellenbosch und wir kamen zusammen. Natürlich erinnerte er sich. Da hatten wir viel zu erzählen“, berichtet Scriba.

In Deutschland sind die Lions allenfalls eingefleischten Rugby-Fans ein Begriff, auch weil sie nur alle vier Jahre zwischen zwei Weltmeisterschaften in Erscheinung treten. Die Berufung in dieses Team ist für jeden Spieler eine ganz besondere Auszeichnung. Sie attestiert allemal den Status ein guter Nationalspieler für ein Land der „British Isles and Ireland“ gewesen zu sein.

Hans Scriba heute.
Hans Scriba heute.
© privat

Dabei sind die Spiele keine Spaß- oder Showveranstaltungen. Die Vorbereitungszeit auf die Lions-Tour ist eher in Monaten als in Wochen zu messen. Einen derartig professionellen Ernst gibt es bei anderen All-Star-Teams in der Welt des Sports nicht.

„Mehrere Spieler aus der Weltmeistermannschaft sehen einen Toursieg 2021 als ihre abschließende, große Chance auf den seltenen Doppelerfolg“, sagt Hans Scriba und ergänzt: „Der WM-Sieg 2019 war sehr wichtig für Südafrika. Aber zurzeit haben wir wegen der Pandemie kein Rugby. Da ist es gut, dass es 2021 etwas gibt, auf das man sich freuen kann.“ Die Verlegung oder gar Absage der Lions-Tour im kommenden Jahr ist bisher kein Thema. Schließlich hoffen die Menschen am Kap, dass sie dann wieder feiern können – und sie Rugby die Alltagssorgen vergessen lässt.

Jürgen Georg

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