Cristiano Ronaldo: Ein Fall fürs Museum
Cristiano Ronaldo ist 30 Jahre alt und hat schon sein eigenes Museum. Das mag größenwahnsinnig sein, doch ein Besuch in dem Ego-Tempel lohnt sich.
Von außen betrachtet könnte es auch eine Bank oder ein Immobilienbüro sein. Verspiegelte Scheiben reflektieren die Sonne Madeiras und neugierige Blicke. Über der Ladenzeile hängen Balkone am weißen Gebäude und erinnern an portugiesische Ferienwohnungen. Doch kaum betritt man das Geschäftslokal mit der Aufschrift „Museu CR7“, besteht kein Zweifel mehr, worum, oder vielmehr, um wen es hier nur geht: Cristiano Ronaldo.
Das Bodenmosaik im Eingangsbereich stellt das noch einmal klar, die Steinchen bilden das Logo CR7, die Initialen des Weltfußballers. Wer mehr über den Star von Real Madrid erfahren möchte, bezahlt links die fünf Euro Eintritt und tritt hinein durch eine Schiebetür, die ein selbstbewusst dreinblickender Ronaldo ziert. Die öffnenden Türen zerteilen ihn. Der Besucher muss sozusagen durch Ronaldos breite Brust schreiten.
Es gibt viele Museen im Fußball, fast jeder Profiverein hat sein eigenes am Stadion, aber fast keine für Fußballspieler. Pelé haben sie 2014 in Santos ein Museum errichtet, fast 40 Jahre nach seiner Karriere als brasilianischer Jahrhundertfußballer. Ein halbes Jahr zuvor hatte sich Ronaldo schon selbst sein eigenes Museum eröffnet, in seiner Heimatstadt Funchal auf der Atlantikinsel Madeira, mit damals 28 Jahren. Vielen mag das so größenwahnsinnig vorkommen wie ein Kind, das mit zehn Jahren seine Autobiografie verfasst. Und doch lohnt sich ein Besuch. Denn wenn an diesem Wochenende in Spanien die Primera Division startet und man sich wieder wundert, warum sich Ronaldo mit Real Madrid so sehr auf dem Feld inszeniert, dann hilft ein Besuch dort. Sein Tempel des Narzissmus verrät eine Menge über das Ego hinter beziehungsweise vor dem Weltfußballer.
Einst bedrohte er einen Lehrer, der sich über ihn lustig machte
Wer die Schiebetür durchschritten hat, sieht einen langen Korridor, links und rechts weiße Wände voller Glasvitrinen mit Medaillen und Pokalen. In der Mitte stehen Fotoaufsteller, die Ronaldo in Jubelposen zeigen. Die Goldenen Bälle für den Weltfußballer des Jahres und die Goldenen Schuhe für den weltbesten Torschützen stehen weiter hinten um die Ecke, noch hinter Ronaldos Wachsfigur. Selbst Kleinsttrophäen stehen hier ausgestellt, etwa ein winziger beschlagener Goldpokal, den Ronaldo mit acht Jahren gewann, als Torschützenkönig seines Jugendteams Andorinha. Oder Schärpen, die er für Nachwuchstitel mit Sporting Lissabon erhielt.
Das Museum war eine Idee von Ronaldos Bruder Hugo Aveiro. Der Bauunternehmer hatte seinen kleinen Bruder in Madrid besucht und in seiner Villa die verstreuten Trophäen gesehen. Cristiano hatte gerade ein fünfgeschossiges Gebäude gekauft, auf einem Hügel nahe des Hafens von Funchal, und überlegte, dort ein Restaurant oder eine Disko zu eröffnen. Stattdessen einigten sich die Brüder auf ein Museum.
Zur Einweihung im Dezember 2013 erscheint der Star persönlich. Viele Menschen drängeln in der Rua Princesa D. Amélia, einer engen abfallenden Gasse, weit entfernt von dem Glamour, den man bei Ronaldos berühmter Eitelkeit erwarten würde. Es sind viele Ronaldo-Fans gekommen, aber keine Passanten. Die Leute fragen sich, wie Ronaldo, der privat zwischen Madrid und den USA pendelt, auf die Insel gekommen ist – mit dem Privatjet natürlich. Die heutige Rückkehr ist eine andere als die des pickligen, schüchternen Zwölfjährigen, der als Jugendspieler auf das fast 1000 Kilometer entfernte Festland aufbrach, um die Welt und ihre Bewunderung zu erobern, und nur in den Sommerferien die Eltern besuchte.
Plötzlich bahnt sich eine Stretch-Limousine den Weg, niemand darf ihr zu nahe kommen, auch wenn der Platz eng ist. Ronaldo steigt mit dem Model Irina Shayk heraus, das zu dem Zeitpunkt seine Freundin ist. Die Kameras richten sich auf ihn. Unnahbar, fast mit seinem Spielgesicht, schaut er sich um und betritt das Gebäude. Ein Einheimischer ruft: „Ronaldo, warum lädst du die Armen nicht herein?“ Der größte portugiesische Spieler seit Eusébio kam aus einem Elendsviertel in den Vororten von Funchal, aber er ist keiner mehr von ihnen. Irina Shayk folgt ihm stumm, Ronaldos Schwester Elma, mit der er eine Boutique in Funchal betreibt, taucht in Camping-Klamotten auf.
Das Innere des Museums ist sauber und kühl wie eine Klinik. In L-Form errichtet, aber nicht so groß wie man erwarten würde. Rechts im Eingang steht Ronaldos Wachsfigur, Hände an der Hüfte, die Beine gespreizt wie er es vor Freistößen macht. Rundherum steht alles Mögliche. 145 Trophäen, eine Menge Bilder, 24 Fußbälle voller Autogramme, Trikots von all seinen Klubs, und seine drei Goldenen Bälle und zwei Goldenen Schuhe. Draußen schauen die Einheimischen aus der Ferne zu, wie Ronaldo neben seiner Wachsvorlage posiert. Trotz allem Glamour wirkt die Lokalität geschmacklos, wie die ausgestellte Fanpost an Ronaldo, fast wie ein Liebesbrief des Museumsherrn an sich selbst.
Doch Direktor ist eigentlich Hugo Aveiro. Ronaldos Bruder geriet als Jugendlicher auf die schiefe Bahn, heute kümmert er sich um die Abläufe. Er erklärt, dass das Museum eine Touristenattraktion sein werde, mit freiem Eintritt für Kinder. Er sollte recht behalten: 10 000 Besucher kamen allein im ersten Monat, mehr als 100 000 im ersten Jahr. Alle Hausnummern in der Straße wurden von den Eingängen entfernt, damit sie nicht mit Ronaldos CR7-Logo kontrastieren. Hugo Aveiro erzählt, dass er die Idee mit dem Museum schon hatte, seit Cristiano 23 Jahre alt war. Später werde es an die Hafenpromenade umziehen. Bis heute hat sich die Lage nicht geändert, aber diesen Sommer gelang es Aveiro, ein Wandermuseum zu errichten, das derzeit an der Algarve haltmacht.
In Portugal mögen sie Leute nicht, die ihren Reichtum zur Schau stellen
Viele der Besucher, die später das Museum betreten, sind keine Einheimischen, nicht einmal Portugiesen. Sie sind Ausländer, Touristen. Einige portugiesische Fußballfans mögen sogar Lionel Messi lieber. Sie schätzen das bescheidene Auftreten des Argentiniers. Im heutigen Portugal rümpfen die Menschen die Nase über Leute, die ihren Reichtum zur Schau stellen, speziell seit die Krise die Arbeitslosigkeit nach oben getrieben hat.
Ronaldo zeigt einige seiner Ausstellungsstücke. Er schaut sich seine Trophäen meist in Stille an, als ob er in Erinnerungen schwelge. Seine Hingabe an sich selbst ist sein größtes Talent. Sein Ego machte Ronaldo erst zu dem Fußballer, der er heute ist. Als Schüler bedrohte er einst einen Lehrer in Lissabon mit einem Stuhl, weil der sich über seinen starken Madeira-Akzent lustig gemacht hatte. Als Jugendspieler bei Sporting forderte er alle Profis aus der ersten Mannschaft heraus und erzählte herum, er werde größer als sie alle. Mit 18 dribbelte er den Verteidigern von Manchester United in einem Testspiel Knoten in die Beine, der englische Topklub verpflichtete ihn. Es war der Beginn einer Weltkarriere.
Genug hat Ronaldo noch immer nicht. Er schaut seine Goldenen Schuhe an, ausgestellt in Glaskästen, und bemerkt mit seinem – kaum noch festzustellenden – Madeira-Akzent: „Ich habe noch Platz für einige mehr.“
Die Eröffnungszeremonie, nicht mehr als eine Mini-Tour, dauert nur eine Stunde. Ronaldo verlässt Madeira noch am selben Tag. Die Einheimischen verstreuen sich langsam. Aus der Ferne haben sie ihr Idol kaum gesehen. Die Dinge kehren zurück zur Normalität auf der kleinen, schönen, grünen Insel. Kein Wunder, dass Ronaldo sie so schnell verlassen hat. Sein Ego ist zu groß geworden – es passt nicht mehr auf Madeira.
Übersetzung: Dominik Bardow
Filipe Fidalgo