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Eine Halbzeit lang wirbelten Dzsenifer Marozsan und ihre Mitspielerinnen Norwegen, am Ende hieß es 1:1. komplett durcheinander.
© dpa

DFB-Team bei der Frauenfußball-WM: Ein bisschen untergegangen

Dzsenifer Marozsan und die deutschen Fußballerinnen können ihr Potenzial bei der WM in Kanada noch nicht konstant abrufen.

Dzsenifer Marozsan stand im Pressekonferenzraum des Lansdowne Stadium und hielt ihre eingerahmte „Player of the Match“-Auszeichnung in die Kamera. Die deutsche Spielmacherin lächelte ein wenig bemüht. Als sie zwei schnelle Fragen beantwortet hatte, durfte die 23-Jährige wählen: Sie konnte entweder sofort gehen oder noch sitzenbleiben während Bundestrainerin Silvia Neid das 1:1 (1:0) gegen Norwegen analysierte. „Soll ich bleiben?“, fragt sie Neid. „Dann bekommst du vielleicht noch Fragen gestellt", drohte die Bundestrainerin. „Nee, dann geh ich“, sagte Marozsan. Und weg war sie. Sie lachte zwar, aber sie ist nun mal auch kein Glamourgirl, das große Auftritte liebt.

Dzsenifer Marozsan war bei ihrem langersehnten WM-Debüt das Sinnbild des deutschen Spiels am Donnerstag. Die „Fifa technical study group“, die die Spielerin des Spiels auswählt, hatte die vielleicht beste Technikerin des Frauenweltfußballs wohl nur in den ersten 45 Minuten genau studiert, wie überhaupt das deutsche Team zwei komplett verschiedene Halbzeiten zeigte. Silvia Neid lobte Marozsans „grandiose“ Aktionen in Hälfte eins, „und dann ist sie wie das ganze Team untergegangen“.

Maroszan nahm sich eine unerklärliche Auszeit

Der erste Spielabschnitt der deutschen Mannschaft war einer der besten in ihrer Länderspielgeschichte. Kein anderer WM-Teilnehmer hat in der Offensive solche Möglichkeiten. Marozsan („Ich war nervös, noch mehr als sonst") drehte sich einmal sogar spektakulär auf dem Ball und bekam dafür Szenenapplaus, Alexandra Popp zauberte per Hacke. Ein US-Reporter fragte Neid, ob sie sich über ihre Mannschaft wegen der „angeberischen Flicks und Tricks“ geärgert habe. Nein, die Frage fand Neid komisch, sie hielt sie gar für einen Übersetzungsfehler. Neid war nach eigenem Bekunden „total zufrieden“ mit dem 1:1, das 18 987 Zuschauer im Stadion gesehen hatten. „Ich fand uns trotzdem irgendwie besser als Norwegen“, sagte die 51-Jährige und wies auf das fabelhafte Chancenverhältnis von 27:4 hin.

Aber genau das war eben auch das Manko: Die Deutschen hätten in den ersten 45 Minuten nach dem vierten Turniertor von Anja Mittag in der 6. Minute mindestens noch ein, zwei weitere Treffer erzielen müssen. „In der ersten Halbzeit hätten sie uns killen können“, sagte Norwegens Coach Even Pellerud martialisch. In der zweiten Hälfte verlor das DFB-Team dann aber völlig den Faden, wie auch Silvia Neid zugeben musste. Da nahm sich dann auch plötzlich Marozsan eine ihrer unerklärlichen Auszeiten, tauchte wieder ab, wie leider noch zu oft in großen Spielen. Die Spielgestalterin des 1. FFC Frankfurt führte vor, wie man selbst mit feinster Technik Fehlpässe fabrizieren und planlose Weitschüsse aufs Tor abgeben kann. Auf den Einbruch des Europameisters folgte logisch der Ausgleich der Norwegerinnen. Maren Mjelde schlenzte in der 60. Minute einen Bilderbuch-Freistoß in den linken Torwinkel. Dem vorangegangen war ein Foul von Abwehrchefin Saskia Bartusiak kurz vor der Strafraumgrenze. Dabei deutete sich wie schon gegen die Elfenbeinküste (10:0) an, dass die recht langsame Innenverteidigung die Schwachstelle der Deutschen ist.

Bereits mit 14 debütierte Maroszan in der Bundesliga

Im Fernschießen mit Norwegen um den Gruppensieg ist am Montag gegen Thailand in Winnipeg nun aber wieder insbesondere die Offensive gefragt. Thailand besiegte im WM-Debütanten-Duell übrigens die Elfenbeinküste mit 3:2. „Wer uns kennt, weiß, dass wir gerne Tore schießen“, sagte Simone Laudehr. Sie wurde wegen einer Bauchmuskelblessur ausgewechselt. Nach DFB-Angaben aber nur als Vorsichtsmaßnahme, bis zum Spiel gegen Thailand sollte Laudehr wieder fit sein.

Maroszan ist ebenfalls überzeugt: „Wenn wir so weiterspielen wie in der ersten Hälfte, werden wir bei der WM auch erfolgreich sein.“ Denn  im weiteren Verlauf des Turniers will die Tochter des früheren ungarischen Nationalspielers Janos Marozsan zeigen, dass sie auch auf der großen Bühne konstant überzeugen kann. Schließlich ist es für sie ihre erste WM. Gefühlt zählt Marozsan, die im Alter von 14 Jahren für den 1. FC Saarbrücken als jüngste Spielerin der Bundesliga-Geschichte auflief, zwar schon eine Ewigkeit zur Nationalelf. Aber die Heim-WM 2011 verpasste sie verletzt. Und beim ersten Gruppenspiel in Kanada pausierte sie, weil sie zuvor im Training umgeknickt war. Jetzt soll sie nichts mehr stoppen, sie will richtig auftauchen.

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Inga Radel

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