Trainerin Irina Palina im Interview: "Eastside ist eine der besten Adressen in Deutschland und Europa"
Tischtennis-Legende Irina Palina vom TTC Eastside über das Finale gegen Kolbermoor, den Stellenwert der Sportart und den immer engeren Terminkalender.
Frau Palina, das erste Endspiel um die deutsche Tischtennis-Meisterschaft der Frauen am Freitag endete bei der DJK Kolbermoor 5:5. An diesem Sonntag steht das Heimspiel an (16 Uhr, Paul Heyse-Straße und live bei sportdeutschland.tv). Wie sehen Sie die Ausgangslage?
Nach der 5:3-Führung ist das Unentschieden ein bisschen wenig. Jetzt müssen wir gewinnen, aber wir haben den Vorteil zu Hause zu spielen.
Mit wie vielen Zuschauern rechnen Sie?
Bei einem normalen Spiel haben wir vielleicht 150. Diesmal hoffe ich auf 400 bis 500.
Eastsides letzter Titelgewinn war der Pokalsieg im Januar 2018. Eine lange Zeit, gemessen an den Erfolgen des Vereins. Wird es mal wieder Zeit für einen Titel?
Wir haben knapp anderthalb Jahre nichts gewonnen und es heißt: Es wird Zeit. Davor wurde ich immer gefragt, ob es nicht langweilig ist, dauernd zu gewinnen.
Ist es das?
Gewinnen wird nie langweilig.
Eastside hat seit 2014 dreimal das Triple geholt, da kann in der Stadt kein Verein mithalten. Was bewirken solche Erfolge nach außen?
Jeder Titel hilft uns. Wenn wir potenziellen Sponsoren sagen, was wir alles gewonnen haben, öffnet das Türen. Für sogenannte Randsportarten ist es in Berlin schwierig, Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir haben hier ein sportliches und kulturelles Überangebot. Ende April beim Halbfinal-Hinspiel in Langstadt war die Halle brechend voll, die ganze Stadt steht hinter dem Verein. In Berlin fällt nicht einmal eine deutsche Meisterschaft groß auf.
Sie sind 1997 als Spielerin zum damaligen Berliner TSC gekommen. Der Klub war neu in der Bundesliga. Wie hat sich der Verein entwickelt?
Heute ist unser Verein eine der besten Adressen im Tischtennis in Deutschland und Europa. Und das seit vielen Jahren. Wir haben einen breiten, verlässlichen Sponsorenkreis. Das kommt nicht von selbst. Ich bewundere die Arbeit unseres Vorstandes, der komplett ehrenamtlich arbeitet.
Sie sind unter anderem auch Sportwartin. Bleibt neben dem Job als Bundesligatrainerin so viel Zeit?
Die Bundesligaspielerinnen trainieren nicht durchgehend in Berlin, sondern an den Leistungszentren ihrer Landesverbände. Daher kann ich mir meine Zeit unter der Woche gut einteilen. Ich trainiere zum Beispiel den Nachwuchs und kümmere mich organisatorische Abläufe wie die Reiseplanung der Mannschaft und die komplette Logistik rund um unsere Heimspiele. Meine Familie kommt da manchmal leider etwas zu kurz.
Dafür bilden Sie bei Ligaspielen mit Ihrer Tochter Lilia oft ein gemeinsames Doppel. Wie ist die Mutter-Tochter-Beziehung an der Platte?
Wir harmonieren ganz gut.
Sie haben in der Regionalliga sechs von sieben Doppeln gewonnen.
Wir haben sogar schon ein Doppel in der Bundesliga gewonnen. Ich spiele sehr gerne mit Lilia. Ich denke, sie auch mit mir. Ich spiele viel Abwehr, sie offensiv. Das passt.
Ihre Tochter ist 17. Wird sie bald regelmäßig in der Bundesliga zum Einsatz kommen?
Talent und Ballgefühl hat sie. Allerdings nicht den unbedingten Willen und Ehrgeiz. Sie möchte keine Karriere als Sportlerin machen. Die Regionalliga reicht ihr, das ist auch völlig in Ordnung.
Sie selbst sind Trainerin der Bundesligamannschaft, haben vor einem Jahr dort aber alle Spiele bestritten. Diesmal nur eins.
Gott sei Dank. Letzte Saison war es heftig bei uns. Zwei Spielerinnen waren schwanger und Petrissa Solja fiel die ganze Saison aus …
… wegen körperlicher und mentaler Erschöpfung.
Deshalb musste ich auch im Halbfinale der Champions League ran. Wenn ich an den Tisch gehe, möchte ich gewinnen. Um auf diesem Level zu spielen, müsste ich jeden Tag trainieren. Ich werde bald 50. Das brauche ich nicht mehr.
Qianhong Gotsch vom SV Böblingen hat jüngst mit 50 die beste Bilanz in der Bundesliga gespielt. Spricht das für die erfahrenen Spielerinnen oder gegen den Nachwuchs?
Beides. Gegen Qianhong Gotsch habe ich schon gespielt, als es die Sowjetunion noch gab. Sie hat eine unglaublich gute Tischtennis-Ausbildung. Davon profitiert sie immer noch. Ich kenne das auch noch: Früher hast Du ein halbes Jahr nur den Ball hochgeworfen wie zum Aufschlag. Dann erst ging es an den Tisch. Heute heißt es nur schnell, schnell. Viele denken: „Schupfen? Brauche ich nicht.“ Aber das ist so wichtig. Letztens hatte ich in der Bundesliga eine Gegnerin, die in der Weltrangliste um Position 100 steht. Ich habe nur den Ball im Spiel gehalten, da ich nicht mehr trainiere. Sie hätte mich 3:0 schlagen müssen.
Aber?
Ich habe im fünften Satz knapp 9:11 verloren. Das kann eigentlich nicht sein.
Machen Sie sich Sorgen um das Niveau im Frauen-Tischtennis?
Wir haben in Deutschland das Glück, mit Petrissa Solja und Nina Mittelham zwei junge, sehr gute Spielerinnen zu haben. Aber insgesamt ist das Niveau in Europa schon abgesackt. Es gibt immer weniger Talente, die bereit sind, so viel auf sich zu nehmen, um nach ganz oben zu kommen.
Was müssen diese auf sich nehmen?
Die Besten spielen inzwischen ständig. Sie sind 300 Tage im Jahr unterwegs. In der Bundesliga, bei internationalen Turnieren auf der ganz Welt. Der Terminkalender ist eine Katastrophe. Da sind keine Pausen mehr. Irgendwann fragen sich die Spielerinnen: Wozu das Ganze? Bei Frauen kommt hinzu, dass sie an ihre Familienplanung denken müssen. Und das Problem ist auch, dass aufgrund der Dominanz der Asiatinnen die Perspektive fehlt. Weltmeisterin oder Olympiasiegerin, das ist für eine Europäerin quasi unmöglich.
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