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Tagen in der Ostkurve. Coronabedingt hat Hertha BSC seine Mitgliederversammlung am Sonntag im Olympiastadion abgehalten.
© Jörg Carstensen/dpa

Mitgliederversammlung bei Hertha BSC: Dünne Mehrheit und Pfiffe für Präsident Gegenbauer

Mit nur 54 Prozent der Stimmen wird Herthas Präsident Werner Gegenbauer wiedergewählt. Die Finanzen des Vereins leiden unter der Coronavirus-Pandemie.

Werner Gegenbauer verfügt über ein gutes Gespür für die Stimmungen an der Basis. Mit seiner jovialen Art trifft der Präsident von Hertha BSC oft den richtigen Ton, den die einfachen Mitglieder hören wollen. Als er aber am Sonntagmittag in der Ostkurve des Olympiastadions die etwas trotzig klingenden Worte spricht: „Ich nehme die Wahl mit Freude an“ – da fällt die Reaktion aus dem Publikum nicht so aus, wie Gegenbauer sich das wohl erhofft haben dürfte. Es gibt deutlich vernehmbare Pfiffe und Buhrufe.

Das Ergebnis, mit dem Gegenbauer in seine vierte Amtszeit als Präsident des Fußball-Bundesligisten gewählt wird, dürfte er sich auch anders erhofft haben.

Von den rund 1000 Stimmberechtigten bei der Mitgliederversammlung setzen nur 542 auf ihn, 421 sind gegen ihn. Das entspricht einer Zustimmung von knapp 54 Prozent und ist das schlechteste Ergebnis, das Gegenbauer seit seiner ersten Wahl 2008 eingefahren hat. Und zwar mit Abstand. Selbst 2012, als die Mannschaft gerade zum zweiten Mal in seiner Amtszeit abgestiegen ist, waren es 73 Prozent.

Immerhin bleibt Gegenbauers Wunschkandidat Thorsten Manske auch künftig sein Stellvertreter. Gegenbauer spricht sich gleich zu Beginn der Versammlung noch einmal deutlich für seinen Vizepräsidenten aus, der sich schließlich in einer Abstimmung gegen Christian Wolter (566 zu 297 Stimmen) durchsetzt. Auch für die Wahl der sieben einfachen Präsidiumsmitglieder hat Gegenbauer eine Empfehlung ausgesprochen und sich explizit für Peer Mock-Stümer und Klaus Teichert, den Geschäftsführer der Hertha BSC Stadion GmbH, verwandt.

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Mock-Stümer, bisher Leiter der Boxabteilung, wird im ersten Wahlgang gewählt, genau wie die bisherigen Präsidiumsmitglieder Fabian Drescher, Ingmar Pering und Norbert Sauer sowie Anne Jüngermann, die erstmals kandidierte. Im zweiten Durchgang kommt noch Michael Ottow hinzu. Die bisherigen Mitglieder Christian Wolter und Marco Wurzbacher erhalten nicht die nötige Mehrheit.

Wegen der Coronavirus-Pandemie findet die Mitgliederversammlung erstmals unter freiem Himmel statt. Das Virus hat auch auf die Finanzen des Vereins dramatische Auswirkungen. Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller spricht sogar von Einschlägen in Herthas Bilanz. Die Ausgaben waren im Geschäftsjahr 2019/20 mit 181,2 Millionen Euro so hoch wie noch nie. Das Gleiche gilt für die Verbindlichkeiten der KGaA, die auf knapp 142 Millionen Euro gestiegen sind, und wohl auch für den Verlust von 59 Millionen Euro.

Dass das Ergebnis so drastisch ausfällt, hängt zum einen mit den Einnahmeverlusten durch die Pandemie zusammen, zum anderen mit den Investitionen des Klubs in die Mannschaft. Der Lizenzspieleretat ist auf 70 Millionen Euro gestiegen. Trotzdem glaubt Schiller, „dass wir einer der Vereine mit der höchsten Cash-Position sind“. Das Eigenkapital der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist von 123 auf 146 Millionen Euro gestiegen.

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In Kürze soll Hertha noch einmal 100 Millionen Euro von Lars Windhorst erhalten, dessen Tennor-Gruppe dann insgesamt 374 Millionen Euro in den Verein investiert und dafür zwei Drittel der Anteil an der KGaA erworben haben wird. Gespräche über weitere Investitionen Windhorsts gab und gibt es laut Herthas Finanzgeschäftsführer nicht. Die 374 Millionen Euro seien schon jetzt das größte Einzelinvestment, das es je in der Bundesliga gegeben habe, erläuterte Schiller, „insofern gibt es auch diese Notwendigkeit nicht“.

Dank Tennors Einstieg sieht Schiller Hertha für die schwierige Situation deutlich besser gerüstet als viele Konkurrenten. „Wir befinden uns in einer stabilen finanziellen Situation. Durch die Kapitalmaßnahmen sind wir wirklich gut aufgestellt“, sagt er. Trotz aller Unwägbarkeiten äußert sich Herthas Geschäftsführer daher auch zuversichtlich für das laufende Geschäftsjahr: „Wir werden eine deutlich positive Liquidität haben, ein weiter gestärktes Eigenkapital und eine deutliche Reduktion der Verbindlichkeiten im zweistelligen Millionenbereich.“

Etwas mehr als 38 000 Mitglieder hat Hertha aktuell. Laut Gegenbauer muss es das Ziel sein, „in den nächsten vier Jahren auf 50 000 zu kommen“. Außerdem fordert er für die kommenden beiden Jahre eine Entscheidung in der Stadionfrage und spricht auch die Zusammenarbeit mit Geldgeber Lars Windhorst an. „Wir müssen vertrauensvoll mit dem Investor zusammenarbeiten“, sagt Gegenbauer. „Wir müssen ihm aber auch klar machen, dass wir der Komplementär sind – und der Komplementär die Entscheidungen trifft.“

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