Wirkungstreffer für Schwarz-Gelb: Dortmund erkämpft sich den „unheimlichen Push“
In letzter Minute gewinnt Borussia Dortmund bei Hertha BSC. Im Kampf um die deutsche Meisterschaft bedeutet das wichtige Punkte und neue Zuversicht.
Später am Abend hat sich Borussia Dortmund in Berlin dann doch noch eine blutige Nase geholt. Das war um kurz vor halb neun, der Schiedsrichter hatte gerade ein letztes Mal in seine Pfeife gepustet und Lucien Favre einen Freudentanz aufgeführt, den er sofort wieder abbrach, als er sah, dass er sich direkt vor der Bank von Hertha BSC befand.
Provozieren wollte der Dortmunder Trainer mit Berliner Vergangenheit nach dem späten 3:2-Sieg nun wirklich nicht. Nur ein bisschen feiern. So hielten sie es auch ein paar Meter weiter auf der Dortmunder Bank, wo Favres Assistent Edin Terzic aufsprang, die Ellenbogen ausfuhr und dabei den Kollegen Pressesprecher im Gesicht traf. Mitten auf die Zwölf.
Es war der süße Schmerz des schwer erkämpften Sieges, den sie beim Ballspielverein Borussia 09 umso intensiver genießen, seitdem ihnen die Dinge nicht mehr so leicht vom Fuß gehen wie in den letzten Monaten des vergangenen Jahres. Einen wunderschönen Herbst lang stürmte der BVB wie im Rausch durch die Bundesliga. Im Jahr 2019 purzeln die Siege nicht mehr wie von selbst, die Künstler müssen leiden und schuften.
Marco Reus, der Schütze des späten Siegtores, erzählte vor der Fernsehkamera von Sky, es sei ihm und den Mitspielern sehr wohl bewusst, „dass es momentan nicht so leichtfüßig geht wie in der Hinrunde. Momentan erarbeiten wir uns die Torchancen sehr, sehr hart.“ Das koste Kraft, aber die Belohnung sei den Aufwand allemal wert, denn „so ein Sieg in der 92. Minute gibt der Mannschaft einen unheimlichen Push“.
„Warum sollen wir jetzt nicht alles versuchen?“
Der Nationalspieler Reus steht idealtypisch für diese Borussia, für die Mühen in der Ebene des Alltags, an dessen Ende sie immer noch für geniale Momente gut sind. Ein ganzes Spiel lang war wenig zu sehen von der Brillanz des Dortmunder Kapitäns. Das ständige Anlaufen gegen die Berliner Dreierkette aus Jordan Torunarigha, Niklas Stark und Karim Rekik war verdienstvoll, bescherte ihm aber wenig Glanz in diesem glanzvollen Spiel.
Kaum einmal kam er zu seinen Tempoläufen, stand 90 Minuten lang im Schatten des grandiosen Linksaußen Jadon Sancho und von Christian Pulisic auf dem anderen Flügel. Bis die Nachspielzeit kam, Sanchos Dribbling gegen Valentino Lazaro, der Pass mit dem Außenrist in die Mitte, wo Reus den Ball mit dem rechten Fuß so geschickt ins rechte Eck verlängerte, wie das nur ganz wenige können. Ein in Entstehung und Vollendung großartiges Tor.
Es war das schöne Ende eine anstrengenden und aufregenden Abends für Lucien Favre. Der Fußball-Philosoph aus der Schweiz hat sich längst damit arrangiert, dass er kaum einmal seine beste Mannschaft aufbieten kann. Am Samstag fehlte neben dem schon länger absenten Verteidiger Lukasz Piszczek der Mann in vorderster Linie, wo sich für gewöhnlich Paco Alcacer und Mario Götze abwechseln.
In Berlin mussten beide aus Verletzungsgründen passen, wie auch der Mittelfeldchef Axel Witsel, dessen Vertreter Julian Weigl bei weitem nicht über das strategische Geschick des belgischen Nationalspielers verfügt. Und doch legte der BVB gegen eine ebenfalls formidable Berliner Mannschaft eine atemberaubende zweite Halbzeit hin. „Das war wirklich sehr gut, deswegen geht der Sieg auch in Ordnung“, fand Favre.
Wie schon vor einer Woche beim 3:1 über den VfB Stuttgart drehten die Dortmunder mit ihrem Willen ein Spiel und sackten im Fernduell mit den Bayern drei Punkte ein. Erstmals in dieser Saison machten sie sich nicht mehr die Mühe, das Saisonziel mit der Chiffre „besser als Platz drei“ zu kaschieren. „Für den Verein war es im Sommer kein Thema“, sprach der Antreiber Thomas Delaney. „Aber warum sollen wir jetzt nicht alles versuchen?“ Und der sonst so zurückhaltende Sportdirektor Michael Zorc sagte im ZDF: „Wir biegen jetzt ins letzte Viertel der Saison ein. Und wir haben für uns klar definiert, dass wir alles tun werden, um Deutscher Meister zu werden.“