Nach der verpassten Olympia-Qualifikation: Doppelter Wendepunkt im deutschen Volleyball
Im deutschen Volleyball steht nach der verpassten Olympia-Qualifikation eine Zäsur auf nahezu allen Ebenen an. Darin liegt aber auch eine Chance.
Berlin - Als es in der Max-Schmeling-Halle goldenes Konfetti regnete, waren die deutschen Volleyballer weit weg. Sie hatten sich am Sonntagabend für ein letztes gemeinsames Mannschaftsessen verabredet. Und während es dort verständlicherweise sehr ruhig zuging, feierten die Russen mit zwei brasilianischen Sambatänzerinnen ihren Sieg beim Olympia-Qualifikationsturnier in Berlin. Der Olympiasieger darf nach Rio de Janeiro fahren, der Zweitplatzierte Frankreich und der Dritte Polen dürfen bei einem weiteren Turnier noch um ihr Olympia-Ticket spielen. Doch für die viertplatzierten Deutschen ist der Traum von Rio geplatzt.
Noch lange haderten Spieler, Trainer und Funktionäre mit der knappen 2:3-Niederlage nach einer starken Leistung gegen den Weltmeister Polen im Spiel um Platz drei. Denn die verpasste Olympia-Qualifikation trifft den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) extrem hart – und das auf zahlreichen Ebenen. Weil auch die Frauen nicht in Rio dabei sein werden, ist erstmals seit 1992 keine deutsche Volleyball-Mannschaft bei Olympia vertreten. „Das ist für uns nicht einfach, was die Zukunft unserer Sportart in Deutschland betrifft“, sagte DVV-Präsident Thomas Krohne. „Uns fehlt jetzt die Plattform in Rio, wo wir uns präsentieren können. “ Aber das ist noch lange nicht alles.
Besonders im Männer-Team steht eine große Zäsur an. Der Star Georg Grozer wird zwei Jahre pausieren. Ob der Diagonalangreifer dann im Alter von 33 noch einmal zurückkehren wird, erscheint unwahrscheinlich. Bei anderen Leistungsträgern wie dem verletzten Kapitän Jochen Schöps, Sebastian Schwarz und Marcus Böhme, die bereits 30 oder älter sind, ist ebenfalls schwer abzuschätzen, wie lange sie der Nationalmannschaft noch erhalten bleiben. Auch der Berliner Robert Kromm war ohnehin nur für die Olympia-Qualifikation zurückgekehrt, verletzte sich dann aber kurz vor Turnierbeginn.
Das größte Fragezeichen steht allerdings hinter dem Bundestrainer. Vital Heynens Vertrag endet im Sommer. Dass er mit einigen Dingen im DVV nicht zufrieden ist, verhehlt er nicht. So hatte der Verband das Nationalteam ursprünglich nicht für die Weltliga angemeldet, aus finanziellen Gründen. Dabei ist das Turnier für Weltranglistenpunkte immens wichtig. Der DVV holte das zwar noch nach, Heynen und sein Team waren über das Vorgehen jedoch sehr verärgert. Krohne betonte zwar, der Verband wolle Heynen unbedingt halten, schließlich sei er einer der besten Trainer der Welt. Doch der Belgier, der bereits am Montag bei seinem französischen Klub Tours wieder ein Training leitete, sagte zu seiner Zukunft nur: „Ich muss ein Projekt finden, in dem ich mich zu Hause fühle.“ Die Zeichen stehen also deutlich auf Abschied. Bei den Frauen muss auf jeden Fall ein neuer Bundestrainer gefunden werden.
So schwer das Olympia-Aus für die deutschen Volleyballer wiegt, das Qualifikationsturnier in Berlin könnte dennoch ein Wendepunkt für die Sportart hierzulande sein. „Wir haben doch gezeigt, dass Volleyball ein gutes Produkt ist. Ein Produkt, das man sehr gut präsentieren kann und das angenommen wird“, sagt Kaweh Niroomand. Der Manager der BR Volleys war in den vergangenen Tagen in der Max-Schmeling-Halle und sieht den großen Zuschauerzuspruch sowie die mitreißende Stimmung als Zeichen dafür, dass es sich lohnt, den Volleyball-Sport auf diesem Weg weiter voranzubringen. „Denn ein Erfolg der Nationalmannschaft hätte vieles übertüncht“, betont er.
Baustellen gibt es für den DVV und die Bundesliga genug. So müsse laut Niroomand die Attraktivität der Liga weiter gesteigert werden. „Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit im Fernsehen – dann wird es auch leichter, mehr Sponsorengeld zu erhalten“, sagt der 63-Jährige. Nur wenn dieser Kreislauf stärker in Gang gesetzt werde, würden die Chancen für Vereine wie die BR Volleys steigen, auch mehr deutsche Nationalspieler zu verpflichten. Denn die Besten gehen verlässlich schnell ins Ausland, weil sie dort mehr verdienen können, weil aber auch das Niveau in Ligen wie Polen oder Italien höher ist. Bei diesen Argumenten können die Berliner nicht mithalten, die sich etwa schon seit langem um den überragenden Außenangreifer Denis Kaliberda bemühen. Der 25-Jährige, der seine Karriere beim SCC Berlin begann, würde den Volleys mehr Strahlkraft verleihen.
So fordert Niroomand zum einen etwas Erwartbares, mehr Nachwuchsförderung, aber auch Überraschendes: stärkere Konkurrenz für die Volleys. „Wenn es vier oder fünf Topteams gibt, die den Titel unter sich ausmachen, wird es natürlich viel spannender“, sagt er. Dann wäre die Bundesliga für Spieler wie Kaliberda wieder interessanter – und davon würde auch die Nationalmannschaft profitieren.
Bis dahin gibt es tatsächlich noch allerhand zu tun im deutschen Volleyball. Andererseits ist das Ziel doch sehr verlockend, dann beim nächsten Großereignis im Konfettiregen zu stehen.