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Körper und Geist im Gleichschritt. Die frühere Sprint-Weltmeisterin Kelli White dopte sich neben Muskelaufbaupräparaten auch mit dem Konzentrationsbooster Modafinil.
© dpa

Medikamente im Sport: Doping fürs Gehirn

Pillen für die Konzentration sind schon jetzt bei Studenten beliebt. Doch das Neuro-Enhancement könnte den Kampf gegen Doping im Sport infrage stellen.

Berlin - Doping im Leistungssport – ein Klacks verglichen mit dem, was auf die Gesellschaft zuzurollen scheint. Was wären schon Tausend gedopte Radprofis gegen Millionen von Schülern, Studenten, Berufstätigen, die sich mit Pillen durch Prüfungen und Arbeitsalltag helfen? Schon jetzt soll sich jeder fünfte Student in den USA Medikamente einwerfen, die eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit versprechen. Unter den geflügelten Wörtern Gehirndoping und Neuro-Enhancement ist diese Art der Leistungssteigerung zu einem Trend geworden.

Auch im Sport spielen solche Mittel mit. Ihre Wirkung bei Gesunden ist nicht bewiesen, die Nebenwirkungen sind unsicher. Dennoch erhoffen sich Sportler wie Studenten von diesen verschreibungspflichtigen Substanzen den entscheidenden Konzentrationskick im Wettkampf, auch wenn sie auf der Dopingliste stehen und leicht nachweisbar sind. Zu Prominenz hat ihnen die amerikanische Sprinterin Kelli White verholfen, die 2004 mit Modafinil erwischt worden war. Auch Amphetamin gehört zu dieser Gruppe der im Sport verbotenen Stimulanzien, ebenso das Medikament Ritalin, das Kindern und Jugendlichen mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ADHS verschrieben wird. Gerade das macht es auch so schwierig, die Dimension des Problems einzugrenzen.

Viele junge Sportler, die eine solche Substanz nehmen, haben dafür eine Ausnahmegenehmigung einer Antidopingagentur. Und regelmäßig fliegen Sportler auf, die angeben, an ADHS zu leiden und nur vergessen hätten, die Genehmigung zu beantragen. Bei Berlins Basketballklub Alba war das 2005 der Amerikaner Michael Wright. In Deutschland fielen häufig Amerikaner auf, deren Klubs nicht für diese Thematik sensibilisiert seien, berichtet Marlene Klein, die bei der Nationalen Antidopingagentur die medizinische Abteilung leitet. „Dieses Phänomen sehen wir eher vor einem kulturellen Hintergrund.“

Das gesellschaftliche Phänomen Neuro-Enhancement stellt den Sport allerdings auch vor eine grundsätzliche Frage: Kann Doping falsch sein, Hirndoping aber richtig? Darüber wurde gerade an der Humboldt-Universität bei der Tagung „Gesellschaftliche Wirklichkeit des Sports“ diskutiert. Christoph Asmuth vom Institut für Philosophie der Technischen Universität Berlin sagte: „Wer Enhancement befürwortet, zerstört die Argumente derjenigen, die Doping ächten. Denn mit ihren Argumenten müssten sie Doping eigentlich freigeben.“ Einige dieser Argumente hatten Ende 2009 sieben Wissenschaftler in einem provokanten Papier aufgezählt: Jeder Mensch habe das Recht, über seinen Körper und seine Psyche frei zu bestimmen, Enhancement könne soziale Unterschiede ausgleichen und überhaupt seien Einwände gegen eine Verbesserung von Gehirn und Psyche schwer zu finden.

Für den Sport könnte das Folgen haben. Zum Beispiel, dass die Rechtfertigung für eine konsequente Bekämpfung des Dopings wackliger wird. Dabei wäre der Sport gerade jetzt auf eine neue Offensive angewiesen. „Sechs Millionen Euro gibt die Welt-Antidopingagentur an Entwicklungskosten für Dopingnachweise aus“, sagte Perikles Simon, Sportmediziner an der Universität Mainz, und amüsierte sich köstlich über die für diesen Zweck geringe Summe. „Man muss Dopingnachweise ständig verfeinern und zwar nicht alle paar Jahre, sondern alle Monate.“ Sonst werde sich nichts ändern.

Gerhard Treutlein, der seit Jahren in der Dopingprävention forscht, sagte: „Der Sport ist dem Neuro-Enhancement 50 bis 100 Jahre voraus.“ All die Entwicklungen, die der Sport mitgemacht hätte, bis hin zu Todesfällen durch Doping, werde es auch im Neuro-Enhancement geben. „Es kann auch sein, dass sich autoritäre Regime irgendwann solcher Mittel bedienen.“ Die Debatte über Pillen für Gehirn und Psyche könne jedenfalls vom Sport vor allem eines lernen: „Dass man Leuten nicht glauben darf, die von leistungssteigernden Mitteln ohne Nebenwirkungen erzählen.“

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