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Mark Pieth, 62, hier rechts neben Fifa-Präsident Joseph Blatter, ist Strafrechtsprofessor und weltweit anerkannter Korruptionsbekämpfer. Der Schweizer war im Jahr 2011 von der Fifa beauftragt worden, den Weltverband zu reformieren.
© picture alliance / dpa

Fifa-Präsident Sepp Blatter in der Kritik: „Diese Wahl ist eine Scheinwahl“

Mark Pieth ist Korruptionsbekämpfer und er sollte die Fifa reformieren. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über die menschlichen Seiten von Sepp Blatter und das Versagen von Coca-Cola - und der Uefa.

Herr Pieth, am kommenden Freitag könnte der 79 Jahre alte Joseph Blatter zum fünften Mal zum Fifa-Präsidenten gewählt werden. Wie finden Sie das?

Das ist schade.

Was halten Sie von dem einzigen verbliebenen Gegenkandidaten, dem jordanischen Prinzen Ali bin al-Hussein?
Ach, Ali bin al-Hussein hat nicht einmal die asiatischen Verbandsmitglieder auf seiner Seite. Er hat natürlich keine Chance gegen Blatter.

Waren Michael van Praag und Luis Figo, die ihre Kandidatur zurückzogen, zu naiv?
Das weiß ich nicht. Michael van Praag ist ein mutiger Mann, aber er hatte halt nie die erforderliche Rückendeckung. Und Luis Figo ist eine interessante Figur, aber leider ohne jeglichen sportpolitischen Hintergrund. Speziell die Uefa hat in dieser Hinsicht keine „Bella Figura“ gemacht; einen ernsthaften Rivalen für Blatter hat sie nicht ins Rennen geschickt. Diese Wahl ist eine Scheinwahl.

Hatten Sie in Ihrer Funktion als Leiter des unabhängigen Reformgremiums Blatter von einer fünften Amtszeit nicht abgeraten?
Doch, das haben wir getan. Wir haben Blatter gesagt, dass wir eine erneute Kandidatur von ihm für keine gute Idee halten. Er hat sich das angehört. Mehr nicht. Wissen Sie, der Mann kann vieles wegstecken. Aber das Problem war ja ein anderes.

Welches?
Die Uefa war mit gewissen Reformvorschlägen nicht einverstanden. So waren es die europäischen Verbandschefs im Fifa-Exekutivkomitee, die einstimmig gegen eine Amtszeitbeschränkung im Exko votierten. Und dass Blatter nicht als Einziger des Vorstandes eine Amtszeitbeschränkung aufgebrummt haben wollte, das konnte sogar ich verstehen.

Die europäischen Verbandschefs kleben offenbar selbst an ihrem Stuhl im Fifa-Exekutivkomitee. Dabei pochen gerade die Funktionäre aus Europa und besonders aus Deutschland auf Reformen in der Fifa.
Ja, und die Amtszeitbeschränkung war nicht der einzige strittige Punkt. Auch die Integritätsprüfung der Vorstandmitglieder bekamen wir nicht durch, hier gab es ebenfalls Vorbehalte – wieder aus Europa. Ich vermute, dass die Europäer befürchteten, dass Blatter einige von ihnen mittels der Integritätsprüfung entfernen wollte.

Die Kritik an der Fifa entzündet sich seit vielen Jahren an Blatter. In den Stadien wird er ausgepfiffen. Für die meisten Fußballfans personifiziert er all das Schlechte im Fußball. Warum tut er sich das überhaupt noch an?
Joseph Blatter ist sehr auf Macht konzentriert. Das ist es, was ihn antreibt. Doch der Job als Fifa-Präsident ist nicht mehr leicht für ihn.

Wie meinen Sie das?
Blatter ist 79 Jahre alt. Ich habe gemerkt, dass ihn die öffentlichen Auftritte anstrengen. Dabei ist er nicht der verbiesterte Mensch, als der er manchmal rüberkommt.

Sondern?
Blatter kann gesellig und lustig sein, ich habe seine menschliche Seite erlebt – auch wenn sein Humor nicht mehr ganz taufrisch ist.

Blatter ist immer noch Präsident, und der Staatsanwalt Michael Garcia, der die Korruption im Verband aufdecken sollte, ist im Dezember 2014 zurückgetreten. Er war der Ansicht, dass der deutsche Richter Joachim Eckert seine Ermittlungsergebnisse nicht entsprechend vollstreckte. Wie würden Sie Ihre Reformbemühungen bei der Fifa in der Rückschau bewerten?
Wir haben vieles auf den Weg gebracht, manches leider nicht. Was Garcia und Eckert angeht: Das war auch ein kulturelles Problem. Ein sehr politisch denkender Jurist aus den USA traf da auf einen sehr formellen, sehr korrekten deutschen Richter. Die im Garcia-Bericht beschuldigten Personen sind nicht angehört worden. Strafen auf der Grundlage des Berichts wären vermutlich anfechtbar gewesen.

Die strittigen WM-Vergaben nach Russland und vor allem nach Katar wären bei einer korrekten Anklageschrift neu verhandelt worden?
Nach allem, was mir zugetragen worden ist, war vieles im Garcia-Bericht nicht spruchreif. Es hätten bei einer Neuvergabe Katars immense Schadensersatzzahlungen auf die Fifa zukommen können. Und ich spreche hier von mehreren Milliarden Euro.

Apropos Milliarden. Was ist mit den Sponsoren des Weltverbandes? Die schreiben sich ja eine korrekte Unternehmensführung auf die Fahnen. Warum unterstützen weltweit agierende Konzerne wie Coca-Cola die skandalträchtige Fifa?
Weil die Fifa zu groß und zu wichtig ist. Bei einzelnen Personen, bei einem Dopingfall im Sport zum Beispiel, reagieren die Sponsoren sofort. Doch diese Sanktionierung durch Sponsoren findet bei der Fifa nicht statt. Ich hatte diesbezüglich mit ranghohen Vertretern von Fifa-Sponsoren mehrere Gespräche.

Und was ist dabei herausgekommen?
Natürlich haben auch sie die Problematik erkannt. Das war’s dann aber oft auch schon. Wirklich Druck machen die Sponsoren nicht. Und das beste Beispiel ist Coca-Cola. Da ist tote Hose.

Dann bleibt alles beim Alten bei der Fifa?
Nein, wir haben schon Strukturen geschaffen, die dem Weltverband ein neues Gesicht geben werden. Man darf hier nicht immer nur in Monaten denken, sondern in Jahren. Ich stimme allerdings in einem zu: Einen Kulturumschwung haben wir, blickt man auf die gegenwärtige Fifa, noch nicht erreicht.

Wie ist der möglich?
Erst einmal muss ein neuer Präsident her.

Das Gespräch führte Martin Einsiedler.

Martin Einsiedler

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