Bundestrainer Joachim Löw mahnt zum Wandel: "Die Welt erlebt einen kollektiven Burnout"
Für Bundestrainer Joachim Löw liegt in der Coronavirus-Krise auch eine Chance für den Fußball. Die Nationalmannschaft spendet 2,5 Millionen Euro.
Joachim Löw hielt eine lange Rede, ob es für ihn nun gut oder schlecht sei, dass die Fußball-Europameisterschaft um ein Jahr verschoben worden ist. Er wog Für und Wider gegeneinander ab – und kam dann zu der Erkenntnis: „Das ist im Moment auch nicht wichtig.“
Wenn man die knapp einstündige Video-Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit seinem Präsidenten Fritz Keller, mit Oliver Bierhoff, dem Manager der Nationalmannschaft, und Bundestrainer Joachim Löw auf eine zentrale Botschaft verkürzen wollte, dann wäre es genau diese: In Zeiten der Coronavirus-Krise ist der Fußball nicht wichtig.
Noch vor wenigen Tagen hat der Fußball ein anderes Bild vermittelt und seinem natürlichen Drang nachgegeben, die eigene Bedeutung zu überhöhen. Am Mittwochnachmittag aber bemühte sich der DFB um eine andere Perspektive. „Jetzt sind Solidarität und Verzicht gefragt“, sagte Keller. „Wir müssen jetzt alle solidarisch sein. Wir müssen uns an Regeln halten. Wir müssen Zeit gewinnen.“
Vor allem Bundestrainer Löw wählte eindringliche Worte. „Nichts ist mehr, wie es vorher war“, sagte er. „Die Welt erlebt einen kollektiven Burnout, als würde sie sich gegen den Menschen auflehnen.“ Machtgier und Profit, die Jagd nach immer neuen Rekorden hätten im Vordergrund gestanden, während uns Umweltkatastrophen wie die Waldbrände in Australien nur am Rande berührt hätten. Jetzt aber gebe es eine Katastrophe, von der die ganze Menschheit betroffen sei.
„Die Entwicklung hat uns alle ein bisschen überfahren“, sagte Löw. Vielleicht aber, so zumindest seine Hoffnung, führe dies dazu, dass alles mal etwas entschleunigt werde. „Jeder Einzelne muss beweisen, dass wir uns wandeln, dass wir auch anders können“, sagte der Bundestrainer. Löw forderte, „dass wir helfen, wo es geht. Das steht über dem Fußball.“
Löw und Bierhoff haben Gehaltsverzicht angeboten
Ganz konkret haben sich die Nationalspieler bereit erklärt, 2,5 Millionen Euro für wirhelfen.eu zu spenden, eine zentrale Plattform für alle Nachbarschaftshilfen bundesweit. „In einer Solidargemeinschaft ist es so, dass die Großen die Gemeinschaft unterstützen“, sagte Bierhoff. DFB-Präsident Keller berichtete, dass sowohl Bierhoff als auch Löw von sich aus einen Gehaltsverzicht angeboten hätten.
Die Corona-Pandemie wird den DFB auch finanziell treffen, trotz der Rücklagen, die der Verband laut Keller gebildet hat. „Wir können auf ein kleines, aber gutes Polster zurückgreifen“, sagte er. Dennoch kündigte Bierhoff an, „dass wir in einigen Bereichen abspecken müssen“. Das Projekt Zukunft, das die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs sichern soll, werde wohl noch einmal modifiziert werden müssen. Auch Kurzarbeit für die 500 Beschäftigen des Verbands hält Keller für möglich. Derzeit befinden sich fast alle DFB-Mitarbeiter im Homeoffice.
In einer Präsidiumssitzung hat der DFB beschlossen, seine Regional- und Landesverbände finanziell zu unterstützen, damit die Strukturen im deutschen Fußball von der Kreisliga bis zu den Profis über die Krise hinaus Bestand haben. Immerhin, so Fritz Keller, gehe es auch um 250.000 Arbeitsplätze bundesweit. Eine direkte finanzielle Hilfe für notleidende Vereine ist dem DFB allerdings durch seine Satzung nicht möglich. „Es heißt jetzt durchhalten und zusammenhalten“, sagte der DFB-Präsident. „Dann schaffen wir das.“