Fan-Randale in Stockholm: Die Vertrauensfrage beim 1. FC Union
Die Ausschreitungen beim Freundschaftsspiel des 1. FC Union in Stockholm zeigen: Auch der Vorzeige-Fanverein aus Köpenick hat Probleme mit gewaltbereiten Gruppierungen. War der Zweitligist im Umgang mit ihnen lange zu gutgläubig?
Das Auslaufen am Sonntag war beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Union fast so wie immer. Doch auch über dem Stadion An der Alten Försterei schwebte der Makel der Ausschreitungen während des Testspiels am Sonnabend beim schwedischen Erstligisten Djurgardens IF (DIF). Die Partie vor 8000 Zuschauern musste nach 73 Minuten beim Stand von 1:1 wegen andauernder Ausschreitungen beider Fanlager abgebrochen werden. Auch Teile der sonst so oft für ihre Kreativität gelobten Berliner Fans hatten sich kräftig daneben benommen. Sie hatten die Einlasskontrollen überrannt und schon vor dem Anpfiff den leeren Platz gestürmt, weil im Bereich des DIF-Blocks ein Transparent von Unions DDR-Uralt- Rivalen BFC Dynamo gezeigt worden war.
Im Verlauf der mit 40 Minuten Verspätung angepfiffenen Partie in Stockholm, die eigentlich ein Höhepunkt im Leben aller 1000 mitgereisten Union-Fans sein sollte, zündeten die Gäste in der geschlossenen Arena kräftig Feuerwerk. In puncto Platzsturm und Pyrotechnik waren auch die DIF-Anhänger gleichwertig. „Was dort passiert ist, ist eine Katastrophe. Das hat mit Fußball nichts zu tun, und ich hoffe, dass es den beiden Vereinen gelingt, die Täter zu ermitteln“, sagte Unions Kapitän Torsten Mattuschka am Tag nach dem größten Imageschaden für den Verein in den vergangenen Jahren. „Es tut mir sehr leid für die vielen friedlichen Fans, die sich so auf das Spiel gefreut haben und viel Geld ausgegeben haben, um uns nach Stockholm zu begleiten.“ Über die sportliche Seite des Spiels nach diesen Ereignissen noch zu sprechen, sei leider sinnlos, erklärte der Mittelfeldspieler.
Unions Fanszene droht nun die Spaltung. „Wir sind Unioner – und ihr nicht“, riefen die friedlichen Unioner in Stockholm den Platzstürmern und Zündlern zu. Selbst führende Köpfe der Ultras sind ratlos, wie es dazu kommen konnte. Viele Anhänger befürchten, dass es nie wieder ein derartiges Event im Ausland geben wird. Drei Ultras waren am Sonntag extra ins Stadion an der Alten Försterei gekommen, um sich für das Fehlverhalten etlicher anderer Fans in Stockholm zu entschuldigen. Sie sprachen beispielsweise mit Ersatzkeeper Jan Glinker, den fast ein Feuerwerkskörper aus dem Union-Block getroffen hätte. Glinker hatte deshalb in Richtung Gästebereich einen Vogel gezeigt. Am Sonntag nahm der langjährige Union-Schlussmann die Entschuldigung der Fanvertreter an, die auch noch mit Nico Schäfer reden wollten. Der Sport-Geschäftsführer hatte den Trip nach Stockholm organisiert. Aber selbst die Ultras, von denen einige den Platzsturm der Chaoten verhindern wollten, wirkten einigermaßen ratlos. Mit dem Feuerwerk hatten sie aber sehr wohl gerechnet.
Unions Vereinsführung hatte sich in den vergangenen Jahren immer für seine Fans starkgemacht, auch in puncto Pyrotechnik gegenüber Deutscher Fußball-Liga (DFL) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) Flagge gezeigt. Die Vereinsspitze um Präsident Dirk Zingler traf sich regelmäßig mit den Gremien der verschiedenen Fangruppen. Nun zeigt sich, dass das Vertrauen vielleicht zu groß war.
Das Prinzip Laissez-Faire ist jedenfalls vorerst gescheitert. Nicht nur, weil die Verhandlungsposition gegenüber den Verbänden nach den Vorfällen noch schwerer wird. Union muss seine Arbeit mit den Fans grundsätzlich überdenken. Der Verein dürfte schnell reagieren, um gerade angesichts des Zweitliga-Heimspiels gegen Dynamo Dresden am 8. Februar ein Zeichen zu setzen. „Wir verurteilen dieses Verhalten in aller Deutlichkeit! Sollten Straftäter ermittelt werden können, werden wir sie unseren Möglichkeiten entsprechend zur Verantwortung ziehen“, sagte Unions Präsident Zingler.
Im kürzlich zu Ende gegangenen Trainingslager in Spanien hatten Mannschaft und Anhänger noch im selben Hotel geschlafen. Möglicherweise wird Union in Zukunft weniger Fannähe zeigen.