Vuelta España: Die ungeliebte Dritte
Die Vuelta hat für viele Radprofis nicht die Strahlkraft wie die Tour oder der Giro. Jetzt kommt auch noch die Deutschland-Tour hinzu.
Die Vuelta España schlägt zuweilen große Bögen. Ein paar Steinwürfe nur entfernt von der legendären Altamirahöhle mit den steinzeitlichen Malereien von Büffeln, Hirschen und Wildschweinen nahmen am Dienstag die großen Teambusse Aufstellung. Die Fahrer selbst verschwendeten wenige Gedanken an das Weltkulturerbe zu ihren Füßen. Sie fuhren sich ein, bereiteten die von der Sonne ohnehin schon gut durchgewärmte Muskulatur auf das 32 Kilometer lange Zeitfahren der 16. Etappe vor. Der Brite Simon Yates konnte seinen Vorsprung in der Gesamtwertung dabei auf 33 Sekunden ausbauen. Bester deutscher Starter war als Neunter der Berliner Simon Geschke.
Als Protagonisten der Spanien-Rundfahrt 2018 kristallisierten sich in den ersten zwei Wochen neben Yates die beiden Kolumbianer Nairo Quintana und Miguel Angel Lopez heraus. Die drei lieferten sich packende Bergduelle. Das bessere Ende hatte meist Yates für sich. Er könnte nach dem Giro-Sieg von Chris Froome und dem Tour-Triumph von Geraint Thomas bei einem Vuelta-Erfolg den britischen Grand-Tour-Hattrick perfekt machen. „Ich habe hier noch nicht gewonnen“, sagt Yates. „Aber ja, das britische Bahnprogramm legt schon großartige Grundlagen.“
Trotz des großartigen Sports und spektakulärer Auftrittsorte wie der Altamirahöhle kommt die Vuelta aus ihrem Wahrnehmungsloch aber nicht heraus. 1935 das erste Mal ausgetragen, fehlt ihr die mythische Grundlage, die Tour de France und Giro d’Italia mit ihren Debüts noch vor dem ersten Weltkrieg aufbauen konnten. Die Vuelta verpasste es auch, sich zum TV-Ereignis zu entwickeln. Das war ab den 1970er Jahren der Wachstumsfaktor der Tour schlechthin. Die geografische Lage der iberischen Halbinsel schränkte die Möglichkeit für Auslandsstarts ein; dies war das Mittel, mit dem der Giro seine Renaissance einleitete.
Zudem wurde die Vuelta im Rennkalender des Weltverbands mehrfach herumgeschoben: vom April in den 1930er Jahren auf den Juni in den 1940ern, dann wieder zurück in den April und ab 1995 in den September. Vom Warmfahr-Rennen für den Giro transformierte sich die Vuelta zum Tour-Aufgalopp und ist jetzt Wiedergutmachungsrennen all derer, die in der Saison nicht recht zum Zuge kamen.
Das bringt Prominenz in den Startlisten. Weiterer Pluspunkt ist der Termin kurz vor der WM. Wer dort fit sein will, nimmt gern ein paar Vuelta-Etappen als verschärftes Training mit. Nur selten haben diese Stars aber Lust, das Rennen komplett durchzufahren. In diesem Jahr sind der Italiener Vincenzo Nibali und der Australier Richie Porte erste Aussteigekandidaten. Emanuel Buchmann, designierter Kapitän des deutschen WM-Aufgebots, will hingegen durchfahren. Er peilt einen Platz unter den Top Ten an – was ein nächster Entwicklungsschritt für den Rundfahrer vom Bodensee wäre.
Perspektivisch könnte auch die Deutschland-Tour eine Herauforderung für die Vuelta darstellen. Sie startete in diesem Jahr zum gleichen Zeitpunkt wie das Rennen in Spanien. Und der Zuspruch an der Strecke war wesentlich größer als der im recht dünn besiedelten Spanien. „Es war gut, wieder in Deutschland Rennen zu fahren. Die Stimmung war auch fantastisch“, sagt Mark Ellegard, Sprecher des Quick-Step-Rennstalls. Der Berliner Quick-Step-Profi Maximilian Schachmann hatte dem Rennen lange den Stempel aufgedrückt. Ellegard fügt aber auch an: „Für uns ist jedes Rennen wichtig.“
Eine Aufwertung der Deutschland- Tour, die der Vuelta gefährlich werden könnte, wird für die nahe Zukunft nicht einmal von den Organisatoren geplant. „Für das nächste Jahr melden wir erneut vier Tage an. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben, es wird aber im gleichen Zeitraum sein“, sagte Sandra Schmitz. Schmitz arbeitet für die Aso. Die richtet Deutschland-Tour, Tour de France und auch die Vuelta aus. Rivalitäten will man da vermeiden.
Deshalb ist wohl maximal eine Erweiterung auf acht oder neun Renntage denkbar. Das Rennen nördlich der Alpen bringt südlich der Pyrenäen also niemanden um den Schlaf. Und die Büffel von Altamira interessiert das alles sowieso nicht.