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Der Patron. Clemens Tönnies profitierte auch von seinem Einfluss auf den Schalker Ehrenrat.
© Friso Gentsch/dpa
Update

Klubchef Clemens Tönnies entlastet: Die seltsame Rolle des Schalker Ehrenrates

Schalkes Klubchef erfährt nach seinen rassistischen Äußerungen die Milde des Ehrenrates. Einigkeit herrschte bei der Entscheidung aber nicht.

Clemens Tönnies wusste vermutlich, was auf ihn zukommt. Deshalb ist die Entscheidung des Ehrenrates des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 womöglich für ihn keine Überraschung, für den Rest der Fußballrepublik schon: Clemens Tönnies wird nach seinen rassistischen Äußerungen in der vergangenen Woche nicht suspendiert, sondern lässt sein Amt lediglich für drei Monate ruhen. Der Aufsichtsratschef des Bundesligisten wurde sogar vom erhobenen Vorwurf des Rassismus freigesprochen. Tönnies, der beim Tag des Handwerks in Paderborn Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert hatte und lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren ließe: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“, hatte er gesagt.

Der 63 Jahre alte Fleischfabrikant habe lediglich „gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen“, teilte der Verein zum Fall Tönnies in der Nacht zu Mittwoch mit. Sein Bedauern reichte dem Ehrenrat, dieser „begrüßt die Haltung von Clemens Tönnies“ sogar in seiner Erklärung. Somit darf er im November wie gewohnt weitermachen. Zugute kam ihm dabei wohl, dass er selbst auf den Ehrenrat zukam und seine Enthebung – zumindest auf Dauer – anbot.

In einer eigenen Erklärung ließ Tönnies am Mittwoch mitteilen: „Bei aller Emotionalität und Aufgeregtheit der letzten Tage lassen wir den Ruf des Vereins nicht auf eine diskriminierende Aussage reduzieren. Es kommt jetzt darauf an, dass sich Mitglieder, Fans und Verantwortliche auf das Wesentliche, den Verein, besinnen. Dabei spielt Zusammenhalt eine ganz wichtige Rolle.“ Zumindest der Ehrenrat – der so genannten „Ethik-Kommission“ des Klubs – hatte in der Nacht zuvor aber offenbar vor einer Zerreißprobe gestanden.

Neben dem Bochumer Universitätsprofessor und ehemaligen Tönnies-Anwalt Klaus Bernsmann, dem Pfarrer Hans-Joachim Dohm und dem Steuerberater Bernhard Terhorst gehören auch Richterin Kornelia Toporzysek und Richter Götz Bock dem Schalker Ehrenrat an. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hätte Tönnies während der Anhörung wohl beinahe selbst hingeschmissen. Vor allem Toporzysek soll seine jüngsten Entgleisungen „sehr scharf kritisiert“ haben und auch ihr Kollege Bock sei sehr grundsätzlich geworden. Erst Terhorst soll dem Bericht zufolge zur Besonnenheit aufgerufen haben. Ansonsten wäre es womöglich nicht zu dem bekannten Ergebnis gekommen. So aber wird Clemens Tönnies bald wieder die Geschäfte führen wie zuvor.

Tönnies kam seiner Amtsenthebung zuvor

Alle Ehrenratsmitglieder sind, wie es die Statuen vorschreiben, mindestens seit fünf Jahren im Verein. Ende Juni wurden sie auf der Mitgliederversammlung in ihr Amt gewählt. Zu ihren Aufgaben gehören seitdem die Überprüfung von Vereinsausschlüssen, wenn Streitigkeiten zwischen Mitgliedern oder einem Mitglied und dem Verein vorliegen. Zudem soll der Ehrenrat – wie im Fall Tönnies – eingreifen, „wenn ihm grob unsportliches oder vereinsschädigendes Verhalten von Mitgliedern“ bekannt wird. Laut Vereinssatzung von Schalke 04 handelt es sich dabei um „rassistische, verfassungs- und fremdenfeindliche Bestrebungen sowie diskriminierende oder menschenverachtende Verhaltensweisen gegenüber anderen Menschen, insbesondere auf Grund ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit“.

Schon einmal hatte Schalkes Ehrenrat für Aufsehen gesorgt. In einem Fall aus dem Jahr 2016 hatte ein Aufsichtsratsmitglied den Vorsitzenden Tönnies dazu aufgefordert, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen – und ihm einen geordneten Rückzug aus dem Gremium angeboten. Es war einer von mehreren Versuchen, den polarisierenden Vereinschef zu stürzen. Tönnies reagierte erbost und leitete ein Ehrenratsverfahren ein. Dieser stand, anders als heute, noch ohne Richter dar – und beschloss die Suspendierung des Aufsichtsratsmitglieds wegen „versuchter Täuschung“. Das Aufsichtsratsmitglied sollte nicht zulässige Absprachen mit dem Wahlausschuss getätigt haben. Doch das Landgericht Essen kassierte das Urteil und warf dem Ehrenrat vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Klaus Bernsmann, damals wie heute Ehrenratsmitglied, teilte daraufhin auf der Mitgliederversammlung mit, dass er von dem Urteil deshalb nichts halte, da es von einem einzigen Richter gesprochen wurde – im Ehrenrat aber fünf Personen säßen. Zwar wurde das Verfahren letztlich eingestellt und Schalke 04 aufgrund eines Formfehlers recht gegeben. Doch gerade diese eine Äußerung Bernsmanns sagt viel darüber aus, wie es offenbar um das Selbstverständnis des Gremiums bestellt ist.

Neben der „Enthebung aus Vereinsämtern auf Zeit und Dauer“, die Tönnies selbst angeboten hatte, hätte der Ehrenrat im aktuellen Fall auch durchaus einen Vereinsausschluss als mögliche und für nicht wenige auch unerlässliche Konsequenz in Betracht ziehen können. Dieser ist dann notwendig, wenn ein schwerer Verstoß gegen die Vereinssatzung oder grob vereinsschädigendes oder unehrenhaftes Verhalten innerhalb oder außerhalb des Vereins, „insbesondere bei Kundgabe rassistischer oder ausländerfeindlicher Gesinnung“ vorliegt. Warum jene Punkte im konkreten Fall nicht zutreffen, bleibt wohl das Geheimnis des Ehrenrates.

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