Hamburger SV: Die Sehnsucht nach Stetigkeit
Vor dem DFB-Pokalspiel gegen den FC Bayern München hat der Hamburger SV den Vertrag den neuen Cheftrainer Josef „Joe“ Zinnbauer nun auch monetär befördert - mit der Hoffnung darauf, eine langfristige Lösung auf der Trainerbank gefunden zu haben.
Beinahe wäre Josef „Joe“ Zinnbauer bei den großen Aufräumarbeiten beim Hamburger SV im Sommer über Bord gegangen. „Als Oliver weg war, habe ich mich schon gefragt, ob ich noch gewollt bin“, sagt Zinnbauer. Oliver Kreuzer hatte ihn als Trainer der U 23 für die neue Saison geholt. Als der Sportchef dann am 14. Juli entlassen wurde, hatte Zinnbauer seinen einzigen Fürsprecher verloren – dachte er. Wie er in seinen sechs Wochen im Job allerdings den großen Umbruch der zweiten HSV-Mannschaft moderierte (14 Spieler gingen, 15 neue kamen), gefiel seinem damaligen Vorgesetzten, dem Nachwuchskoordinator Michael Schröder. Der ehemalige HSV-Profi lobte Zinnbauer, als ihn die neuen Granden Dietmar Beiersdorfer und Bernhard Peters um eine Einschätzung baten. So durfte Zinnbauer in Hamburg weitermachen und führte die Nachwuchsmannschaft in der Regionalliga Nord zu acht Siegen in acht Spielen.
Ohne diesen Start und diese Empfehlung wäre es Vorstandschef Beiersdorfer nie eingefallen, Zinnbauer zu befördern. Inzwischen ist dessen ehemalige Mannschaft Herbstmeister – nach einem 10:1-Sieg bei FT Braunschweig. Für die Profis sieht es nach einem Zwischenhoch wieder ein bisschen düsterer aus. Trotzdem beförderte Beiersdorfer den 44 Jahre alten Cheftrainer nun auch monetär. Anfang der Woche stattete er ihn mit einem Profivertrag aus. Er läuft bis 2016 und wird Zinnbauer deutlich mehr einbringen als die bisherigen 100.000 Euro Jahresgehalt. „Es ist ein schönes Zeichen der Vereinsführung, dass sie sagt, wir stehen gerade jetzt zum Trainer“, sagte Zinnbauer. „Ich freue mich, dass es geklappt hat, aber es war nicht die Priorität A.“
Die Zeiten ewiger Trainerwechsel beim Hamburger SV sollen der Vergangenheit angehören
Dass man zwei Tage vor der Pokalpartie gegen den FC Bayern München an diesem Mittwoch (20.30 Uhr, live in der ARD) trotz der 0:3-Niederlage in Berlin zu diesem Schritt bereit war, zeigt die große Sehnsucht des HSV nach Stetigkeit. Die Zeiten ewiger Trainerwechsel sollen der Vergangenheit angehören. Der Umstand beweist auch, dass Beiersdorfer und der neue Sportchef Peter Knäbel einiges von Zinnbauer halten, obwohl seine Bilanz mit fünf Punkten aus sechs Spielen mager ausfällt. „Die Mannschaft spielt jetzt couragierter und engagierter“, hatte Beiersdorfer gelobt. Allerdings wirkt es auch so, als genügten in Hamburg schon diese Basiseigenschaften für den nächsten Karriereschritt.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Zinnbauer ist ein Trainer, der sehr gut einstellen und motivieren kann. Er tritt uneitel auf, als Teil des Teams – das unterscheidet ihn deutlich von seinem Vorgänger Mirko Slomka. Er spricht die Sprache der Spieler. Wie er mit Krisen umgeht, worin seine taktische Befähigung liegt, ob er das Spiel bis in jede Verästelung durchschaut – all das ist derzeit schwer zu sagen. Er durchlebt eine Findungsphase als Chefcoach, und das in einem so komplizierten Klub wie dem Hamburger SV. Da braucht man gute Nerven. Die sind Zinnbauer zuzutrauen.
An Fettnäpfen ist kein Mangel in Hamburg. Traut Zinnbauer sich, Stars auf die Bank zu setzen? Nach den Eindrücken von Berlin gehört Rafael van der Vaart dorthin. Lewis Holtby allerdings auch. Einer von beiden wird am Mittwoch aber spielen – vielleicht sogar beide. Beiersdorfer erwartet von Zinnbauer, dass er die Mannschaft stabilisiert, mit Rang zwölf wäre man in Hamburg schon zufrieden. Dass das mit nun folgenden Partien gegen Leverkusen und in Wolfsburg schwer wird, wissen alle im Klub. Bei den dunklen Aussichten, die der Spielplan offenbart, dürfte die Sicherheit der Beförderung ganz gut tun. Der Hamburger SV will mit Zinnbauer geduldig sein.
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