Tempomacher beim Berlin-Marathon: Die schnellsten Zeitarbeiter der Welt
Tempomacher helfen den Favoriten beim Berlin-Marathon bei der Jagd nach Rekorden – doch ist das auch gut?
Wie entlaufene Sträflinge werden sie in ihren gestreiften Trikots am Sonntag wieder aussehen. Die Tempomacher beim Berlin-Marathon sind gefangen in einem Zeitplan, den sie laufend erfüllen müssen. Sie rennen vor den Favoriten bis zu einer verabredeten Kilometermarke her, helfen ihnen durch ihr gleichmäßiges Tempo, im Rhythmus zu bleiben und vielleicht sogar eine Bestzeit zu laufen. Wenn am Ende in Berlin wieder ein Weltrekord gelaufen wird, werden sich aber nur wenige an ihren Beitrag erinnern. Solche Zeitarbeit ist ohnehin umstritten, nicht nur weil die Tempomacher in der Szene „Hasen“ genannt werden.
Der Chicago-Marathon, wie Berlin einer von sechs Läufen der Serie „World Marathon Majors“, hat sich entschieden, den Tempomachern den Laufpass zu geben. Bei der nächsten Auflage am 11. Oktober wird es keine Tempomacher mehr geben. Renndirektor Carey Pinkowski gibt als Begründung hehre Motive an: „Das Rennen zählt, nicht die Zeit. Ohne Hasen müssen sich die Läufer mehr konzentrieren. Dadurch werden die Zuschauer mehr Taktik, Strategie und Wettkampf im Rennen sehen.“
Zweifel am edlen Motiv
Ist das also wirklich eine gut gemeinte Befreiungsaktion, die auch den Berlin-Marathon unter Druck setzt? Der Berliner Renndirektor Mark Milde sagt: „Ich könnte mir vorstellen, dass sie das revidieren, wenn sie wieder Morgenluft wittern.“ Damit hat er schon erste Zweifel am edlen Motiv geäußert. Zwischen vielen Marathons auf der Welt besteht ein harter Wettbewerb darum, wo am schnellsten gelaufen werden kann. Und da ist Berlin schon seit einiger Zeit vorne. Seit 2003 hält Berlin den Weltrekord bei den Männern, in Chicago hatte zum letzten Mal 1999 bei den Männern Khalid Khannouchi eine Weltbestzeit aufgestellt. An Berlin ist Chicago zuletzt nicht mehr herangekommen. Mal hat das Wetter nicht mitgespielt, mal war die Spitzengruppe nicht gut zusammengesetzt. Und vielleicht ist die Strecke auch einfach nicht so schnell wie die auf den Straßen von Berlin.
Es wird jedenfalls in Berlin weiter Tempomacher geben. „Ob es ein hochklassiges Rennen war, hängt eben auch von der Zeit ab. Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern“, sagt Mark Milde. In Berlin waren die Tempomacher auch schon für manche Geschichte gut. Im Jahr 2000 sollte der Kenianer Simon Biwott eigentlich nur das Tempo vorgeben, lief dann aber das ganze Rennen durch – und gewann. Drei Jahre später begleitete der Kenianer Sammy Korir als Tempomacher den Favoriten Paul Tergat. Bei Kilometer 35 fragte Korirs Manager dann Mark Milde, ob er denn auch durchlaufen dürfe. Milde sagte ja und Korir kam nur eine Sekunde hinter Tergat ins Ziel.
50 000 Euro für alle Tempomacher
Die Tempomacher, oft jüngere Läufer mit Erfolgen auf kürzeren Strecken, sind eigentlich gut bezahlte Beinarbeiter. Die besten von ihnen, die auch bis Kilometer 30 durchhalten, bekommen schon mal 10 000 Euro. Für jeden weiteren Kilometer gibt es noch einmal 500 Euro, weil auch der Berlin-Marathon das Ziel hat, so lange wie möglich eine Spitzengruppe auf der Strecke zu halten und kein einsames Rennen zu veranstalten. Fällt am Ende ein Rekord, gibt es auch eine Prämie. Der Äthiopier Haile Gebrselassie etwa hat von seiner Weltrekordprämie den Tempomachern etwas abgegeben, manchmal übernimmt das auch der Veranstalter. Für alle Tempomacher zusammen gibt der Berlin-Marathon geschätzt 50 000 Euro aus. Nicht so furchtbar viel bei einem Millionenetat.
Das Tempomachen wird inzwischen immer mehr reglementiert. Für eine Läufergruppe sind nur noch drei von ihnen zugelassen. Tempomacher helfen am Sonntag in Berlin nicht nur beim Annähern an Rekorde. Auch die drei deutschen Athleten Falk Cierpinski, Julian Flügel und Philipp Pflieger bekommen Läufer vor die Füße. Die sollen sie dabei unterstützen, die Qualifikationszeit für die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro in 2:12:15 Stunden zu erreichen.