zum Hauptinhalt
Hiergeblieben. Augsburgs Dominik Kohr (r.) und Herthas John Anthony Brooks.
© dpa/Hilse

Auslaufen mit Lüdecke: Die Realität eines Tabellendritten

Nach einer langen Winterpause meldet sich unser Kolumnist Frank Lüdecke zurück. Mit dem Thema - natürlich - Hertha und die Champions League.

Liebe Freunde der gepflegten Sportunterhaltung! Nach einer kleinen Störung im Betriebsablauf begrüße ich Sie sehr herzlich zur „Rückkehr des Ausläufers“.

Was bisher geschah: Eine Mannschaft aus unserem Verbreitungsgebiet überrascht die komplette Liga und belegt nach einer formidablen Hinrunde einen nicht für möglich gehaltenen dritten Tabellenplatz.

Das weiß zwar inzwischen jeder, aber man kann es ja gar nicht oft genug gedruckt sehen. Ich habe mich in den letzten Wochen des Öfteren dabei ertappt, wenn Kommentatoren vom „Tabellendritten“ sprachen oder vom „Champions-League-Aspiranten“ – dass ich erst mit einer gewissen Verzögerung realisierte: Hey! Die meinen ja uns!

Die Experten rätseln noch, wie das eigentlich möglich war. Eine Mannschaft, die letztes Jahr noch Passquoten aufwies, die man eher aus der ersten Staffel der Bezirksliga kennt, erreichte nun Werte, wie sie sonst nur Guardiolas Taschenrechner anzeigt. Im Großen und Ganzen hatte man sich auf folgendes Erklärungsmuster geeinigt: Der passende Trainer, geglückte Neueinkäufe, harte Arbeit und ein gutes Betriebsklima.

Es gibt aber auch andere Deutungen. Der „Spiegel“ berichtete kürzlich über einen englischen Journalisten, der irgendein Wahrscheinlichkeitsmodell entwickelt hat, das die Distanz von Torschüssen, die Schusswinkel und ääähh… die Länge der Schnürsenkel berücksichtigt und der zu dem Ergebnis kommt: Glück!

Die Realität hat immer das letzte Wort

Hertha BSC habe vor allem Glück gehabt, weil man Tore erzielt hätte, die nach seinen Berechnungen nicht hätten fallen dürfen. So was ist natürlich immer blöd. Wenn sich die Realität nicht an die theoretischen Berechnungen hält.

Kommt aber vor. Ich kenne das auch aus anderen Lebensbereichen. Beim Lotto zum Beispiel. Bei Ehegemeinschaften. Oder Gesellschaftssystemen. Da kannst du vorausberechnen, was du willst – am Schluss sagt die Realität, wo’s lang geht. Die Realität hat immer das letzte Wort.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
© Zeichnung: Tsp

Leider. Die Realität pflegt ja oft auch einen ganz eigenwilligen Humor. Ich weiß nicht, was sie nun genau mit dem englischen Theoretiker vorhatte. Wollte sie ihn trösten? Wollte sie ihm sagen: „Kopf hoch, Junge, tolle Theorie, das wird schon“? Jedenfalls fielen im Heimspiel gegen Augsburg gar keine Tore. Und das lag nicht einmal an der Abwesenheit von Glück, also Pech. Das Spiel war einfach insgesamt nicht so der Bringer. Manchmal stimmten die Winkel nicht. Dann gab es Probleme mit den Distanzen. Die Schnürsenkel waren wohl okay.

Letztlich neutralisierten sich beide Mannschaften, so dass unter dem Strich als kleiner Erfolg zu werten war, dass unser Mittelstürmer bis zum Schluss mitspielen durfte, obwohl die Regeln durchaus anderes hergaben. Der Trainer des FC Augsburg sagte abschließend, er sei zufrieden, beim „Tabellendritten“ ein Unentschieden erreicht zu haben. Das ist also die Realität! Und ein Satz, der mich locker durchs Wochenende bringt.

- Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier aber jetzt wieder jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

Zur Startseite