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Freie Plätze. Die Zuschauertribünen in Tokio bleiben unbesetzt – ein weiteres Verlustgeschäft für die Organisatoren.
© E. Hoshiko/dpa

Keine Zuschauer in Tokio: Die Olympischen Spiele werden leerer, teurer – gefährlicher

Besser Olympia ohne Fans als gar nicht? Viele Sportler sehen es so. Doch der Preis dafür könnte hoch sein – vor allem für die Japaner.

Dem Fußball kommt auch bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Sonderrolle zu. Seit Donnerstag ist bekannt, dass bei den Wettkämpfen in und um die japanische Hauptstadt keine Zuschauer zugelassen sind. Das gilt allerdings nur für Tokio und drei Nachbar-Präfekturen, wo erneut der Corona-Notstand ausgerufen wurde. In Rifu allerdings, wo die deutschen Fußballmänner ihr drittes Gruppenspiel austragen, sollen im dortigen Miyagi-Stadion Fans dabei sein können.

Es wäre ein merkwürdiges Bild, das von dort in die Welt transportiert werden würde. Denn im großen und über eine Milliarde Euro teuren Olympiastadion von Tokio mit seinen 68.000 Plätzen bleiben die Sitze leer. Am 23. Juli sollen hier die Sommerspiele eröffnet werden, ein Jahr nach dem ursprünglichen Termin. Sportler aus rund 200 Nationen werden ins Stadion einziehen, normalerweise ist das ein festlicher Auftakt, ein Erlebnis, dass für viele Athleten unvergesslich ist.

Aber das Winken ins weite Rund wird an diesem Abend in Tokio nicht erwidert werden, die bunte Eröffnungszeremonie keine „Ahs“ und „Ohs“ im Publikum hervorrufen. Stattdessen wird im Stadion und an den Wettkampfarenen drumherum weitgehend Tristesse herrschen. Dass Olympia unter diesen Umständen überhaupt noch stattfindet, kommt einem Wunder gleich. Andererseits sind Olympische Spiele schon längst mehr als ein Sportereignis. Es geht um Geld, viel Geld. Für Japan und das IOC.

Allein in den USA lässt sich der Fernsehsender NBC die Übertragungsrechte rund eine Milliarde Euro kosten. Aus Europa kommen etwas mehr als 400 Millionen Euro von Discovery, dass Olympia hierzulande über den Sender Eurosport verbreitet. Dazu kommen Milliarden an Sponsorengeldern, allein in Japan wollten 60 große Unternehmen drei Milliarden Euro zahlen. Viele dieser Firmen haben schon in den vergangenen Wochen damit begonnen, ihre geplanten Aktivitäten und Events rund um die Spiele abzusagen. Verluste lassen sich so allenfalls begrenzen, aber nicht mehr vermeiden.

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Das gilt gleichermaßen für die Organisatoren. Auf 13 Milliarden Euro werden die Kosten für Olympia inzwischen beziffert, das sind noch einmal 22 Prozent mehr als es bei einer Austragung im vergangenen Jahr gewesen wären. Nun fallen auch noch Einnahmen von Sportfans aus aller Welt weg. Japan in Person von Premierminister Yoshihide Suga und das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Präsident Thomas Bach an der Spitze versuchen zu retten, was kaum noch zu retten ist.

„Beide werden diese Spiele durchziehen. Und ich glaube, man darf anfügen, um jeden Preis“, sagte die Sportausschussvorsitzende des Bundestages der „Mediengruppe Münchner Merkur tz“. Immerhin seien die „aktuellen Bestimmungen, gänzlich auf Zuschauer zu verzichten“, zumindest unter Pandemie-Gesichtspunkten ein vernünftiger Ansatz, fügte die SPD-Politikerin hinzu.

Nun ist es leicht, mit dem Finger auf die japanische Regierung oder das IOC zu zeigen und ihnen Geldgier vorzuwerfen. Bei aller berechtigten Kritik an einem Sportspektakel in Pandemiezeiten sind es gerade die Sportler, die dabei immer wieder vergessen werden. Es gibt eben nicht nur die millionenschweren Profisportler, wie sie aktuell bei der Fußball-Europameisterschaft in fast vollen Stadien gefeiert werden.

Die Athleten freuen sich, dass Olympia überhaupt stattfindet

Da sind auch noch die Athleten, die sich über Jahre auf Olympia vorbereiten. Die alles dafür tun, einmal bei den Spielen dabei zu sein und dort mit dem, was sie bieten, endlich auch einmal von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Geld verdienen diese Sportler nicht oder nur wenig, es ist auch nicht ihr Antrieb. „Ich habe jetzt fünf Jahre trainiert, ich bin froh, wenn ich antreten kann“, sagte der Säbelfechter Max Hartung, gleichzeitig deutscher Athletensprecher am Donnerstag in den „ARD-Tagesthemen“.

Dass bei den Wettkämpfen keine Zuschauer dabei sein können, bedauert beispielsweise Weitspringerin Malaika Mihambo: „Diese Unterstützung wird uns Athleten fehlen, aber wir werden das Beste daraus machen und uns gegenseitig anfeuern. Der Sportsgeist bleibt ungebrochen.“ Für Kunstturnerin Elisabeth Seitz wäre eine Absage „ein Riesenschock“ gewesen, erklärte sie im „ZDF heute-Journal“. Dass die Spiele tatsächlich stattfinden, sei „für uns Sportler schon einmal ein Riesen-Geschenk“.

Für die Menschen in Japan und speziell in Tokio gilt das nicht unbedingt. Für sie bedeutet Olympia mehr Belastung denn Freude. Schließlich gelten die Einschränkungen für die Einwohner wegen der Wettkämpfe in der Stadt weiter, nur, dass sie den Sportlern nun nicht einmal mehr dabei zusehen dürfen. Am Freitag forderten die Olympia-Organisatoren die Bürger gar dazu auf, auch bei den Radrennen auf der Straße oder beim Marathon nicht an der Strecke zu stehen. Selbst als am Freitag die olympische Fackel in der Gastgeberstadt eintraf, geschah dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit – zumindest der vor Ort.

Kein Wunder, dass die Japaner inzwischen von Olympia frustriert sind. Und Angst haben, dass die Spiele mit rund 11 000 Athleten aus aller Welt zu einem Superspreader-Event für das Coronavirus werden. Der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel spricht deshalb von Olympia als einem „Experiment“, weil in Tokio Athleten aus so vielen Nationen zusammentreffen würden. „So etwas hat es seit Ausbruch der Pandemie nicht gegeben. Bei dieser Durchmischung sehe ich schon die Gefahr, dass Virus-Mutationen entstehen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Bei der Fußball-EM wurden diese Gefahren weitgehend ignoriert, die Stadien in Budapest oder aktuell in London waren fast komplett voll mit Menschen. Eine britische Studie will bereits einen Zusammenhang zwischen den steigenden Infektionszahlen in London und den Spielen im Wembleystadion erkannt haben. Durch den Zuschauerausschluss ist dieses Risiko für Tokio zumindest etwas verringert worden.

Dass ungleiche Maßstäbe für Sportevents gelten, stößt allerdings manchem Olympiateilnehmer übel auf. Speerwerfer Johannes Vetter beispielsweise sagte bei Sport1: „Beim Allvater Fußball zeigt sich wieder, dass andere Gesetze gelten.“ Sogar bei Olympia. (mit dpa)

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