zum Hauptinhalt
Mats Hummels, der das neue Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft in Russland 2018 trägt.
© dpa

Neue WM-Trikots: Die Nationalmannschaft kommt grau und neutral daher

Retro und gleichzeitig modern soll das neue Nationalelftrikot sein - und entspricht damit dem Hipster-Minimalismus der heutigen Zielgruppe. Eine Stilkritik.

Retro soll es sein, das neue Nationaltrikot, eine Hommage an die Leibchen der Erfolgstruppe von 1990, die Deutschland gegen Argentinien zum dritten WM-Titel spielte. Tatsächlich ist das Design ähnlich zackig, um den goldenen Adler spannen sich die drei Linien in verschiedenen Stärken über die Brust der Vierfachweltmeister, schlagen kurz nach unten aus wie eine EKG-Kurve und steigen dann über die Schulter nach oben hinauf. Dorthin soll es wieder gehen, nach oben, mit Herz und einer breiten Brust, scheint das Design vermitteln zu wollen.

Nur mutet das Shirt ungefähr so kalt an wie die betonierte Fabrikhalle, in der Toni Kroos, Mesut Özil und Mats Hummels ihre Arbeitskleidung für die WM 2018 präsentieren. Statt schwarz-rot-golden sehen die Linien durch ihre verschieden dicht gestreuten Punktpartikel eher aus wie eine schwarz-grau-gräuliche Flagge.

Nun sind schlichte schwarz- weiße Trikots nichts Neues in der Modegeschichte der Nationalmannschaft, das Wunder von Bern kam mit einem schlichten Hemd mit schwarzem Adler aus. Nur retro ist das neue Shirt damit eben nicht: Zu den Achtzigern und Neunzigern gehörte die Farbe, das eindeutige Bekenntnis zu schwarz-rot-gold, was auch immer man politisch und ästhetisch davon halten mochte.

Das Design

Auf die Spitze getrieben wurde dieser Trend mit dem scheußlichen Pixelspektakel auf Lothar Matthäus’ Brust und Beinen bei der WM 1994 – ähnlich verkorkst wie das Spiel der Deutschen, die mit einem 1:2 im Viertelfinale gegen Bulgarien ausschieden. Ein Segen daher die Rückkehr zu schlichteren Tönen, das Trikot oft in reinem weiß mit schwarzen Linien, die Nationalfarben fast verschämt am Kragen oder Ärmelsaum versteckt.

Der minimalistische Ansatz des neuen Trikots verzichtet sogar darauf, lediglich an der Krageninnenseite finden sich die Nationalfarben. Das Design entspricht damit dem Hipster-Minimalismus der heutigen Zielgruppe, die vorzugsweise in schwarzgrau umherläuft und auch bei der Inneneinrichtung lieber keine Statements wagt: Graue Vorhänge, vor dem Palettensofa ein vereinsamter schwarzer Couchtisch mit einer ironisch platzierten goldenen Ananas – so sieht das wohnunggewordene Äquivalent zum Trikot aus.

Austauschbar und neutral – nicht gerade die Gefühle, die bei der WM aufkommen sollten. Nun lässt sich nur hoffen, dass das keine Auswirkungen auf die Spielweise der Nationalelf hat – und dass die Herzen in Russland doch noch höher schlagen.

Zur Startseite