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Härte zu sich selbst zu sein, macht nie wirklich Sinn. Auf sich selbst hören, das ist der neue Trend beim Laufen.
© dpa

Kolumne: So läuft es: Die Kunst des achtsamen Laufens

Für unserem Kolumnisten ist die Frage beim Laufen nicht: Was leiste ich beim Laufen? Sondern: Was leistet das Laufen für mich?

Gestern erreichte mich die Nachricht einer ehemaligen Radiokollegin. Sie steht mittlerweile vor der Fernsehkamera. Und hat drei Kinder zur Welt gebracht. Wer beim Fernsehen arbeitet, hat oft einen besonderen Blick auf die eigene Figur. Meine ehemalige Kollegin liest auf meinem privaten Facebook-Account mit, sie liest die Kolumne. Und obwohl sie das Laufen nie mochte, hat sie sich motivieren lassen.

Ein kleines Laufwunder ist da passiert. Es ist der fünfte Tag, an dem sie läuft. Und – auch ich bekam das oft zu hören – sie erfährt die volle Wucht der Laufexperten. Sie schrieb mir: „Deine Läufer-Geschichte (n) haben mich inspiriert und ich war auch heute wieder laufen. Ich bin sehr langsam und jogge 25 – 30 Minuten und bin dann zwar fertig, aber wirklich glücklich. Ich würde gerne auch morgen wieder laufen, von links und rechts bekomme ich jetzt aber gesagt: Pause machen, ausruhen, weil Zerrung. Was hältst Du davon?“ Meine Antwort lautete: „Hör nicht auf die Leute. Hör auf Deinen Körper. Und wenn Du laufen willst, lauf“.

Ein grob fahrlässiger Rat an die Kollegin? Nein. Wenn man die neue Haltung beim Laufen unterschreibt. Die gibt es. Und sie setzt sich als eine Art Trend immer mehr durch. Die zentrale Frage ist nicht mehr: Was oder wie viel leiste ich beim Laufen? Sondern es geht darum: Was leistet das Laufen für mich? Was macht es mit mir? Was kann es für mich tun? Es ist die Philosophie des Gentle Running, des achtsamen Laufens.

Nicht die Zeit spielt eine Rolle. Jetzt geht es darum, dass der Läufer losläuft und darauf achtet, was in seinem Inneren passiert. Er hört auf seinen Atem, er spürt jede einzelne Bewegung, nimmt die Natur bewusst wahr, was gerade im Frühling besonders intensiv sein kann. So erreicht selbst der Laufanfänger eine Art meditative Ebene und kann den Alltag vergessen.

Der Läufer entscheidet spontan, wie lange er läuft. Und wie oft. Und wie intensiv. Vor allen Dingen aber hört man in den Körper hinein und nicht auf das, was einem das Umfeld rät. Freunde, Familie, Bekannte haben sicher Sorge. Oft jedoch ist es für gerade sie schwer einzuschätzen, ob nicht einfach ein liebgewonnener Mensch auf und davonläuft. Wer sich plötzlich bewegt, macht anderen oft Angst. Gerade denen, die stehenbleiben. Und gerade dann ist es wichtig, sich nicht aus schlechtem Gewissen stoppen zu lassen.

Mike Kleiß
Mike Kleiß
© Zeichnung: CvS

Das mag esoterisch klingen. Ist es jedoch nicht. Das Gentle Running deckt sich mit vielen klugen Stimmen aus der Sportmedizin. Dr. Paul Klein von der Orthopädie der Mediapark Klinik in Köln und Vereinsarzt des 1.FC Köln sagt dazu: „Der Sportler kann sich in der Tat gut vor Verletzungen schützen und vor Überbelastung. Wenn er wieder lernt, auf den eigenen Körper zu hören, Signale zu deuten. Und mit etwas Übung kann das jeder.“ Hart zu sich selbst zu sein, macht nie wirklich Sinn. Und beim Laufen schon gar nicht. Heute erreichte mich wieder eine Nachricht der Ex-Kollegin: „Ich war heute wieder. Und ich fühle mich glücklich.“ So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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