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Geschafft. Alexander Zverev steht im Viertelfinale der French Open.
© REUTERS

Zverev weiter, Struff raus: Die Krise abgeschüttelt

Alexander Zverev steht im Viertelfinale der French Open. Für Jan-Lennard Struff sind die French Open vorbei.

„Please, say cheeese!“, riefen die Fotografen durcheinander, die sich im malerischen Garten des Restaurants „Le-Roland-Garros“ um die beste Position rangelten. Da standen sie alle beisammen, 30 der großen Tennis-Heldinnen von einst und der Legenden dieses Sports und lächelten zum Gruppenfoto in die Kameras. Der mediale Andrang war enorm. Der mediale Andrang war am Sonntag enorm, die großen Namen sind gefragter denn je. Ob die ewig junge Martina Navratilova oder die spanischen Publikumslieblinge Arantxa Sanchez und Sergi Bruguera, der sehr wohlgenährte Jewgeni Kafelnikow oder der immer noch etwas verrückte, aber leicht ergraute Goran Ivanisevic - sie alle sind mit der Tennis-Historie und der Geschichte der French Open eng verbunden. Und den Ehrgeiz, selbst bei einem Einladungsturnier wie diesem, hat keiner von ihnen verloren.

Tommy Haas hat zwar keine der größten Trophäen gewonnen, ist aber zum ersten Mal mit dabei. Inmitten der Legenden, mit denen der inzwischen 41-Jährige aufgewachsen ist. Dass er es 2013 doch noch ins Viertelfinale von Paris geschafft hatte, versöhnte Haas am Ende mit der oft so unversöhnlichen roten Asche von Roland Garros. Keine 100 Meter Luftlinie entfernt kämpfte zu gleicher Zeit Alexander Zverev auf dem Court Suzanne Lenglen um seinen eigenen Platz in den Turnier-Annalen. Vor einem Jahr war er Haas bereits in Paris gefolgt und in sein erstes Viertelfinale bei einem Grand Slam eingezogen - und Zverev gelang es am Montag erneut, mit einem 3:6, 6:2, 6:2 und 7:6-Sieg über den Italiener Fabio Fognini.

„Wieder im Viertelfinale zu sein, ist etwas ganz Besonderes für mich“, erzählte Zverev strahlend der ehemaligen Wimbledonsiegerin Marion Bartoli, einer weiteren Legende, auf dem Platz. Er hatte nicht recht gewusst, was er von Fognini in dieser Partie erwarten sollte, denn schließlich ist der zwar mit genialen Schlägen gesegnet, aber vor allem auch mit einem brodelnden Temperament, das oft in wilden Ausbrüchen ausartet. Gegen Zverev passierte genau das wieder: Der Italienier zerschmetterte seinen Schläger und ließ wüste Schimpftiraden los. Am Ende hatte sich der exzentrische Italiener selbst um den Lohn gebracht. „Fabio spielt momentan das beste Tennis seines Lebens“, gutierte Zverev, doch das zeigte der Weltranglistenzwölfte eben viel zu selten.

Beide begannen nervös, gaben wechselseitig ihre Aufschlagspiele ab und Zverev meckerte nach dem verlorenen Auftaktsatz erst einmal mit dem Team in seiner Box. Doch der 22 Jahre alte Hamburger sammelte sich und zeigte gegen Fognini, dass er zwar noch nicht wieder in völliger Bestform ist, aber die Krise der vergangenen Wochen überwunden hat.
„Ich muss mich wirklich nochmal bei Rainer Schüttler bedanken", fügte Zverev erleichtert hinzu, „dass er mir so kurzfristig noch die Wildcard gegeben hat - denn mit Genf hat alles angefangen.“ Der Turniersieg in der Woche vor den French Open war so etwas wie der Brustlöser für Zverev gewesen, der eine, milde ausgedrückt, durchwachsene Sandplatzsaison und vor allem turbulente Zeiten abseits des Platzes durchlebt hatte. Rechtsstreit mit dem Ex-Manager, Trennung von der Freundin und seinem Bruder Mischa, der mit Symptomen von Burn-out zu kämpfen hat.

Struff war chancenlos

Nun steht Zverev also wieder im Viertelfinale mit einem Lauf von neun Siegen in Folge und dort erwartet ihn kein Geringerer als der Weltranglistenerste Novak Djokovic. Der hatte zuvor Jan-Lennard Struff auf dem Court Philippe Chatrier mit 6:3, 6:2 und 6:2 eine bittere Lehrstunde verpasst. Dabei hatte sich der 29 Jahre alte Warsteiner im ersten Achtelfinale seiner Karriere so viel mehr vorgenommen und gehofft, dass er mit seinem aggressiven Spiel und seiner Aufschlagstärke „Novak ein bisschen ärgern“ könnte. Am Ende ärgerte sich Struff, über seine Leistung, obwohl er dazu keinen Grund hatte. „Ich war chancenlos, das muss ich anerkennen“, sagte er. Der Weltranglisten-45. hatte mutig und frech begonnen und Djokovic ein ums andere Mal getestet. Doch der 32 Jahre alte Serbe spielt in einer anderen Klasse, das hatten schon andere Gegner zu spüren bekommen. Djokovic brauchte sechs Spiele, um zu wissen, wie er Struff knacken kann und danach wurde es eine Machtdemonstration, bei der der Deutsche nicht mehr als ein guter Sparringspartner war. Dass der Platz nach dauerndem Nieselregen immer langsamer wurde, machte es für Struff nur schlimmer. „Novak spielt einfach richtig unangenehm und hat mich immer mehr nach hinten gedrängt“, sagte er nach der Partie.

Dennoch konnte Struff erhobenen Hauptes aus Paris abreisen und sich mit dem Schwung der bisher besten Saison seiner Karriere in die Rasensaison stürzen. Für Zverev geht es dagegen auf Sand in die Verlängerung, auch wenn die Aufgabe gegen Djokovic denkbar knifflig ist. Zverev brennt auf den großen Coup bei den Grand Slams und genießt es, einmal nicht im Vorfeld als großer Favorit gehandelt zu werden. Haas dagegen glaubt, dass sein Nachfolger früher oder später den großen Wurf schaffen wird: „Ich mache mir keine Sorgen um ihn. Er spielt jetzt wieder viel besser und hat so viel Potenzial.“ Und vielleicht reicht es sogar schon dieses Mal für einen Platz bei den Legenden.

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