Nach Velimir Petkovics Entlassung: Die Füchse Berlin hoffen auf neue Impulse
Zwei Tage nach der Entlassung von Coach Petkovic verschaffen sich die Füchse Berlin Luft. Mit Michael Roth übernimmt ein erfahrener Mann.
Wenn große Personalentscheidungen anstehen, setzen sie bei den Füchsen Berlin neuerdings auf eine bewährte Methode des Kommunikationszeitalters: die Telefon- respektive Videokonferenz. Stefan Kretzschmar etwa, der neue Sportvorstand des Handball-Bundesligisten, hat kürzlich die Geschichte von der Verpflichtung Lasse Anderssons erzählt. Der dänische Nationalspieler saß in Barcelona vor seinem Rechner, Kretzschmar in Berlin und der künftige Trainer, Jaron Siewert, in seiner aktuellen Wahlheimat Essen. Die drei unterhielten sich eine Weile und zack, war die Sache geritzt. Andersson unterzeichnete einen Vertrag in Berlin.
Am vergangenen Donnerstag ist es nun wieder zu einer Telefonkonferenz gekommen, wieder ging es um eine wichtige Personalie – allerdings mit dem feinen Unterschied, dass diesmal nur die Entscheidungsträger des Vereins zugeschaltet waren, also namentlich: Präsident Frank Steffel, Geschäftsführer Bob Hanning, Sportvorstand Kretzschmar und Gesellschafter Ulrich Theis. Das 30:32 im Heimspiel gegen Nordhorn, dieser Offenbarungseid gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten, ließ keinen zur Ruhe kommen, selbst zu fortgeschrittener Stunde blieb die Verbindung stabil.
Die Trennung von Petkovic war nicht mehr überraschend
„Ich war sprachlos und leer“, sagt Kretzschmar, „und so ging es den anderen auch“. Also einigte sich das Quartett darauf, noch eine Nacht über die folgenschwere Entscheidung zu schlafen, auf die es sich gerade verständigt hatten: die Entlassung von Trainer Velimir Petkovic mitten in der Saison. „Wir wollten das nicht im Affekt machen“, sagt Kretzschmar, „aber es war klar, dass sich nach diesem Auftritt etwas ändern muss.“ Am nächsten Tag folgte die Bestätigung: Petkovic muss gehen, für ihn kommt bis zum Saisonende Michael Roth.
Wirklich überraschend war die Trennung vom 63-Jährigen nicht mehr, sie hatte sich nicht nur in den jüngsten drei Begegnungen bis zum Heimsieg gegen Logrona im EHF-Cup am Sonntag angedeutet, die allesamt in Niederlagen geendet waren. Dem Vernehmen nach soll Hanning im Verlauf der Saison schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, Petkovic von seinen Pflichten zu entbinden
Zwei Faktoren sprachen damals dagegen: Zum einen hasst es Hanning, mitten in der Saison, zumal vor den entscheidenden Wochen und Monaten, einen der wichtigsten Posten im Verein neu zu besetzen. In nunmehr 13 Jahren Bundesliga haben die Füchse diesen Schritt erst einmal vollzogen: Im Dezember 2016, als eben Petkovic von Erlingur Richardsson übernahm. Zum anderen konnte der Manager dem potenziellen Nachfolger keine große Perspektive aufzeigen: Im Sommer 2020, das ist seit Monaten klar, übernimmt schließlich Jaron Siewert – eine unverrückbare Entscheidung.
Das größtmögliche Fiasko: EHF-Cup ohne die Füchse
Dass sich die Verantwortlichen trotz ihrer vermeintlich sicheren Grundsätze dazu durchrangen, Petkovic zu entlassen, offenbarte diverse Erkenntnisse: Zum einen, wie groß der Graben mit der Zeit zwischen Mannschaft und Trainer geworden sein muss. Zum anderen, dass die Entscheidungsträger offenbar den Glauben daran verloren hatten, die Saison noch zielführend und erfolgreich zu Ende zu bringen. Und zu guter letzt: wie groß der Druck vor dem Gruppenspiel im EHF-Cup gegen Logrona am Sonntagnachmittag (33:26) geworden war. „Wenn wir dieses Spiel verloren hätten, wäre das ein Fiasko gewesen“, befand Kretzschmar mit Blick auf den Austragungsort des Finalturniers um den Europapokal: es findet am Wochenende 23./24. Mai in der Max-Schmeling-Halle statt. Man kann sich leicht ausmalen, wie peinlich das Szenario für die Berliner wäre, wenn sie nicht dabei sein sollten.
„Allen war bewusst, welche Bedeutung diese Partie heute für alle hatte“, ergänzte Kretzschmar. Vor jedem x-beliebigen Bundesliga-Spiele hätte man womöglich noch einmal ein Auge zugedrückt und Petkovic weitermachen lassen, ein frühes Aus im Europapokal wollte sich jedoch niemand vorstellen, geschweige denn später vorwerfen lassen. Durch den Sieg am Sonntag sind die Chancen auf eine Teilnahme am Finalturnier nun auch wieder deutlich gestiegen. Mit zwei Erfolgen in den abschließenden beiden Gruppenspielen wären die Berliner sicher für das Turnier qualifiziert.
Für Interimstrainer Roth ist es eine Chance
Zudem zeigte sich, dass die Füchse – gemessen an den Möglichkeiten zu diesem Zeitpunkt der Saison – schnell einen Nachfolger gefunden haben, der alle Voraussetzungen für einen versöhnlichen Saisonausklang mitbringt: Michael Roth ist ein ebenso schlachterprobter Handball-Trainer wie Spieler, er hat 44 Länderspiele für Deutschland bestritten und mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der Bundesliga. „Es ging uns vor allem um den Impuls, so wie das bei Trainerwechseln eigentlich immer ist“, sagte Kretzschmar. Für Roth ist das Engagement bei den Füchsen Berlin nach knapp zwei Jahren Berufspause auch eine Chance, seinen Namen wieder für künftige Engagements in den Ring zu werfen. Ob er das auch so sehe, wurde Roth am Sonntag gefragt. Er antwortete vielsagend: „Ja!“