Die Revolutionärin der NBA: Die Frau, die den Hünen Beine macht
Becky Hammon gehört in Sachen Coaching zum Besten, was die NBA zu bieten hat. Hoffentlich macht ihre Geschichte Schule. Ein Kommentar.
Becky Hammon ist sauer, richtig sauer. Sie setzt sich schnaubend auf ihren Klappstuhl den fünf großen Männern gegenüber, soeben hat sie beim Spiel ihrer San Antonio Spurs gegen die Phoenix Suns eine Auszeit genommen. "Ihr seid zu weich da draußen! Spielt richtig, spielt hart, spielt fokussiert!", brüllt sie die Hünen an. Es ist der Sommer 2015 und Hammon schreibt Geschichte. Mal wieder. Denn 2014 wurde die Frau, die acht Jahre in der Womens-NBA (WNBA) spielte, zum Assistenztrainer bei den San Antonio Spurs ernannt. Sie ist die erste Frau, die auf Vollzeit im Trainerteam einer US-Amerikansichen Sportmannschaft arbeiten wird, sportartenübergreifend.
Die Einstiegsszene passiert während der NBA Summer League. Die Summer League ist ein Vorbereitungsturnier für die richtige NBA-Saison, in der die Teams vor allem ihren jungen Spielern Spielzeit gewähren. Erneut ist sie die erste Frau, der es gelingt, ein Team während dieses Turniers als Cheftrainierin zu leiten. Einige Fans witterten hinter Hammons Anstellung bei den Spurs zunächst eine PR-Unterschrift, eine Feel-Good-Story, aber nichts da. Hammon gehört zu den schlauesten Basketball-Köpfen der Welt, spätestens Anfang 2019 hat sie den Respekt der gesamten NBA inne. Diverse Experten und Trainer-Kollegen sehen sie prädestiniert dafür, die erste weibliche Cheftrainerin der NBA-Geschichte zu werden. 2017 bestellten die Milwaukee Bucks sie bereits zu einem Vorstellungsgespräch für die Neubesetzung der enorm wichtigen Position des General Managers, also des Kaderplaners, ein. Hammon bekam die Stelle zwar nicht, ein Zeichen war das trotzdem.
Es scheint eine Frage der Zeit zu sein, bis sie als Head-Coach eines NBA-Teams berufen wird
Bei den Spurs arbeitet sie unter Gregg Popovich, einem fünffachen NBA-Champion und einem der besten Cheftrainer aller Zeiten. Der sagte einst über Hammon: "Der 'Sie'-Zusatz ist in dem Sinne unangebracht, als dass sie einfach ein richtig guter Coach ist. Sie ist taktisch gut, sie hat so viel Wissen. Wäre sie ein Mann mit den gleichen Qualitäten, hätte ich ihn eingestellt. Aber darum geht es nicht. Sie ist einfach ein fantastischer Coach." Hammon sitzt bei Spielen neben Popovic und den anderen Trainern auf der Bank, ihr Wort hat Gewicht. Schon als Spielerin ergriff sie in den Auszeiten oft das Wort und gab ihren Mitspielerin taktische Tipps. Die Rolle scheint wie gemacht für sie.
Hammon wiederum dankte es den Spurs und stellte Popovic als den Barrieren-Brecher dar, immerhin hätte der die Idee gehabt, sie einzustellen. Denn es gibt auch in der NBA im Coaching immer noch ein erdrückendes Übergewicht der Männer. Aber in erster Linie war Hammon es, die sich diese Chance verdient hat. Durch Fleiß, Liebe zum Sport und dem Vertrauen darauf, mit ihren Qualitäten möglichen Arbeitgebern gar keine andere Wahl zu lassen, als sie einzustellen. Sie ist ein Vorbild für Mädchen und Frauen, mit Mut, Einsatz und sicherlich auch Leidensfähigkeit alles schaffen zu können, was man sich vornimmt. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie als Head-Coach eines NBA-Teams berufen wird. Verdient und fachlich gerechtfertigt wäre das allemal.
Und mit dem Gewinnen kennt sich Hammon auch bereits aus. Nachdem sie mit ihrer Standpauke während der Auszeit gegen die Phoenix Suns fertig ist, geht ihr die Team raus und gewinnt die Summer-League-Meisterschaft. Danach klatschen die Spieler mit ihr ab, loben sie vor der Presse und überraschen sie in der Kabine mit der obligatorischen Energydrink-Dusche. Alles wie bei einem richtigen NBA-Coach also? Selbstverständlich, denn Hammon ist ja auch genau das.
Louis Richter