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Nicht nur Feuer und Flamme für Hamburg, sondern jetzt auch begeisterte Parakanutin: Edina Müller.
© dpa

Ziel Paralympics: Die Europa-Tournee der Edina Müller

2012 holte sie in London Gold im Rollstuhlbasketball. Für Rio 2016 hat sich Edina Müller ein neues Ziel gesetzt - sie will im Parakanu an den Start gehen.

Die Sporthalle hat sie gegen die schönsten Gewässer der Welt getauscht, den Sportrollstuhl gegen einen Kajak, den Basketball gegen ein Paddel: Edina Müller hat eine zweite Karriere begonnen - und will es nun als Einzelsportlerin zu den Paralympics in Rio schaffen, nachdem sie 2012 in London Gold mit dem Basketball-Team geholt hatte.

Wer mit Edina Müller spricht, merkt schnell, dass sie die Umstellung vom Basketball zum Kanusport keineswegs bereut. Im Gegenteil: Die 32-Jährige sprüht förmlich vor Energie und Freude - und schwärmt von ihrem neuen Sport. „Ich genieße es sehr, auf dem Wasser zu sein. Und das kann ich jetzt jeden Tag nach der Arbeit“, sagt die Sporttherapeutin. Selbst wenn es kalt ist und regnet, hat sie keine Motivationsprobleme: „Da braucht man zwei, drei Schläge, dann geht das schon. Und ansonsten muss man halt schneller paddeln, sodass einem warm wird.“

Die Temperaturen dürften ihr in den letzten Wochen keine Probleme gemacht haben: Vor den Weltmeisterschaften, die am Mittwoch in Mailand beginnen, war sie in Europa auf Vorbereitungstournee und hat dafür die heimische Alster verlassen. Über die sozialen Medien hält die Hamburgerin ihre Fans mit Bildern auf dem Laufenden, die sie im Boot auf den verschiedensten Gewässern zeigen: Über Ungarn ging es nach Kroatien, wo sie auf türkisblauem Wasser vor beeindruckenden Felsen trainieren konnte, anschließend war Slowenien der letzte Halt der Tour, bevor die Reise nach Mailand auf dem Programm stand. „Ich hatte perfekte Bedingungen, konnte einerseits herunterkommen und andererseits zielgerichtet arbeiten und mich auf die WM vorbereiten.“

Im Basketball hatte Müller alles gewonnen: Silber in Peking 2008, Gold in London 2012, dazu war sie Hamburgs Sportlerin des Jahres 2012 und bekam 2008 das Silberne Lorbeerblatt, die zwei EM-Titel 2009 und 2011 nicht zu vergessen. „Irgendwie hat es aber einfach nicht mehr gepasst“, sagt Müller, die sich nach und nach vom Rollstuhlbasketball auf höchstem Niveau verabschiedete und nur noch zum Spaß ab und an in der Regionalliga mitspielt. „Nach dem Karriereende hatte ich nicht vor, direkt wieder Leistungssport zu machen“, sagt sie heute. Tauchen wollte sie, gemütlich Kajak fahren, einfach andere Dinge erleben. Eines Tages lud sie dann aber ein Freund zum Kanufahren ein - und um Müller war es sofort geschehen. Nachdem sie in Hamburg einen Trainer und ein spezielles Rennboot organisiert hatte, waren die ersten Versuche auch gleich erfolgreich: „Ich musste mich nicht lange mit dem Boot beschäftigen, das hat schnell funktioniert.“

Basketball spielt Müller nur noch zum Spaß in der Regionalliga

Den Winter über trainierte sie dann auf ein Ziel hin: Den Sichtungslehrgang in Duisburg Mitte April. Sollte sie dort weniger als 1:12 Minuten für die 200 Meter benötigen, wäre sie bei der Nationalmannschaft dabei. Müller schaffte die Strecke in 1:02 Minute, und holte in ihrem ersten „richtigen“ Rennen dann sofort Silber bei der Europameisterschaft in Tschechien. Auch die Qualifikationszeit für die Weltmeisterschaften unterbot sie deutlich und fuhr sogar noch einen Rekord aller Klassen ein. In Mailand gilt daher: Kommt Müller unter die besten Sechs, ist sie qualifiziert für die Paralympics in Rio, wo Parakanu zum ersten Mal stattfinden wird. „Im Gegensatz zur EM sind jetzt noch die US-Amerikanerinnen dabei, eine gute Japanerin gibt es auch“, sagt Müller: „Die Weltspitze ist näher zusammengerückt.“

Wer das Boot der 32-Jährigen näher betrachtet, sieht, dass sie sogar schon an die überübernächsten Paralympics denkt: Pünktlich vor ihrer Vorbereitungstournee bekam sie auf ihr Kanu eine neue Verzierung: Das Logo von Hamburg 2024, das für die Olympischen und Paralympischen Spiele in der Hansestadt wirbt. Müller ist nämlich nicht nur Sportlerin, sondern auch Botschafterin. Ob sie sich vorstellen kann, bis dahin weiterzumachen? „Naja, es gibt ja auch Birgit Fischer, die sehr aktiv ist“, verweist sie auf die mittlerweile 53-jährige Spitzen-Kanutin, die mit Olympia 2016 liebäugelt. „Aber selbst wenn ich nicht mehr aktiv bin, werde ich hinter den Kulissen arbeiten und bin gerne das Gesicht der Paralympics 2024.“

Ob Müller sich direkt für die Spiele in Rio qualifiziert, wird man in den kommenden Tagen sehen. Sicher ist nur, dass Müller im Gegensatz zum Basketball eine Besonderheit miterleben wird: Anders als in vielen Sportarten finden in Mailand die Weltmeisterschaften der Parakanuten nämlich zusammen mit denen der nichtbehinderten Athleten statt.

Nico Feißt

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