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In Feierlaune. Der Kampf gegen den Abstieg kann auch Spaß machen, wie die Spieler des VfB Stuttgart am vergangenen Samstag gegen Mönchengladbach zeigten.
© IMAGO/Pressefoto Baumann

Der VfB Stuttgart vor dem Spiel beim 1. FC Union: Die etwas anderen Abstiegskämpfer

Der VfB Stuttgart setzt im Abstiegskampf auf juvenilen Leichtsinn anstatt auf Stabilität. Das könnte auch an dem Ego von Sportdirektor Mislintat liegen.

Sie schreien, lachen und toben wie auf einem (geglückten) Kindergeburtstag. Die Trainingseindrücke, die der VfB Stuttgart dieser Tage auf seinen sozialen Kanäle teilt, zeugen nicht von einer sich im Abstiegskampf befindlichen Mannschaft. Entweder die Bilder täuschen oder aber hier handelt es sich tatsächlich um ein kindlich-unschuldiges Team, dem der Blick in den Zweitligaabgrund nichts anhaben kann.

Die Situation ist dabei weiter schwierig für den VfB. Er befindet sich auf dem 17. Tabellenplatz in der Liga, der den direkten Abstieg und eine kleine Katastrophe für den Klub bedeuten würde. Doch bis zum Relegationsplatz 16, den die heillos taumelnde Hertha aus Berlin einnimmt, ist es nur ein Punkt Rückstand. Wettmachen wollen ihn die Stuttgarter bereits am Samstag, wenn es gegen den 1. FC Union an der Alten Försterei geht.

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Das infantile Hochgefühl rührt sicher auch vom vergangenen Samstag. Es war nicht mehr lange zu spielen gegen Borussia Mönchengladbach, als Sven Mislintat nervös auf der Stuttgarter Bank hin- und herrutschte. Mal wieder hatte seine Mannschaft ein tolles Spiel hingelegt, aber mal wieder sah es so aus, als sollte es nicht zu einem Sieg reichen, ehe der junge Österreicher Sasa Kalajdzic abgebrüht wie ein ganz Alter zum 3:2 einschoss – 0:2 hatte der VfB zurückgelegen. Mislintat sprang als einer der Ersten von der Bank auf und reckte seine Fäuste in den Himmel, welch Erlösung.

Juveniler Leichtsinn führt allzu oft ins Unglück

Der 49-Jährige ist der heimliche Star des Klubs. Sein Spitzname in der Szene lautet Diamantenauge, weil er den besonderen Blick für besondere Talente hat, Spieler schon verpflichtet hat, die kein Mensch kannte und die ein, zwei Jahre später für horrende Ablösesummen verkauft werden konnten. Das Problem: Mit dem Abstiegskampf ist dieses Geschäftsmodell nur schwer kompatibel. Erfahrung und Kampfkraft gelten im Fußball als die besten Rezepte für den Klassenerhalt. Aber was machte Mislintat, als die Rufe nach bundesligaerprobten Transfers wie Freiburgs ewigem Joker Nils Petersen laut wurden? Er lieh im Januar den 19 Jahre alten Tiago Tomas von Sporting Lissabon aus (mit einer Kaufoption).

Die Frage, die sich viele Beobachter stellten: Geht es Mislintat um den Verein, oder um sich selbst? Will der Mann lediglich beweisen, dass er sein Diamantenauge noch nicht verloren hat, und den nächsten potenziellen Hochkaräter verpflichten anstatt eine stabile, für den Abstiegskampf gewappnete Mannschaft zusammenzustellen?

Denn so begabt das von Mislintat konzipierte Team auch sein mag – die vielen knappen Niederlagen in den vergangenen Wochen dürften auch deshalb zustandegekommen sein, weil allzu oft am Ende juveniler Leichtsinn noch ins Unglück führte, während zum Beispiel beim ebenfalls abstiegsgefährdeten Ligarivalen FC Augsburg der Routinier Daniel Caligiuri seinen zweiten Frühling feierte.

Aber im Fußball kann ein Moment, eine Aktion wie jenes Tor zum 3:2 von Kalajdzic reichen, um Gefühlswelten komplett umzukehren. Vor eine Woche hatten die Stuttgart, wie es im derben Fußballerjargon heißt, noch die Scheiße am Fuß. Nun tritt eine Mannschaft beim 1. FC Union an, bei der man sich im Moment nicht vorstellen kann, dass sie in der nächsten Saison in der Zweiten Liga startet. Und Sven Mislintat? Der hat den jüngsten Spielen zufolge mit dem Portugiesen Tiago Tomas einen echten Spitzenmann verpflichtet.

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