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Mit der vollen Mannschaft. Erhöhte Polizeipräsenz gab es in der Saison 2017/18 bei 54 Risikospielen (26 in der Bundes- , 28 in der Zweiten Liga).
© Carmen Jaspersen/dpa

Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen: „Die DFL würde es nicht in den Ruin treiben“

Sollen Klubs für Einsätze bei Risikospielen zahlen? Ein Interview mit Jurist Justus Henning Wildner über Umverteilung und eine Benachteiligung von Werder Bremen.

In der vergangenen Saison gab es in 54 Risikospielen erhöhte Polizeipräsenz (26 in der Bundes- , 28 in der Zweiten Liga). Darüber haben wir mit dem Berliner Rechtsanwalt Justus Henning Wildner, 48, einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, gesprochen.

Herr Wildner, die Landesregierungen in Mainz und Bremen wollen nach der Sommerpause einen neuen Vorstoß starten, um Fußballvereine an den Kosten der Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen zu beteiligen. Sie berufen sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, wonach dies grundsätzlich rechtmäßig ist. Halten Sie das für richtig?
Zunächst ist festzustellen, dass die Entscheidung sich nur mit der neu geschaffenen Bremer Gebührennorm auseinandersetzt und die Rechtsprechung somit derzeit auch nur für Bremen gilt. Der Gesetzgeber hat eine Norm erlassen, die nach der bisherigen Rechtsprechung die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Wenn ihm das gelingt, so darf er dies.

Die Deutsche Fußball-Liga hat stets argumentiert, einzig der Staat sei für die Wahrung von Sicherheit und Ordnung verantwortlich. Außerdem führte der Profi-Fußball die rund 1,3 Milliarden Euro Steuern und Abgaben pro Jahr an.
Eine Gebühr ist im Gegensatz zu einer Steuer eine Abgabe, die eine konkrete Leistung des Staates gegenüber einem Gebührenschuldner betrifft und hierfür ein finanzieller Ausgleich sein soll. Sofern die Polizei einen konkreten Mehraufwand für die Durchführung einer Fußballveranstaltung hat, so kann sie für diesen Mehraufwand einen finanziellen Ausgleich verlangen – sofern ein Gesetz ihr dies ermöglicht. Der normale Aufwand wird weiterhin aus Steuereinnahmen erbracht.

Die DFL hatte mit ihrer ersten Klage vor dem Verwaltungsgericht Bremen Erfolg. Doch das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt kassierte Ende März das Urteil. Der Rechtsstreit wurde nun zur weiteren Verhandlung von Leipzig zurück an das Oberverwaltungsgericht Bremen verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Bremen hatte der Klage zunächst stattgegeben, da die Regelung, die zur Berechnung der Gebühr führte, nicht ausreichend sei, um daraus die Gebühr hinreichend bestimmt zu berechnen. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat diese Regelung jedoch für ausreichend erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht Bremen bestätigt und hat aber festgestellt, dass bei der Berechnung der Gebühr eventuell Kosten abzurechnen sind.

Welche Kosten?
Es handelt sich um Kosten, die gegenüber den einzelnen gewalttätigen Besuchern, die ermittelt wurden, vorrangig geltend zu machen sind. Da es sich hierbei um Probleme handelt, die nur tatsächlich geklärt werden können, dürfen diese Fragen nicht vom Bundesverwaltungsgericht geklärt werden. Dieses Gericht darf nur über Rechtsfragen entscheiden.

Die DFL, die als Kostenschuldner ausgemacht wurde, hat doch aber mit der konkreten Spielorganisation und -durchführung nichts zu tun, oder?
Das Oberverwaltungsgericht Bremen, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht, hat in seinem Urteil darauf abgestellt, dass die DFL den Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga organisiert und hierbei Erlöse erzielt beziehungsweise an Erlösen beteiligt ist. Hiernach ist sie Mitveranstalter. Ohne die Organisation der DFL hätte das eine betroffene Spiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV in 2015 lediglich Freundschaftsspielcharakter gehabt.

Einen von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer geforderten Solidarfonds lehnt die DFL ab, weil dieser alle 36 Profiklubs zur Kasse bitten würde – also auch Klubs, die nicht an Risikospielen beteiligt sind.
In den Ruin treiben würde es die DFL wohl nicht. Denn sie kann trotz ihres finanziellen Spielraums die Kosten ganz oder zumindest teilweise auf die einzelnen Vereine abwälzen, die durch die Kostenbescheide der zuständigen Länderbehörden betroffen sind. Es liegt an der DFL, ob sie dies macht oder ob sie im Rahmen des Solidarprinzips alle Vereine anteilig in Anspruch nimmt.

Erschwerend kommt hinzu, dass bisher nur Bremen eine derartige Gebührenordnung gesetzlich festgesetzt hat. Einige Bundesländer wie Bayern, Hamburg, Hessen oder Berlin haben bereits hingegen signalisiert, dass für sie keine Kostenbeteiligung der Vereine infrage komme. Droht ein Flickenteppich?
Sieht wohl so aus.

Der Bund der Steuerzahler begrüßte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und bat die Innenminister mit Dringlichkeit um eine einheitliche Lösung. Ein frommer Wunsch?
Nach derzeitigem Stand wohl ja. Es gibt hierzu ganz unterschiedliche Meinungen. Wenn einzelne Bundesländer keine Regelung treffen möchten, dann gibt es keine einheitliche Regelung, da die Erhebung von Gebühren für landespolizeiliche Maßnahmen Sache des einzelnen Bundeslandes ist. Die Bundesrepublik besitzt hierfür keine Gesetzgebungskompetenz.

Die DFL droht trotzdem weiterhin mit dem Gang vors Bundesverfassungsgericht.
Der DFL bleibt es unbelassen, die Entscheidungen der bisherigen Gerichte im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit ihren vorhandenen Grundrechten überprüfen zu lassen – sofern alle möglichen Instanzen ausgeschöpft sind. Die DFL wird das wohl auch machen müssen. Allein schon, weil Werder Bremen dies erwarten darf.

Der Ligaverband fürchtet um Chancengleichheit. Einige Vereine würden in Anspruch genommen, andere nicht.
Diese Ungleichheit, die eintreten wird, führt vielleicht irgendwann dazu, dass es einheitliche Regelungen geben wird beziehungsweise keine Gebühren mehr erhoben werden. Der Senat von Bremen dürfte wohl kein Interesse haben, dass der Verein SV Werder einen finanziellen Nachteil gegenüber den anderen Bundesligavereinen hat.

Die DFL hat doch aber recht, wenn sie sagt, dass eine bloße Kostenumverteilung keine einzige polizeiliche Überstunde verhindert.
Für das Gebührenrecht ist dies unerheblich. Es kommt nur darauf an, ob das Land einen Mehraufwand hat und diesen geltend macht.

Die Polizei hat großen Einfluss darauf, ein Spiel als Hochrisikospiel einzustufen. Sehen Sie darin ein Problem?
Eher weniger. Die Polizeibehörden der Länder haben in den vergangenen Jahren umfangreiches Material gesammelt, bei welchem einzelnen Fußballspiel, wie viele Einsatzkräfte zuzüglich einer Reserve verfügbar sein müssen. Daraus wurde abgeleitet, welche Spiele Grünspiele, Gelbspiele oder Hochrisikospiele sind. Diese Gefahrenanalysen wurden unabhängig vom Vorliegen einer Gebührennorm erstellt. Auch im vorliegenden Fall berechnete sich der Mehraufwand nach einem Vergleich der zusätzlich bereit gestellten Einsatzkräfte zu dem Mittelwert der bereit gestellten Einsatzkräfte der Grün- und Gelbspiele in Bremen.

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