Flick contra Lauterbach: Die Debatte um die Sonderrolle des Fußballs ist scheinheilig
Hansi Flick hat vielen Menschen aus der Seele gesprochen. Doch Pauschalisierungen wie im Disput mit Karl Lauterbach helfen in der Pandemie nicht. Ein Kommentar.
Der Trainer des FC Bayern München, Hansi Flick, hat kürzlich etwas vielleicht nicht so sehr Vernünftiges, aber doch Zutreffendes gesagt. Viele Menschen können die „sogenannten Experten“ gar nicht mehr hören. Viele würden so etwas vermutlich auch aus der ersten Emotion heraus sagen.
Die vielen Diskussionen und Debatten um und über die Coronavirus-Pandemie und deren belastende Begleiterscheinungen können inzwischen so nerven wie die Einschränkungen selbst. Um im Bild zu bleiben: Die Debatte darum ist längst mutiert. Und gefährlich.
Pauschalisierungen, wie im Disput zwischen Hansi Flick und Karl Lauterbach, helfen hier nicht, dafür ist die Pandemie mit ihren Belastungen zu bedrückend. Sie machen viele Menschen mürbe und müde. Und wer macht nicht Fehler, wenn er mürbe und müde ist?
Grundsätzlich hat die Debatte um die Sonderrolle des Fußballs immer auch etwas Scheinheiliges. Ja, die Fußballprofis sind privilegiert, sie dürfen ihrem Beruf nachgehen, ohne dabei systemrelevant zu sein wie medizinisches Personal, die Stadtreinigung oder Supermarkt-Angestellte.
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Die Politik hat zunächst dem Profifußball eine Sonderrolle eingeräumt, weil er im Frühjahr 2020 ein schlüssiges und letztlich ziemlich gut funktionierendes Konzept erarbeitet hat, was den Fußball immer noch viel Geld und Anstrengung kostet, aber anderen Sportarten als Vorlage gilt.
Aber vielleicht ist die Sonderrolle des Fußball gar nicht mehr so sonderlich. Es wird ja nicht nur Fußball gespielt, und nicht nur Fußballer reisen zur Ausübung ihres Berufes durchs Land oder Teile von Europa. Basketballer, Handballer, Tennisspieler und so ziemlich alle Wintersportler tun es auch. Hier bleiben Diskussionen weitgehend aus.
In der Debatte um den Profifußball schwingt auch immer Neid mit. Natürlich hatten sich bei den Bayern in den vergangenen Tagen rund um eine fragwürdige Reise des Vereins nach Katar auch einige zu Wort gemeldet wie Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, deren Aussagen die Debatte unnötig anheizten.
Es war schlicht grober Quatsch, was sie sagten. Und auch nicht jede Wortmeldung der Experten oder Politiker ist immer so glücklich, hilfreich oder zielführend gewesen. Das muss und kann man aushalten.
Ein bisschen mehr Demut wäre angemessen
Der Vorwurf an den Profifußball lautet, dass er nur deshalb weiterspielen darf, damit das viele Fernsehgeld fließt und die kickenden Millionäre ihr Geld bekommen. Und?
Natürlich verdienen die Fußballer zu viel Geld. Und lassen wir mal außen vor, warum das so ist und woher das viele Geld kommt. Es ist gut, dass der Fußballbetrieb so halbwegs läuft. Es ist besser, als andersherum. Wenn also auch noch diese mittelgroßen Wirtschaftsunternehmen in der Pandemie staatliche Unterstützung verlangten.
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Jeder darf jederzeit die Sonderrolle des Profifußballs hinterfragen und kritisieren. Man kann das alles ärgerlich finden und für ungerecht halten. Aber sich am Fußball abzuwirtschaften, wie es einige tun, hilft nun überhaupt nicht.
Hansi Flick hat vielen Menschen aus der Seele gesprochen. Doch als Trainer des FC Bayern, als prominente Person des öffentlichen Lebens, und das weiß er auch, hätte er seine Worte besser mit Bedacht gewählt. Nicht nur er hat Beleidigungen und Drohungen erhalten. Politiker und Gesundheitsexperten wie Lauterbach kennen das.
Der Fußball in seiner Spitze sollte vielmehr aufpassen, seine durchaus privilegierte Stellung nicht auszureizen und sich zu viel herauszunehmen. Ein bisschen mehr Demut wäre angebracht. Reisen wie die des FC Bayern nach Katar oder jetzt die Spielverlegungen der Champion-League-Spiele von RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach nach Budapest sind grenzwertig.
Vielleicht hat die jüngste Debatte auch etwas Gutes. Lauterbach hat das Gesprächsangebot von Flick angenommen. Noch ist nicht alles verloren.