US-Baseball: Die Boston Red Sox feiern im Sinne ihrer Tradition
Die Boston Red Sox holen den Titel im US-Baseball und treten dabei so dominant auf wie vor 102 Jahren.
Wenn erwachsene Männer weinen, sind sie entweder gerade Vater geworden oder haben einen großen Sieg im Sport errungen. In der Nacht auf Montag liefen so manchem Spieler der Boston Red Sox Tränen des Glücks über die Wangen. Steve Pearce stammelte etwas vom „unglaublichsten Gefühl seines Lebens“ in die Mikros. Der 35-Jährige wurde zuvor zum wertvollsten Spieler der World Series gegen die Los Angeles Dodgers gewählt. Im fünften und letzten Duell der beiden Teams hatte er zwei Homeruns zum 5:1-Sieg beigetragen, beim 9:6 nach 0:4-Rückstand in Spiel vier führte er das Team zum kaum mehr für möglich gehaltenen Comeback. Die Red Sox sind nun zum insgesamt neunten Mal Champion in der Major League Baseball (MLB).
Auch Werfer David Price hatte entscheidenden Anteil am Titelgewinn, in Spiel zwei und fünf beherrschte er die gegnerischen Schlagmänner fast nach Belieben. „Ich habe gezeigt, dass ich auch wichtige Spiele gewinnen kann“, sagte der 33-Jährige, an dessen Leistungsfähigkeit gerade in solchen Momenten in der Vergangenheit Zweifel aufgekommen waren. Price starrte dabei mit glasigen Augen ins Leere und schien der Welt ein wenig entrückt. Das gilt ohne Zweifel für seinen Klub. Die Red Sox haben die World Series zum vierten Mal in den vergangenen 15 Jahren nach Boston geholt, nachdem sie zuvor 86 Jahre auf einen Triumph hatten warten müssen. Doch die Leistung der aktuellen Mannschaft gilt als besonders eindrucksvoll. Teambesitzer John Henry meinte: „Für mein Gefühl ist das die beste Mannschaft, die ich jemals habe spielen sehen.“
Nun hat Henry mit seinen 69 Jahren sicherlich viele Baseballteams gesehen, die große Zeit der Red Sox zu Beginn des 20. Jahrhunderts kennt er aber auch nur vom Hörensagen. 1916 beispielsweise traf Boston schon einmal in der World Series auf die Dodgers, die seinerzeit noch in New York beheimatet waren und unter dem Namen ihres Managers Wilbert Robinson als Brooklyn Robins firmierten. Auch diese Serie war nach fünf Spielen und 4:1-Siegen für die Red Sox beendet, die „New York Times“ schrieb damals von einem „Tauziehen zwischen einem Elefanten und einem Goldfisch“, so überlegen waren die Bostoner.
18 Innings - 7:20 Stunden
Erst 102 Jahre später sollten beide Klubs wieder ein Finale bestreiten, das Baseballspiel von damals und heute ist allerdings kaum mehr miteinander zu vergleichen. In der sogenannten „Deadball- Ära“ beherrschten die Werfer das Spiel, auch weil es keine Regeln gab, was sie mit dem Ball alles anstellen durften. Der wurde verformt, bespuckt und während eines Spiels nicht ausgetauscht. Spektakuläre Offensivaktionen waren die Ausnahme, auch weil die Stadien riesig waren. So wurden in der gesamten World Series 1916 insgesamt nur drei Homeruns geschlagen, 2018 gelangen allein den Red Sox im fünften Finale vier.
Es gab in der Anfangszeit des professionellen Baseballs allerdings auch den durchaus positiven Fakt, dass die Spiele deutlich flüssiger waren. So dauerte das zweite Endspiel 1916 nur 2:32 Stunden, obwohl die Entscheidung erst im 14. Inning fiel. Der legendäre Babe Ruth hatte Boston damals zum 2:1-Sieg geworfen, er spielte wie auch sein Kontrahent Sherry Smith das komplette Spiel inklusive Verlängerung durch. In den aktuellen World Series gab es im dritten Duell 18 Innings, die sich über 7:20 Stunden zogen – 14 Werfer kamen auf beiden Seiten insgesamt zum Einsatz. Der übertragende US- Fernsehsender Fox schaltete währenddessen rund 50 Werbeblöcke.
Die Red Sox unterlagen in diesem Spiel 2:3, doch es blieb bei dieser einen Niederlage gegen die Dodgers. In den Play-offs verloren sie überhaupt nur dreimal, nach 108 Siegen in der regulären Saison kann dann schon mal der Gedanke aufkommen, dass selbst ein derart traditionsreicher Klub ein solches Team noch nicht gesehen hat.
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