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Zug um Zug. Sarah Köhler und die anderen deutschen Schwimmer haben in Glasgow einen guten Eindruck hinterlassen.
© François-Xavier Marit/AFP

Deutsche Schwimmer: Die Bilanz stimmt zuversichtlich

Der Deutsche Schwimm-Verband feiert erfolgreiche Europameisterschaften und will sich weiter verbessern. Das erfordert eine Menge Ausdauer.

Das letzte Bad im Loch Lomond war nur von kurzer Dauer. Im größten See Schottlands hielten es Florian Wellbrock und Sarah Köhler bei den herbstlichen Temperaturen, die die European Championships von Glasgow im Laufe der Tage zu einer immer erfrischenderen Angelegenheit machten, am Sonntag nicht lange aus. Doch der Start über 25 Kilometer im selten genutzten Freiwasser stellte für die beiden Aufsteiger im deutschen Wassersportteam sowieso nur ein erzwungenes Ausschwimmen dar. Galt es doch das Recht auf die Silbermedaille zu wahren, die das Erfolgspaar einen Tag zuvor gemeinsam mit Sören Meißner und Leonie Beck in der Mixed-Staffel gewonnen hatte. Denn Voraussetzung für eine Teilnahme im Team war bei diesen Titelkämpfen auch ein Einzelauftritt im See.

Eigentlich beweisen die beiden gerne Ausdauer, haben die längsten Strecken im Becken für sich entdeckt. Weil sie nichts besonders gut können, wie Köhler gerne sagt. Aber es macht der fleißigen Kachelzählerin längst Spaß. Ein zuletzt selten genutzter Begriff im Lager des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV). Doch die damit beschriebene positive Atmosphäre ist plötzlich wieder da. Nach Jahren des allmählichen Untergangs hat man wieder Oberwasser. Selten sah man Bundestrainer Henning Lambertz so entspannt durch die Mixed Zone bei einem Großereignis laufen wie im Tollcross International Swimming Centre. „Die Stimmung ist komplett anders als in den vergangenen Jahren“, bestätigte der 47-Jährige. Auslöser dafür waren die frühen Medaillengewinne, allen voran das überraschende Gold im neuen Mixed-Staffelwettbewerb über 4 x 200 Meter Freistil. Nur einen Tag später folgte Wellbrocks Paukenschlag mit einem Sieg und beeindruckendem deutschen Rekord über 1500 Meter.

Insgesamt acht Medaillen holten die Beckenspezialisten. Lambertz nimmt dieser Erfolg gewaltigen Druck von den Schultern, war der doch vor seiner Zeit als Cheftrainer gerne auch von den eigenen Kollegen gerühmte und wegen seiner smarten Art beliebte Coach zuvor zunehmend in Kritik geraten. Verordnete Maßnahmen wie beispielsweise ein neues Kraftprogramm schienen nicht anzuschlagen. Nun sieht sich Lambertz jedoch in seinem Vorgehen bestätigt.

"Wir waren ein starkes Team"

Das betrifft auch die Staffeln, bei denen er, anders als bei vorhergehenden Großereignissen, diesmal eine Offensive ausgerufen hatte. Selbst Schwimmer ohne Einzelnorm wurden dafür auf die britische Insel mitgenommen und durften sogar ein Solo wagen, um das bestmögliche Team auf die Startblöcke zu schicken. Das zahlte sich aus. Für die Zukunft dürfe man sich aber nicht zu sicher wähnen, warnte Lambertz. Bei Weltmeisterschaften wie denen in Südkorea im nächsten Jahr oder den Olympischen Spielen 2020 in Tokio kämen starke Nationen wie die USA oder Australien dazu. Wer dann wieder dabei sein will, muss sich mit anderem Maß messen lassen. Zudem gilt es herauszufinden, weshalb trotz starker Bilanz nicht jeder imstande war, eine Saisonbestleistung abzurufen.

Köhler und Wellbrock zumindest nahmen das unterm Dach getankte Selbstbewusstsein mit ins Freiwasser, wo es den Sportlern von Bundestrainer Stefan Lurz gelang, nach der erfolglosen WM 2017 wieder an bessere Zeiten anzuknüpfen. DSV-Präsidentin Gabi Dörries stellte fest, dass Deutschland nach kurzem Tief beim Freistil unter freiem Himmel wieder zu den Topnationen zähle.

Auf kontinentaler Ebene trifft das auch auf die Wasserspringer zu, die unter anderem den Rückzug des mehrmaligen Europameisters Sascha Klein nach den Spielen von Brasilien zu verkraften hatten sowie das verletzungsbedingte Fehlen von Patrick Hausdings Stamm-Synchronpartner. Ersatzkraft Lars Rüdiger sprang beim Bronzegewinn vom Dreier jedoch erfolgreich in die Bresche. Doch auch Vorzeigeathlet Hausding selbst hatte mit einer Blessur am Oberschenkel zu kämpfen. So war es vor allem die Dresdnerin Tina Punzel, die gleich drei von insgesamt neun Medaillen holte. „Wir waren ein starkes Team“, resümierte Bundestrainer Lutz Buschkow, das jetzt optimistisch in die Olympiavorbereitung gehen könne. Doch auch in seiner Sparte gibt es einiges zu tun, will man sich von den kontinentalen Erfolgen nicht blenden lassen. Das erfordert weiterhin Kampfgeist – und eine Menge Ausdauer.

Katja Sturm

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