BIG FOUR - Die US-Sport-Kolumne: Die besten Boston Red Sox aller Zeiten?
107 Siege - mehr hat noch kein Team aus Boston in der MLB jemals geschafft. Trotzdem wird der Weg zum World-Series-Titel kein leichter für die Red Sox.
Die Boston Red Sox sind eine Institution im amerikanischen Sport. Achtmal haben sie die World Series in der Major League Baseball (MLB) gewonnen, dreimal allein in den vergangenen 15 Jahren. Okay, dazwischen gab es eine verflucht lange Durststrecke, aber auch Verlierer können einem so richtig ans Herz wachsen. In diesem Jahr fliegen den Red Sox die Herzen allerdings deswegen zu, weil sie so unglaublich oft gewinnen. 107 Siege sind es drei Tage vor dem Ende der mit 162 Spielen vermeintlich endlos langen Saison - so viele wie noch nie für eine Bostoner Mannschaft. Die Play-offs sind lange erreicht, der Heimvorteil bis hinein in die World Series gesichert.
Im Moment geht es nur noch um persönliche Rekorde. Mookie Betts beispielsweise hat es in dieser Spielzeit bisher auf 32 Homeruns und 30 Steals gebracht - er ist also gleichermaßen schlaggewaltig wie schnell zwischen den Bases unterwegs. So eine 30/30-Saison ist in der MLB eine Rarität, Betts ist erst der 40. Spieler in der Liga-Historie und der zweite aus einem Red-Sox-Team, dem das gelungen ist. Normalerweise macht ihn das zum klaren Favoriten auf den Titel des wertvollsten Spielers der Saison - wenn da nicht Teamkollege J. D. Martinez wäre.
Der hat sogar 42 Homeruns geschlagen und 127 Runs über die Homeplate (RBI) gebracht. Zwischenzeitlich durfte Martinez sogar von der Triple Crown träumen, den besten statistischen Werten in Schlagdurchschnitt, RBIs und Homeruns. Ganz wird das nicht zwar nicht mehr klappen, Martinez liegt derzeit auf den Plätzen zwei, eins und zwei, trotzdem ist auch seine Saison eine für die Geschichtsbücher. Mit Xander Bogaerts haben die Red Sox sogar noch einen dritten Spieler in ihren Reihen, der mit 100 RBIs die magische Grenze überboten hat.
Mookie Betts und J. D. Martinez spielten Saisons für die Geschichtsbücher
Wer also soll die Red Sox aufhalten? Genau das ist die Frage, die sich im Baseball verbietet - erst recht so kurz vor den Play-offs. Die tollen Ergebnisse aus der regulären Saison sind in ein paar Tagen nichts mehr wert, es geht bei Null los - oder wie es so schön heißt: Die Karten werden neu gemischt. Trotz der besten Bilanz nach 162 Spielen sind die Red Sox nämlich nicht zwingend der Topfavorit auf den Sieg in der World Series. Es wird schwer genug, die Endspielserie zu erreichen. Denn die Red Sox haben durchaus auch Schwächen. Die Offensivabteilung ist zwar überragend, das Pitching wirft allerdings ein paar Fragezeichen auf. Hier sind andere Teams stärker einzuschätzen, allen voran Titelverteidiger Houston. Die Astros haben es inzwischen auch auf 100 Siege gebracht und im Vergleich zu Boston die bessere Starterrotation, zumal Red-Sox-Ass Chris Sale zuletzt nicht ganz fit wirkte.
Die beiden Schwergewichte der American League können erst in der zweiten Play-off-Runde aufeinander treffen, Boston droht aber schon zuvor eine hochbrisante Serie mit den New York Yankees - wenn die sich in der Wildcard-Runde durchsetzen sollten. Es ist ein Duell, auf das alle Baseball-Fans hinfiebern, einen Vorgeschmack gibt es von Freitag bis Sonntag zum Abschluss der Hauptrunde. Sollte es wirklich zum ersten Play-off-Duell seit 2004 kommen, dürfte dies hochemotional werden. Damals setzten sich die Red Sox nach 0:3-Rückstand noch 4:3 durch und beendeten anschließend ihren Titelfluch. Ein Jahr zuvor hatten die Yankees ihrerseits in den Play-offs mit 4:3 gegen ihren Lieblingsrivalen gesiegt - durch einen Homerun von Aaron Boone im 11. Inning des siebten Spiels. Jener Aaron Boone, der jetzt Manager des aktuellen Yankees-Team ist.
Für Boston wird es also nicht wirklich leicht, die beste Saison der Klubgeschichte noch zu krönen. Dabei wäre alles andere als der Gewinn der World Series eine Enttäuschung für die gesamte Red-Sox-Nation. Unruhig wird deswegen im Moment noch niemand, das könnte sich im Falle eines frühzeigen Scheiterns in den Play-offs allerdings ändern. Denn so schön die ganzen Rekorde auch sind, am Ende zählen nur die Titelringe - gerade für ein Team mit der Geschichte der Boston Red Sox.
In unserer US-Sport-Kolumne "Big Four" schreiben wir ab sofort wieder regelmäßig an Donnerstagen über die vier großen US-Sportligen NFL, MLB, NBA und NHL.
Jörg Leopold
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