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Jubelt Unions Sebastian Polter auch am Freitagabend wieder über einen Sieg gegen Hertha?
© Annegret Hilse/REUTERS

Rafal Gikiewicz und Sebastian Polter: Die Anführer vom 1. FC Union

Rafal Gikiewicz und Sebastian Polter sind die Derby-Helden. Dabei ist Letzterer nicht ganz zufrieden mit seiner Rolle im Team.

Fußballrhetorik ist oft martialisch und so waren Sebastian Polters Worte am Ende eines denkwürdigen Derby-Abends nicht wörtlich zu nehmen. „Ich brenne jetzt schon auf das Rückspiel“, sagte der Siegtorschütze des 1. FC Union. Nach all dem Ärger um die vielen Bengalos und Raketen, die das Stadtduell mit Hertha BSC an den Rand des Abbruchs gebracht hatten, war es sicherlich nicht die glücklichste Formulierung. Aber so ist Polter nunmal und deshalb lieben ihn die Union-Fans. Der Stürmer ist emotional, immer für einen Spruch gut, geradeheraus und manchmal sogar zu direkt.

Polters Vertrag läuft am Saisonende aus

Am Samstagabend war aber nicht der Zeitpunkt für rhetorische Feinheiten. Mit seinem späten Elfmeter entschied der 28 Jahre alte Polter das erste Derby zwischen Union und Hertha in der Fußball-Bundesliga. „Dass wir die Nummer eins in Berlin sind, macht mich stolz“, sagte er. Polter steht nun in einer Reihe mit John Jairo Mosquera und Torsten Mattuschka, die im Februar 2011 beim zuvor einzigen Sieg der Köpenicker gegen Hertha getroffen hatten. Gegen die Rolle des Derbyhelden wehrte sich der Stürmer dennoch. Der Verein sei „der Hero“ und habe jahrelang nach einem Sieg über Hertha gelechzt. „Das geht in die Geschichte ein.“

Für Polter war der 1:0-Derbyerfolg der emotionale und sportliche Höhepunkt einer bis dahin durchwachsenen Saison. In zwölf Pflichtspielen stand er nicht einmal in der Startformation und mit seiner Roten Karte kurz nach seiner Einwechslung in Leverkusen hatte er seine Position in der Stürmerhierarchie zusätzlich geschwächt. Trotz seines Elfmetertreffers vor einer Woche in München und der umfangreichen Rotation saß Polter auch beim Pokalspiel in Freiburg nur auf der Bank.

Eine gewisse Unzufriedenheit ist Polter anzumerken, zumal sein Vertrag bei den Köpenickern am Saisonende ausläuft. „Ich bin der festen Überzeugung, dass ich wichtig bin für den Verein“, sagte er. „Ich tue alles, damit meine Leistung stimmt und habe es verdient, von Anfang an zu spielen. Aber das muss der Trainer entscheiden.“

Eben jener Urs Fischer lobte seinen Joker nach dem Spiel. „Natürlich sind die Jungs, die auf der Bank sitzen, nicht zufrieden. Für mich ist aber entscheidend, dass sie bereit sind – und das war Sebastian heute“, sagte Unions Trainer. Auch seine Mitspieler haben weiterhin großes Vertrauen in Polter, insbesondere in seine Elfmeterqualitäten. „Polti ist cool bei solchen Dingen“, sagte Kapitän Christopher Trimmel. „Er macht sehr wichtige Tore, wird mehr Minuten kriegen und dann wird es auch mit der Startelf klappen.“

Sportlich war es ein perfekter Abend für Polter, ganz unbeschwert konnte der Stürmer den Derbysieg aber nicht genießen. Als kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit zahlreiche Raketen aus dem Gästeblock in Richtung Spielfeld und Tribüne flogen, kam seine Familie mit einem Schrecken davon. „Eine Pyro ist knapp neben meinen Kindern auf der Haupttribüne gelandet“, erzählte Polter. Pyrotechnik gehöre zwar irgendwie zum Fußball dazu, „aber was heute passiert ist, dass man direkt auf andere zielt, das geht gar nicht“.

"Auf dem Spielfeld haben die Leute nichts zu suchen"

Dass es nach dem Abpfiff nicht noch deutlich schlimmere Szenen im Stadion gab, war vor allem dem zweiten großen Derby-Protagonisten zu verdanken. Unions Torwart Rafal Gikiewicz hatte während des Spiels nicht sonderlich viel zu tun, stellte sich nach dem Abpfiff aber mutig einer kleinen Gruppe Vermummter entgegen. Die Chaoten waren aus dem Union-Block auf der Waldseite über den Zaun geklettert und suchten die körperliche Konfrontation mit den Hertha-Fans auf der anderen Seite des Stadions.

Gikiewicz gestikulierte mit weit aufgerissenen Augen, versperrte den Vermummten den Weg und wurde von einem Union-Anhänger beinahe angegriffen. Auch die Abwehrspieler Keven Schlotterbeck und Christopher Lenz redeten auf die Chaoten ein und so zogen sich diese nach kurzer Zeit zurück. „Gikiewicz, Gikiewicz!“, schallte es von der Tribüne. „Vielleicht hat Rafa für die Zeit nach der Karriere einen neuen Job als Ordner“, scherzte Mittelfeldspieler Robert Andrich. „Es war ein heißes Derby, da kochen die Emotionen hoch“, sagte Schlotterbeck, nur um klar zu stellen: „Auf dem Spielfeld haben diese Leute aber nichts zu suchen und deshalb wollten wir sie zurückhalten.“

Gikiewicz ist schon mit seiner Körpersprache unverzichtbar

Gikiewicz wollte nach dem Spiel nichts sagen, ist aber schon allein mit seiner Körpersprache unverzichtbar für Union. So entschlossen, wie er sich am Samstag den Gewalttätern in den Weg stellte, geht er auch sportlich zu Werke. Der polnische Torwart ist geradezu besessen von Ehrgeiz und fordert viel von sich – und viel von seinen Vorderleuten. In der vergangenen Saison wurde er auf Anhieb zur Nummer eins und hatte wesentlichen Anteil am erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga.

Gikiewicz ist einer der wenigen Profis bei Union, die ihre Ziele auch öffentlich klar kommunizieren und nicht nur in Phrasen sprechen. Das gefällt längst nicht allen Vereinsverantwortlichen, doch verbiegen lässt sich der 32-Jährige nicht. „Jede Mannschaft braucht einen Gikiewicz“, sagte der Torwart in der vergangenen Saison und zumindest für den 1. FC Union trifft das ganz offensichtlich zu.

Dass der Aufsteiger gegen Hertha im zweiten Heimspiel nacheinander kein Gegentor bekommen hat, ging in dem Chaos auf und neben dem Platz fast unter. Bis zu seinem persönlichen Ziel fehlen Gikiewicz und Union noch sechs Zu-Null-Spiele – doch wer es mutig mit einer Gruppe Vermummter aufnimmt, muss vor den Stürmern der Bundesliga auch keine Angst haben.

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