zum Hauptinhalt
Die Eisbären Berlin stehen im Endspiel der Deutschen Eishockey-Liga und spielen nun gegen Wolfsburg um den Titel.
© imago images/Contrast

Die etwas andere Finalserie um die deutsche Eishockeymeisterschaft: Dicht werden wohl nur die Kneipen sein

Am Sonntag startet die Finalserie der Eisbären gegen Wolfsburg. 2011 trafen sich beide Mannschaften schon mal im Endspiel, doch diesmal ist alles anders.

Was war das ein schöner Dienstag für die Eisbären Berlin, der 19. April 2011. Vor gut zehn Jahren rauschte es rund um die Arena am Ostbahnhof. Die Berliner machten an jenem Tag mit einem humorlosen 5:4-Sieg die nach dem Modus „Best of five“ ausgespielte Finalserie bei den Grizzlys Wolfsburg, die damals noch Grizzly Adams hießen, mit dem dritten Sieg dicht.

Aber Wolfsburg war gefühlt nah, die Kneipen unweit der Warschauer Brücke waren voll – es lief Eishockey und nach dem Triumph der Eisbären gab es ein Hupkonzert auf der Straße. In der Arena tobten tausende Fans derweil beim Public Viewing. Viele von ihnen harrten aus, als dann die Mannschaft in den frühen Morgenstunden in die Arena kam. Sprecher Daniel Goldstein stellte sich vor die Kurve und rief: „Alles außer Eisbären ist scheiße.“

Die Gefahr besteht zehn Jahre später nicht und das nicht allein, weil Goldstein nicht mehr bei den Eisbären beschäftigt ist. Wenn am Sonntag zum zweiten Mal einen Finalserie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zwischen Eisbären und Wolfsburg angesagt ist, ist fast alles anders.

Zuschauen werden in der Arena am Ostbahnhof ab 14.30 Uhr (live auf Sport 1 und Magentasport) nur die üblichen Verdächtigen (Journalist*innen und Hallenpersonal), nur die Kneipen werden in der Umgebung dicht sein und dann wird in den Pandemie-Play-offs ja nur nach dem Modus „Best of three“ gespielt.

„Es geht nicht um die Vergangenheit, sondern nur um morgen.“

Nicht einmal die Rollenverteilung ist so wie vor zehn Jahren, als die Berliner in ihrer Hochzeit klarer Favorit waren und die Wolfsburger noch eine Provinztruppe, die sich mal in ein Finale gemurkelt hatte. Genau betrachtet ist Wolfsburg diesmal sogar der Favorit – im Duell zweier kanadischer Trainer, die aus ihren Mannschaften sehr viel gemacht haben.

In der Hauptrunde gewannen die Grizzlys alle vier Spiele gegen die Berliner; drei Mal erst in der Verlängerung oder im Penaltyschießen. Trotzdem ist das eine Horrorbilanz für die in der Hauptrunde sonst so starken Eisbären, die ihr Trainer Serge Aubin aber mit branchenüblichen Floskelgeflecht abbügelt: „Play-offs sind eine neue Saison“, sagt Aubin. „Als wir gegen die Wolfsburger gespielt haben, war unser Team noch im Aufbau. Und es geht nicht um die Vergangenheit, sondern nur um morgen.“

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Das unmittelbare Gestern ist im Fall Wolfsburg aber nicht uninteressant. Die Niedersachsen haben in ihrer Serie die Adler Mannheim, Meister von 2019, niedergespielt. Das war nicht weniger beeindruckend als das Auftreten der Eisbären in einer ebenfalls drei Spiele langen Halbfinalserie gegen Ingolstadt, von den Berlinern am Freitag mit einem 4:2-Sieg beendet. Wie schätzt Aubin den Gegner ein? „Wolfsburg ist ein gutes Team, gut organisiert und gut im Powerplay.“ Aha.

Die drei Spiele lange Halbfinalserie gegen Ingolstadt beendeten die Berlinern am Freitag mit einem 4:2-Sieg.
Die drei Spiele lange Halbfinalserie gegen Ingolstadt beendeten die Berlinern am Freitag mit einem 4:2-Sieg.
© dpa/ Andreas Gora

Natürlich wird in den Play-offs verbal gemauert bei dem 46 Jahre alten Aubin, der ohnehin nie zu viel sagen will. Dafür arbeitet er mit den Eisbären seit zwei Jahren sehr erfolgreich und weiß, wie man als Trainer einen Titel gewinnt: In der Saison 2016/2017 wurde er mit den Vienna Capitals Meister in der internationalen österreicherischen Liga, die Wiener verloren in den Play-offs unter Aubin nicht einmal. Bei zwei anderen Klubs (Hamburg und Zürich) als Trainer hatte der einstige NHL-Profi weniger Erfolg.

Aubins Wolfsburger Kollege Pat Cortina ist eine spannende Figur im deutschen Eishockey. Einst hat der heute 56 Jahre alte Kanadier den damaligen EHC München nach oben geführt und dann wurde er sogar Bundestrainer, was aber weniger gut lief. Wohl auch, weil er sich hier und da verschätzte. Als ihm mal nahegelegt wurde, einen 18 Jahre alten Spieler namens Leon Draisaitl doch im Team eine tragende Rolle zu gestatten, soll Cortina gesagt haben: „Wieso, ich habe doch den Alexander Barta.“

Nach einem peinlichen 0:10 gegen Kanada war Cortinas Aus beim Deutschen Eishockey-Bund schon während der laufenden WM 2015 beschlossene Sache. Cortina ist gefühlt mehr der Mann für die kleineren Bühnen: Bei den Schwenninger Wild Wings war er und nun arbeitet er in Wolfsburg.

Der Trainer, der im Gegensatz zu seinen vielen nordamerikanischen Kollegen in der Liga ganz passabel deutsch spricht, gilt als fleißiger Arbeiter und er hat seiner Mannschaft viel Leben eingehaucht in dieser Saison. Wobei die Wolfsburger durchaus tief besetzt und mit ihrer vom Schweden Max Görtz angeführten nordischen Fraktion strukturell sehr gut aufgestellt sind.

Die Eisbären könnten etwas weniger Druck haben

Eines haben die Trainer der Finalteilnehmer gemein, sie wirken nach außen hin eher verschlossen. Wer an die unterhaltsamsten 100 Episoden aus der noch laufenden Saison in der Pandemie-DEL denkt, wird weder Serge Aubin noch Pat Cortina auf dem Zettel haben – nicht mal in punkto unfreiwillige Komik, für die Cortina ja schon mal gut war früher. Mal sehen, ob einer von beiden dann spätestens am Freitag, dann wäre Spiel drei der Finalserie, etwas aus sich herauskommt, wenn er mit seiner Mannschaft den Titel gewonnen hat.

Aubin hat mit den Eisbären gefühlt etwas weniger Druck als der Kollege mit den Wolfsburgern, die nicht nur 2011, sondern auch 2016 und 2017 (jeweils gegen München) in Finalserien scheiterten. Die Eisbären dagegen verloren von acht Finalteilnahmen nur einmal (2018 gegen München) und in besagter Saison schlugen sie die Wolfsburger auch auf dem Weg in die Endspielserie (im Viertelfinale).

So gesehen, ist auch das anders als vor zehn Jahren: Damals konnte Wolfsburg noch frei aufspielen, niemand erwartete etwas vom Außenseiter.

Eines ist dann aber doch so wie im Jahr 2011 – die Eisbären sehen sich im Vorteil. Ihr Kapitän Frank Hördler, schon damals und bei allen sieben Meistertiteln dabei, sagt: „Wir haben die Tür aufgestoßen, und jetzt wollen wir auch durchgehen.“

Zur Startseite