Debatte um Ultras und Krawalle: DFB will keine Kollektivstrafen mehr
Der Deutsche Fußball-Bund geht im Streit um zunehmende Ausschreitungen auf die Fans und Ultras zu.
Der Deutsche Fußball-Bund will in Zukunft auf sogenannte Kollektivstrafen für Fans verzichten und damit in dem Streit um die zunehmenden Fan-Ausschreitungen in einigen Stadien auf die Anhänger zugehen. „Bis auf Weiteres“ wolle man „keine Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperren, Teilausschlüssen oder Geisterspielen mehr“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Der DFB empfehle dem Kontrollausschuss, „bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelbare Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligung an Verstößen gegen die Stadionordnung nicht nachgewiesen ist“.
Verbände wie der DFB und die Deutsche Fußball-Liga auf der einen sowie Teile der sogenannten Ultra-Bewegung auf der anderen Seite stehen sich seit Monaten unversöhnlich gegenüber. Die Unterbrechung des Pokalspiels zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2) am Montagabend hatte die Debatte um Fankrawalle in Deutschland wieder einmal erhitzt. „Wir wollen ein Zeichen setzen, um gemeinsam in den Dialog einzutreten“, sagte Grindel in seiner Erklärung.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius ging in einem „Sport-Bild“-Interview sogar noch weiter und regte zumindest an, die von den Ultras so geliebte Pyrotechnik zumindest in bestimmten Bereichen eines Stadions zuzulassen. Bengalos seien „gefährlich, das kann man nicht einfach mal so abfeuern“, meinte der SPD-Politiker. „Nun sage ich: Okay, wenn einige Ultras-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechnik zu zünden, kann man sich darüber unterhalten, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen.“
Der DFB will die Ultras zum Gespräch bewegen
Gerade die Kollektivstrafen und die Pyrotechnik sind für die Ultras zentrale Begriffe in dieser Auseinandersetzung. Innenminister Pistorius möchte am 11. November einen Fußball-Gipfel in seinem Bundesland abhalten, an dem sowohl Profivereine als auch Fangruppen teilnehmen sollen. Das Bündnis „Pro Fans“ zum Beispiel hat eine Abschaffung der Kollektivstrafen immer zu einer Bedingung für seine Teilnahme an diesem Treffen erklärt. „ProFans sieht eine Abkehr hiervon als zwingend notwendig an“, heißt es in einer Erklärung aus dem Juli.
Die Vorstöße von Pistorius und Grindel sind deshalb als Versuche zu werten, mit den schwer zugänglichen Ultra-Gruppen überhaupt in eine Form von Gespräch zu kommen. „Es ist Zeit zum Innehalten. Es ist Zeit zum Umdenken“, schrieb der DFB-Präsident in seiner Erklärung. Der DFB ist dafür bereit, zumindest zeitweise auf die Ultra-Forderung nach der Abschaffung von Kollektivstrafen einzugehen. Der Verband fordert umgekehrt aber auch: „Verzicht auf Gewalt.“
Grindel lud Ultra-Vertreter ein, sich endlich mit dem DFB, seiner Arbeitsgruppe Fankulturen sowie anderen Fan-Organisationen an einen Tisch zu setzen. „Wir müssen Vertrauen aufbauen, Missverständnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen“, sagte er. „Wir wollen gemeinsam erörtern, was wir zum Erhalt und zur Verbesserung der Fankultur in unseren Stadien tun können.“
Die Fans wollen mitreden
Für diesen Vorstoß erhielt Grindel sofort die Zustimmung der Deutschen Fußball Liga. „Die Dialog-Initiative des DFB-Präsidenten an alle Fan-Gruppen ist der richtige Schritt, um neues Vertrauen zu bilden. Miteinander statt übereinander reden - das muss die Devise sein“, sagten Ligapräsident Reinhard Rauball und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert in einer gemeinsamen Erklärung.
Auch Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Deutschland, hatte bereits am Dienstag nach den Ausschreitungen von Rostock in einem Sky-Interview erklärt, eine Entspannung der Situation sei nur gemeinsam mit den Fans und nicht über ihren Kopf hinweg zu erreichen.
Der DFB-Präsident lud Ultra-Vertreter ein, sich mit dem DFB, seiner Arbeitsgruppe Fankulturen sowie anderen Fan-Organisationen an einen Tisch zu setzen. Voraussetzung dafür: „Der Verzicht auf Gewalt. Wir müssen im Dialog Vertrauen aufbauen, Missverständnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen“, sagte Grindel. (dpa)
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